A. Tischer: Medien der Aussenbeziehungen

Cover
Title
Medien der Außenbeziehungen von der Antike bis zur Gegenwart.


Editor(s)
Hoeres, Peter; Tischer, Anuschka
Published
Köln 2017: Böhlau Verlag
Extent
519 S.
Price
€ 80,00
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Hillard von Thiessen, Universität Rostock

Der zu besprechende Sammelband ging aus der ersten Arbeitstagung der 2014 gegründeten Arbeitsgemeinschaft Internationale Geschichte im Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands hervor. Die Tagung fand im März 2015 in Würzburg statt und nahm sich des Themas „Medien der Außenbeziehungen“ an. Der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft, Dominik Geppert, betont in seinem Vorwort (S. 9), dass der mit sieben Sektionen und insgesamt zwanzig publizierten Einzelbeiträgen (ergänzt durch Einführungen in jede Sektion) gut bestückte Band Ausdruck des mittlerweile massiv gestiegenen Interesses an Themen der Geschichte der Außenbeziehungen sei. Der Band spiegele den transepochalen und interdisziplinären Charakter der ihm zugrundeliegenden Tagung.

Das Thema „Medien“ ist durchaus geschickt gewählt, denn die Geschichte der Außenbeziehungen ist in der Tat „zugleich eine Geschichte der medialen Kommunikation“, wie die Würzburger Herausgeber, Peter Hoeres und Anuschka Tischer, in ihrer Einleitung betonen. Dem Band ist ein allgemeiner Medienbegriff zugrunde gelegt, der sich an den basalen Funktionen von Medien orientiert: Übertragung über Distanzen, Überwindung des Faktors Zeit durch Speicherung und prozessuale Veränderung bzw. Strukturierung von Informationen. Dem interdisziplinären Anspruch des Bandes steht das starke Übergewicht der Historikerinnen und Historiker entgegen, die mit 25 Beiträgen vertreten sind, während vier Beiträge von Kommunikations- und Medienwissenschaftlern sowie ein Aufsatz von einem Islamwissenschaftlers verfasst sind – was freilich auf der Tagung einer Arbeitsgemeinschaft des Historikerverbandes nicht wirklich überraschend ist. Ein Teil der Autoren zeigt sich zudem Methoden und Theorien anderer Disziplinen gegenüber sehr aufgeschlossen.

Allerdings folgt für den Leser nach der Interdisziplinarität und Transepochalität beschwörenden Einleitung in der ersten Sektion prompt eine kalte Dusche: „Politiker und ihre Gesandten waren und sind vorrangige Akteure der Außenpolitik“, stellt Peter Hoeres in der Einführung der zu recht unbestimmt betitelten ersten Sektion („Außenpolitische Akteure und Medien“) apodiktisch fest. Ein Urteil, dem sich die Experten der vormodernen Epochen – für die bereits der Begriff des „Politikers“ problematisch ist – ebenso wenig anschließend dürften wie diejenigen, die zu transnationalen Beziehungen in der Moderne arbeiten. Mit dieser eigenwilligen Setzung macht Hoeres allerdings auf ein Grundproblem des Bandes aufmerksam: Der transepochale Dialog tritt nur wenig zutage. Das hängt auch mit einem starken Übergewicht der Neuesten Geschichte zusammen: Fast drei Viertel (14 von 20) der Beiträge betreffen die Moderne (und davon die meisten die Zeitgeschichte), vier die Frühe Neuzeit, je einer das Mittelalter und die Antike. Dies mag den Rücklauf des Call for Papers repräsentieren, der den Herausgebern nicht anzulasten ist. Er dürfte auch den Umstand reflektieren, dass die Bezeichnung „AG Internationale Geschichte“ für Historikerinnen und Historiker, die sich mit der Vormoderne – und damit der vornationalen Zeit – befassen, nicht sehr attraktiv ist.

In der ersten Sektion steht ein Beitrag von Maria Osmers zur Antike, der sich mit Prozessen der Institutionalisierung der Außenbeziehungen zwischen griechischen Poleis befasst, drei zeitgeschichtlichen Beiträgen über die Medialisierung von Außenpolitik im mittleren und späten 20. Jahrhundert gegenüber. Matthias Haeusler fragt nach medialen Aspekten der Gipfeldiplomatie Helmut Schmidts, Agnes Bresselau von Bressensdorf befasst sich mit der organisierten Außenkommunikation des Außenministers Genscher und Tobias Nanz führt in einem wohltuend methodisch angelegten Beitrag vor, wie die Akteur-Netzwerk-Theorie zur Untersuchung der Krisenkommunikation zwischen den Supermächten ab den 1960er Jahren eingesetzt werden kann. Ebenfalls theorieorientiert, wenn auch nicht transepochal angelegt ist die zweite, von Peter Burschel und Christian Windler eingeführte Sektion, die sich mit Geschenken als Medien in der frühneuzeitlichen Diplomatie befasst. Dabei kann Nadir Weber mit eindrücklichen Beispielen den Aktantenstatus von Tieren als Geschenken darlegen, während Tilman Haug die Vielschichtigkeit und Ambivalenz diplomatischer Geschenke am Beispiel des Hofs Ludwigs XIV. darlegt. Christine Vogel schließlich befasst sich mit Geschenken in interkultureller Perspektive, indem sie die Schenkpraktiken französischer Botschafter an der Hohen Pforte im 17. Jahrhundert untersucht. Die Beiträge der zweiten Sektion sind durchgehend kulturwissenschaftlich angelegt und zeichnen sich durch die Anwendung interdisziplinärer, aus der Handlungssoziologie und der Kulturanthropologie stammender Theorien aus.

