M. S. Copelovit: The International Monetary Fund in the Global Economy

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Title
The International Monetary Fund in the Global Economy. Banks, Bonds, and Bailouts


Author(s)
Copelovitch, Mark S.
Published
Extent
375 S.
Price
£ 50.00
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Gunther Schnabl, University of Leipzig

Der Autor befasst sich mit einer der wichtigsten und umstrittensten internationalen Organisationen, dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Er beschreibt den IWF als eine einflussreiche internationale Organisation, die in aufstrebenden Volkswirtschaften die Interessen der Finanzinstitute der Industrieländer sichert und über Konditionalitäten bei der Kreditvergabe Wirtschaftspolitiken beeinflusst. Auf 375 Seiten versucht er das „Rätsel“ der politischen Interessen bei der IWF-Kreditvergabe zu enthüllen.

In den letzten beiden Dekaden hat sich das Umfeld für den Internationalen Währungsfonds nachhaltig verändert. Ende der 1990er-Jahre gaben die Rettungsaktionen für Ostasien, Russland und einige lateinamerikanische Länder dem IWF zunächst eine wachsende Bedeutung für die Stabilisierung der Weltwirtschaft. Die Kreditvergabe an die Krisenländer wurde an vom IWF ausgearbeitete strenge Stabilisierungsprogramme (Konditionalitäten) geknüpft. Zu Beginn des neuen Jahrtausends führten drastische Zinssenkungen in den USA zu stark anschwellenden Kapitalzuflüssen in die aufstrebenden Volkswirtschaften, die dort das Wachstum beschleunigten und Feuerwerke auf den Vermögensmärkten auslösten.

Rasant steigende Devisenreserven und sich rasch konsolidierende Staatsfinanzen erlaubten in den aufstrebenden Volkswirtschaften die Rückzahlung internationaler Verbindlichkeiten, wodurch der Einfluss des IWF deutlich geschmälert wurde. Ebenso untermauerte das rasante Wachstum der aufstrebenden Volkswirtschaften deren Forderung nach einer größeren Beteiligung in den Entscheidungsgremien des IWF. Mit der US-Hypothekenmarkt-Krise gewann der IWF seit 2007 wieder deutlich an Bedeutung. Die globale Krise einschließlich der europäischen Schuldenkrise stärkte seine Rolle als globaler Retter in der Not (Lender of Last Resort).

Das 2010 erschienene Buch von Mark Copelovitch befasst sich vor allem mit der Rolle des IWF in den 1980er- und 1990er Jahren. Es unterteilt sich in fünf Kapitel: Eine Einführung in das Thema, einen Überblick über die Theorien zum Kreditvergabeverhalten des IWF, einer empirischen Überprüfung dieser Theorien sowie zwei Fallstudien zu Krisen und IWF-Kreditvergabe in Mexiko und Südkorea im Zeitraum von 1983 bis 1997. Der zugrundeliegende Betrachtungszeitraum legt bereits die Schwäche des Buches offen. Die Analyse ist rückwärtsgerichtet und bezieht sich überwiegend auf Mexiko und Südkorea. Die Herausforderungen, die sich aus den drastischen Zinssenkungen in den USA seit der Jahrtausendwende und den daraus resultierenden spekulativen Kapitalzuflüssen in die aufstrebenden Volkswirtschaften ergeben, bleiben ausgeklammert. Die Forderung nach einer größeren Beteiligung der aufstrebenden Volkswirtschaften an den IWF-Entscheidungsgremien und deren mögliche Auswirkungen auf die Entscheidungsmuster des IWF werden nicht untersucht.

Der Autor hat es sich zum Ziel gesetzt, zwei „Rätsel“ zu beantworten, die aus seiner Sicht bisher von der umfassenden Literatur nicht ausreichend beantwortet wurden. Erstens, warum der IWF Länder „unterschiedlich großzügig“ behandelt werden. Zweitens, ob die Kreditvergabe des IWF mehr politischen als wirtschaftlichen Zielsetzungen folgt. Zur Beantwortung dieser Fragen bemüht der Autor umfassende theoretische und statistische Quellen, um aus seiner Sicht neue Antworten hinsichtlich der Veränderung der Rolle des IWF über den Zeitverlauf zu liefern. Sein Buch soll politischen Entscheidungsträgern wertvolle Informationen geben, um optimale Antworten auf globale Finanzkrisen zu finden.

Gleich zu Beginn nennt der Autor die naheliegende Antwort auf seine Rätsel. Die Risiken, die die Finanzinstitute der Industrieländer in den aufstrebenden Volkswirtschaften eingegangen sind, haben einen starken Einfluss auf das Kreditvergabeverhalten. Das Volumen der IWF-Kredite, die Kreditfinanzierungsstruktur nach Ländern und die Kreditvergabebedingungen werden maßgeblich davon bestimmt, welche Finanzinstitute welchen Landes welche Risiken in den Krisenländer eingegangen sind. Der Autor sieht ferner diskretionären Entscheidungsspielraum der IWF-Mitarbeiter vor Ort, da diese Informationen zusammenstellen und Verhandlungen führen.

