First European Congress of World and Global History - Panel 32: Early Modern and World Wars in Translocal Perspective: Representations and Experiences from the South

First European Congress of World and Global History - Panel 32: Early Modern and World Wars in Translocal Perspective: Representations and Experiences from the South

Organizer(s)
European Network in Universal and Global History; Organisationskomitee Leipzig: Frank Hadler, Matthias Middell, Hannes Siegrist, Katja Naumann
Location
Leipzig
Country
Germany
From - Until
22.09.2005 - 25.09.2005
By
Jan Meine

Kriege beschleunigen in aller Regel sozialen Wandel und können, wie Gerhard Höpp und Lutz Rogler formulierten, „als Bewegungs- und Kommunikationsformen von Menschen“ aufgefasst werden. Damit sind – wenn auch zwanghaft – zusammengebrachte Akteure in Raum und Zeit angesprochen. Allerdings, und darin lag die Perspektive des Panels, ist der Raum nicht nur an das Schlachtfeld und die Zeit nicht nur auf den Abschnitt der Handlungen beschränkt. Dabei umklammert der Titel des Panels den „Süden“ in der Frühmoderne und während der Weltkriege, wobei sich dies in den Beiträgen konkretisierte auf Militärangehörige und Zivilisten aus der arabischen Region sowie aus Ostafrika.

Im Beitrag „Zur Deutung der beiden Weltkriege in zeitgenössischer ägyptischer Publizistik“ behandelte der Islamwissenschaftler Lutz Rogler die diskursive Verarbeitung beider Weltkriege durch arabische Intellektuelle. Diese Deutung und Wahrnehmung der Weltkriege in der arabischen Welt geschah zum einen durch Teilnehmer, Kombattanten sowie durch eine intellektuelle Deutung. Dabei sind die Quellengrundlagen Roglers zum einen Autobiographien und zum anderen Kulturzeitschriften. Rogler bricht mit früheren Fokussierungen der Forschung zu den Weltkriegen – die sich stark auf die Auswirkungen der Kriege auf Politik und Wirtschaft bezogen und europazentriert waren/sind. Er verwendet die Deutung der Weltkriege in der arabischen Welt, um arabische Welt- und Selbstsichten herauszuarbeiten, die sich durch die Kriege bildeten. Die Weltkriegsforschung bezog sich bei Betrachtungen der Regionen in Asien und Afrika bis jetzt hauptsächlich auf militärische Handlungen, die dort stattfanden, sowie auf die Auswirkungen auf koloniale Neuordnung. Die Frage nach den kulturellen und intellektuellen Wirkungen in den Gesellschaften Asiens und Afrikas ist unter anderem durch die eurozentristische Weltkriegsgeschichtsschreibung selten gestellt worden. In der Betrachtung von Wirkungswellen der Kriege sowie die Relevanz von Kriegswahrnehmung und deren Deutung in der arabischen Welt können arabische Welt- und Selbstsichten herausgearbeitet werden. In der Auseinandersetzung mit den Kriegen mussten sich die Intellektuellen auch mit sich, mit der eigenen Identität auseinandersetzen. So wurde in den von Rogler untersuchten Kulturzeitschriften Ägyptens der Erste Weltkrieg als ein Zivilisationsbruch, als eine Zivilisationskrise, als eine Krise der gesamten Menschheit wahrgenommen. Der Zweite Weltkrieg wurde weniger als eine Zivilisationskrise als ein Zusammenbruch einer alten wirtschaftlichen und politischen Welt wahrgenommen; mit seinem Ende wurde die politische Hoffnung auf Unabhängigkeit und Beendigung der Kolonialzeit verbunden. Aber auch, dass Technik keine wertneutrale Fortschrittsgröße ist, sondern sogar Rückschritte initiieren kann, zumal nach dem Abwurf der ersten Atombombe. Trotzdem war die Idee eines universellen Fortschritts, eines globalen Bewusstseins sehr stark, was jedoch weniger intellektuell denn politisch geprägt war. Das äußerst starke Motiv der Einheit der Welt, der Möglichkeit einer Weltfriedensordnung und der Überwindung des Nationalismus hin zu einem Internationalismus beherrschte die Diskussion. Die Analyse der Debatten zeigt deutlich, dass es nach dem Entwurf eines globalen Bewusstseins zu Abgrenzungsbewegungen von der Moderne durch den Verlust des Nimbus der Moderne kam; sich der Diskurs über die Möglichkeit eines Weges in die Zukunft getrennt vom modernen Europa durch eine Betonung eines Partikularismus verbreitete.