Anders die von Guido Thiemeyer eingeführte dritte Sektion, in der klassische Politikgeschichte zu Themen des 20. Jahrhunderts geboten wird. Die Beiträge sind gleichwohl inhaltlich sauber gearbeitet: Florian Greiner analysiert massenmedial vermittelte Europakonzepte von 1914 bis 1945 und Gabriele Clemens Filme als Medien der Popularisierung der europäischen Integration. Deutlich theoriegeleiteter ist der erste Beitrag der vierten Sektion („Menschen als Medien – Menschen in den Medien“), in dem Fabian Fechner die Informationskanäle von Orden, insbesondere den Jesuiten, in ihre Missionsgebiete in der Frühen Neuzeit untersucht und dabei vor allem das Verhältnis von mündlicher und schriftlicher Kommunikation in den Blick nimmt. Peter Geiss befasst sich auf interessante Weise mit der Bedeutung von britischen Wochenschaufilmen für die außenpolitische Willensbildung der Bevölkerung, hätte sich aber stärker auf die ANT beziehen können.

Die Rolle der Öffentlichkeit als Akteur und Adressat der Außenpolitik ist Thema der von Markus Meckl eingeleiteten fünften Sektion, die sich kritisch mit der These Habermas‘ vom Zerfall der Öffentlichkeit in der Hochmoderne auseinandersetzt. Höhepunkt dieser Sektion ist der methodisch sehr transparente Beitrag von Lisa Dittrich, die nach der Interaktion von Medien und europäischer Öffentlichkeit in der Bewertung von Konflikten des Kulturkampfs in Spanien fragt. Stephanie Seul untersucht in einem sehr lesenswerten Beitrag das Zusammenspiel von Konsultationen auf Regierungsebene und grenzüberschreitend wirkender Propaganda in der Appeasementpolitk Chamberlains. Hermann Wenker schließlich befasst sich mit der Rolle von Massenmedien bei der Bildung eines positiven Image des sowjetischen Generalsekretär Gorbatschow und den Folgen dieser Entwicklung für die Regierung Kohl.

Damit ist bereits der Übergang zur sechsten, rein zeitgeschichtlichen Sektion („Außenpolitik zwischen Publizität und Geheimnis“) hergestellt, die, wie Claudia Hiepel einleitend ausführt, nach neuen Formen von Öffentlichkeit und Kommunikation von Außenpolitik fragt, und zwar anhand des Weitergabe von Informationen an Pressevertreter durch Beamte der Europäischen Gemeinschaft (Martin Herzer), der Kommunikationsstrategien der Bundesregierung unter Schmidt im Vorfeld des NATO-Doppelbeschlusses von 1978/79 (Andreas Lutsch) und der Inszenierung eines Kurswechsels in den Beziehungen zur Sowjetunion durch die französische Regierung unter Mitterand (Frederike Schottens).

Die siebte Sektion behandelt Wahrnehmungskonstruktionen in Außenbeziehungen und enthält den einzigen mediävistischen Beitrag, nämlich Daniel Potthast’s Studie über religiöse Formulare in mittelalterlichen Briefen arabischer Herrscher), zudem eine Analyse der Darstellung fremder Nationen in der leider in dieser Hinsicht nur bedingt ergiebigen Benimmliteratur des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts (Marc von Knorring) und einen interessanten Beitrag über den Wandel von Symbolik und Agency humanitärer Hilfsaktionen der Bundesrepublik von 1951 bis 1991 (Patrick Merziger). Zu Beginn dieser Sektion stellt Friedrich Kießling die Fragen und meldet die Desiderate an, die der Rezensent bei der Lektüre des Bandes etwas vermisst hat: Er fordert die Historikerinnen und Historiker der Außenbeziehungen auf, ihre Konzepte und Methoden gegenseitig wahrzunehmen, beispielsweise transepochal nach Eigenlogiken der Medien zu fragen oder das Konzept der symbolischen Kommunikation epochenübergreifend und vergleichend anzuwenden. Überhaupt solle mehr über Kontinuitäten und Diskontinuitäten in den Außenbeziehungen über Epochengrenzen hinweg diskutiert werden. Damit legt Kießling dankenswerterweise den Finger in eine Wunde des Bandes: die transepochale Diskussion gelingt ihm nicht, zu wenige Autoren nehmen andere Sektionen, andere Ansätze und interepochale Vergleichsmöglichkeiten wahr. Einige zeitgeschichtliche Autoren legen ein erhebliches Unwissen über Außenbeziehungen in der Vormoderne an den Tag und unterschätzen beispielsweise die Öffentlichkeitsorientierung frühneuzeitlicher Akteure der Außenbeziehungen. Die Bereitschaft, transdisziplinär Methoden anzuwenden, ist in den verschiedenen Beiträgen sehr unterschiedlich ausgeprägt. Insoweit zeigt der Band auch Defizite in der Dialogbereitschaft und der Beschäftigung mit methodischen Herausforderungen. Hier ist noch einiges an Arbeit zu leisten. Wenn dies der AG „Internationale Geschichte“ (warum eigentlich wird nicht der weniger auf die Moderne und die zwischenstaatlichen Beziehungen zugeschnittene Terminus „Außenbeziehungen“ vorgezogen, wie es auch viele Autoren der Beiträge des Bandes tun und wie es sich auch im Titel des Bandes findet?) auf mittlere Sicht gelingt, wäre viel gewonnen. Der Band zeigt in einigen Beiträgen durchaus Wege in diese Richtung auf.

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24.11.2017
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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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