Der Autor kommt mit Hilfe der Prinzipal-Agenten-Theorie zu der Einsicht, dass die globalen Finanzmärkte die politischen Entscheidungen in den Kreditgeberländern ebenso wie die Entscheidungen von supranationalen Entscheidungsträgern formen. Die umfangreichen ökonometrischen Untersuchungen zeigen, dass die IWF-Kreditvergabe deutlich mit den gefährdeten Außenständen der Finanzinstitute der großen Länder verbunden sind. Das Kreditvolumen sei kleiner und an mehr Bedingungen geknüpft, wenn die Interessen der großen Kreditgeberländer heterogener sind. Zudem würden die Kreditvergabemodalitäten von den IWF-Mitarbeitern geprägt.

Die beiden Fallstudien von Mexiko und Südkorea bieten auf der Grundlage von IWF-Mitarbeiter-Berichten (IMF Staff Reports) und Verhandlungsprotokollen einen sehr detaillierten Einblick in politische und finanzielle Interessen, Verhandlungsprozesse und Konditionalitäten. Die Fallstudien bestätigen den Autor in seinen Grundthesen. Die Hypothese, dass die IWF-Kreditvergabe auch durch die geopolitischen Interessen der USA als größtem Anteilseigner des IWF getrieben sind, wird hingegen verworfen: Wenn geopolitische Interessen wirklich für die Kreditvergabe des IWF eine wichtige Rolle gespielt hätten, dann hätten militärisch wichtige Länder größere Kredite als Mexiko empfangen müssen, so der Autor. Dies sei jedoch nicht nachweisbar.

Zusammenfassend sieht der Autor die Entscheidungsfindung des IWF als Ergebnis der sich rasch verändernden finanziellen und geopolitischen Interessen. Immer komplexere Märkte, schnell anschwellende internationale Finanzströme und die wachsende Dimension von Krisen schaffen immer neue Herausforderungen. Der IWF werde deshalb eine prominente Rolle behalten und werde weiterhin für unterschiedliche Länder im Falle von unterschiedlichen Krisen unterschiedliche Lösungen finden.

Angesichts der dramatischen Entwicklungen, die seit der Jahrtausendwende auf den internationalen Finanzmärkten zu beobachten sind und die auch den IWF in das stürmische Fahrwasser der internationalen Finanzmärkte gebracht haben, enttäuscht das Buch. Die Forschungsergebnisse sind wenig revolutionär und drängende Fragen werden nicht beantwortet. Die Frage, ob die IWF-Rettungsaktionen, die in der Regel von Zinssenkungen in den großen Ländern begleitet werden, ein Moralisches Risiko (Moral Hazard) bei der internationalen Kreditvergabe bewirkt haben, wird nur am Rande tangiert. Profitieren die USA von Rettungsaktionen, da diese über die größten Finanzmärkte verfügen? Wird die Veränderung der Quoten im IWF zugunsten der aufstrebenden Volkswirtschaften eine Veränderung in der Politik mit sich bringen? Oder werden die Rettungsaktionen auf den internationalen Finanzmärkten auch in Zukunft vom Gesetz der außerordentlichen Umstände getrieben bleiben?

Seit Mitte der 1980er-Jahre vergibt der IWF im Falle von Krisen Kredite, deren Rückzahlung durch Zinssenkungen in den großen Volkswirtschaften, insbesondere durch die Federal Reserve Bank der USA sichergestellt wird. Der IWF bleibt damit in der Ausrichtung der globalen Geldpolitik hin zu monetärer Expansion ein wichtiger Einflussträger. Dies hat nachhaltige Auswirkung auf die Verteilung zwischen Kreditgeberländern (insbesondere Deutschland, Japan und China) und Kreditnehmerländern (insbesondere den USA). Der private Finanzsektor – der vor allem in den USA und dem Vereinigten Königreich angesiedelt ist – profitiert, da Spekulationsgewinne privatisiert und Spekulationsverluste sozialisiert werden. Ohne eine ernsthafte Analyse der Auswirkungen der IWF-Kredite auf spekulatives Verhalten und Moral Hazard auf den Weltkapitalmärkten kann eine wissenschaftliche Untersuchung wirtschaftspolitischen Entscheidungsträgern keine wichtigen Hinweise bezüglich optimaler Entscheidungen geben. Das Buch von Copelovitch bedarf deshalb ergänzender Lektüre.

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Published on
17.06.2011
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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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