R. Liedtke: N M Rothschild & Sons. Kommunikationswege im Bankwesen

Cover
Titel
N M Rothschild & Sons. Kommunikationswege im europäischen Bankenwesen im 19. Jahrhundert


Autor(en)
Liedtke, Rainer
Erschienen
Köln 2006: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
271 + VIII S.
Preis
€ 32,90
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
Margarete Wagner-Braun, Universität Bamberg, Institut für Geschichte

Mit diesem Buch legt Verf. nicht nur einen weiteren Beitrag zum inzwischen sehr umfangreichen Schrifttum zu jüdischen Privatbankiers im Allgemeinen und zum Hause Rothschild im Besonderen vor, der sich unauffällig in eine lange Reihe einfügt. Vielmehr liefert er eine wichtige Ergänzung des relevanten Schrifttums und zwar in zweierlei Hinsicht: Zum einen bearbeitet Verf. bisher weitgehend ungesichtetes Archivmaterial des Rothschild Archivs in London, wodurch die Wissenschaft einen erheblichen Erkenntnisgewinn erfährt, und zum anderen bildet dieses Buch eine sehr interessante Verknüpfung der Bankengeschichte mit der Geschichte des Kommunikationswesens des 19. Jahrhunderts, eine Zeit, in der die Kommunikationstechnologie von einschneidenden Veränderungen geprägt war. Die Archivarbeit ist sehr bemerkenswert. Auch gelingt ein hohes Maß an Abstraktion, das zahlreiche überzeugende generalisierende Aussagen ermöglicht.

Zweckmäßigerweise bringt Verf. vor der Behandlung des Privatbankenmarktes eine kurze Beschreibung des Hauses Rothschild. Im vierten Kapitel wird das Kommunikationsnetzwerk des Bankhauses dargestellt. Als Ziel führend erweist sich die Beschränkung auf drei Stichjahre (1825, 1850 und 1875), wodurch die Datenfülle leichter zu fassen ist und dennoch ein Entwicklungstrend aufgezeigt werden kann. Es werden wichtige Aspekte der damaligen und der von den Rothschilds verwendeten Methoden der Nachrichtenübertragung umrissen, wie etwa das Zusammenspiel verschiedener Kommunikationsmedien, verwendete Sprachen, Informationskosten, Übertragungssicherheit.

Nach diesen im Grunde noch immer einleitenden Ausführungen erfolgt im zentralen fünften Kapitel die Analyse der Beziehungen der Rothschilds mit ihren Agenten, wobei im wesentlichen zwischen familiär untermauerten und ausschließlich auf geschäftlicher Basis stehenden Netzwerkbeziehungen unterschieden wird. Dabei wird der Führungsstil der Prinzipale des Hauses Rothschild – auch in Konfliktsituationen – sehr anschaulich beschrieben. Leider wartet der Leser hier vergebens auf eine stärker netzwerktheoretisch angelegte Analyse, die das Vorwort des Verf. ursprünglich erwarten lässt. Auch die grundsätzlich auf die hier gestellten Fragen sehr gut anwendbare Prinzipal-Agent-Theorie wird leider nicht herangezogen. Dennoch, die Beschreibung der Kommunikationsbeziehungen erreicht analytisches Niveau und reflektiert die in Privatbankierskreisen üblichen Gepflogenheiten, eingebetet in die Gesamtsituation des 19. Jahrhunderts, sehr gut, wobei das Kommunikationsnetzwerk der Familie Rothschild als überdurchschnittlich ausdifferenziert identifiziert wird. Die besonders hervorzuhebende Stärke der Arbeit liegt in der sehr umfangreichen und sorgfältigen Quellenarbeit.

Nicht unerwähnt soll das sechste Kapitel bleiben, in dem repräsentative Fallbeispiele dreier Agenten (Benjamin Davidson, St. Petersburg; Lionel Davidson, Mexiko Stadt; Gerson von Bleichröder, Berlin) ausführlich vorgestellt werden.

Insgesamt handelt es sich um ein überaus interessant zu lesendes und bereicherndes Buch, nicht nur für ein Publikum, das sich durch ein rein wissenschaftliches Interesse an der Bankengeschichte des 19. Jahrhunderts auszeichnet.

Redaktion
Veröffentlicht am
30.03.2007
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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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