Die Afrikanistin Katrin Bromber ging in ihrem Beitrag „Zweiter Weltkrieg und Medienrevolution. Erfahrungen ostafrikanische Soldaten in out-of-area Einsätzen“ auf kriegsbedingte Erfahrungen ostafrikanischer Truppen mit und in einer sich dramatisch entwickelnden und verändernden Medienvielfalt ein. Die im Zuge des Zweiten Weltkriegs auf- und ausgebaute Medienlandschaft konstituierte einen Kommunikationsraum – so die These von Bromber – von bis dahin nicht bekannter Größe, wobei Größe eben nicht nur die geografische Ausdehnung meint, sondern die drastisch gestiegene Zahl der Adressaten, die jetzt mehrheitlich Afrikaner waren, sowie die Vielfalt der Medien selbst, also Film, Radio und Printmedien. Die Militärpropaganda für ostafrikanische Truppen erzeugte so im Großraum Indischer Ozean einen vernetzten Medienraum, der durch Filmproduktionsstätten in Südafrika, ägyptische Leihservices und indische Verlagshäuser gebildet wurde; aber auch einen Kommunikationsraum, der auf der Seite der Adressaten neue, sich überlappende mediale Erfahrungsräume schuf. Bromber sieht in ihren Studien empirische Befunde dafür, dass die Militärführung in der Militärpublizistik auf Erfahrungen und auch Erwartungen der ostafrikanischen Soldaten eingehen musste, um sie in ihrem Sinne lenken zu können, was bedeutet, dass Kombattanten als Adressaten ernst genommen werden mussten.

Mit der Feststellung, dass es verschiedene Kriegsformen gibt, stellt sich auch die Frage, wie die Zivilgesellschaft, der Zivilist in diesen verschiedenen Formen behandelt, bewertet und benutzt wird. Der Historiker Thomas Speckmann hinterfragte in seinem Beitrag zur „Unterscheidbarkeit von Kombattanten und Nichtkombattanten in den ‚neuen Kriegen’“ die Kategorie des „unschuldigen Zivilisten“. Das Völkerrecht trennt streng zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten. Jedoch ist es in bewaffneten Konflikten immer schwierig beide Kategorien zu trennen. Warum diese Trennung vor allem in den „Neuen Kriegen“ des 20. und 21. Jahrhunderts so schwierig ist, will das vorgestellte Vorhaben, welches von Thomas Speckmann und Herfried Münkler geplant ist, untersuchen. Im Zentrum der Untersuchung steht dabei die These, dass die Verschmelzung der Kombattanten- und Nicht-Kombattantengruppe ein kriegsimmanentes Prinzip darstellt.

Zur Differentzierung werden die Nicht-Kombattanten in „Opfer“ und „Täter“ unterschieden und die „Täter“ auch als Semi-Kombattanten bezeichnet (z. B. Medien, Industrie etc.). Um die Übergänge des klassischen Kombattanten auf dem Schlachtfeld und dem seine Kampffähigkeit erhöhenden Zivilisten begrifflich zu erfassen, wurde der Semi-Kombattant in die Diskussion eingeführt; seine Figur entstand in den ersten Monaten des Ersten Weltkrieges, als deutlich wurde, dass die Leistungen der Kombattanten auf dem Schlachtfeld auch von denen der Zivilisten abhängig war. Im Gegensatz zum „klassischen“ Militär unterscheiden die Akteure in den „Neuen Kriegen“ (als Stichwort sei hier die asymmetrische Kriegführung genannt) weniger zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten, womit es zu einer Verschmelzung beider Gruppen kommt. Speckmann/Münkler wollen versuchen aufzuzeigen, dass die Idee des Krieges als einer staatlichen Handlungsform, die ausschließlich von Soldaten auszuführen ist, in der Epoche der „Neuen Kriege“ zunehmend erodiert. Die Frage nach einer sich verändernden Kriegsführung im Allgemeinen und die Unterscheidung zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten im Besonderen ist nicht nur eine Schlüsselfrage für das Verständnis einer Epoche, in der klassische Schlachten und klaren Fronten mehr und mehr verschwinden, sondern auch generell die Unterscheindung von Krieg und Frieden im traditionellen Verständnis brüchig geworden ist. Spätestens seit durch die Operation „Iraqi Freedom“ Zivilisten zum Opfer gefallen sind und dies weltweit Proteste auslöste, ist der Streit darum, wer als Kombattant gelten kann keine akademische Frage mehr, sondern eine Entscheidung von weltpolitischem Rang.

Ereignisse und deren Periodisierung beziehen sich – so wurde in diesem Panel deutlich – in welt- und globalgeschichtlicher Perspektive nicht ausschließlich auf den lokalen Ort des unmittelbaren Geschehens, sondern konstituieren durch ihre Wirkungswellen eigene Wirkungsräume. Diese zu untersuchen gelingt eben der Welt- und Globalgeschichte durch ihre permanent versuchte Überwindung von klassischen Raum- und Zeitkonzeptionen.

Contact (announcement)

Katja Naumann
Universität Leipzig
Zentrum für Höhere Studien
Emil-Fuchs-Str. 1
04105 Leipzig
knaumann@uni-leipzig.de

www.uni-leipzig.de/zhs/ekwg
Editors Information
Published on
06.01.2006
Author(s)
Contributor
Classification
Regional Classification
Subject - Topic
Additional Informations
Country Event
Conf. Language(s)
English, French, German
Language