G. Krebs: Das moderne Japan 1868-1952

Title
Das moderne Japan 1868-1952. Von der Meiji-Restauration bis zum Vertrag von San Francisco


Author(s)
Gerhard, Krebs
Series
Oldenbourg Grundriss der Geschichte
Published
München 2009: Oldenbourg Verlag
Extent
249 S.
Price
€ 29,80
Reviewed for Connections. A Journal for Historians and Area Specialists by
Julian Plenefisch und Frank Käser, Ostasiatisches Seminar - Japanologie, Freie Universität Berlin

Die Beschäftigung mit außereuropäischer Geschichte hat in Deutschland in den letzten Jahren erfreulicherweise stark zugenommen. So ist nun auch in der renommierten Oldenbourg-Reihe "Grundrisse der Geschichte" (OGG) eine kompakte Darstellung der Geschichte Japans zwischen 1868 bis 1952 mit einem reichen Überblick zu den Grundproblemen der Forschung und der Forschungsliteratur, der das Profil der Reihe ausmacht, erschienen. Der Autor, Gerhard Krebs, Privatdozent für Japanologie an der Freien Universität, hat sich bereits mit seiner historischen Forschung zu den deutsch-japanischen Beziehungen und zu Japan im Zweiten Weltkrieg einen Namen gemacht.1

Der Schwerpunkt des Bandes liegt auf der politischen Geschichte, worauf bereits die Jahreszahlen aus dem Titel hinweisen. Krebs schränkt selbst ein, dass die in Japan übliche Periodisierung nach kaiserlichen Regierungsepochen (Meiji, Taisho, Showa) nur bedingt für die Geschichtsschreibung geeignet ist (S. 137). Und so setzt der darstellende Teil mit einem Überblick zur japanischen Geschichte bis zur Ankunft einer US-amerikanischen Expeditionsflotte in Japan 1852 ein, die das Ende der feudalen Tokugawa-Zeit einläutete und den „Weg zu einem modernen Staat“ (S. 8ff.) ebnete. Er endet 1952 mit der Wiedererlangung der japanischen Souveränität nach der US-amerikanischen Besatzungszeit (1945-52).

Die verschiedenen Aspekte der sozialen Umwälzungen in der Meiji-Zeit behandelt Krebs unter außenpolitischen Einflüssen. Die Reformen zur Etablierung des westlichen Nationalstaats in Japan werden anhand des Wandels der Staatsstruktur, des Bildungswesen und der Wirtschaft aufgezeigt (S. 8-24). Für deutschsprachige Historiker ist die große Bedeutung, die Krebs deutschen Militär- und Rechtsberatern in dieser Zeit zuschreibt, interessant, da diesen in anglophonen Darstellungen oft weniger Aufmerksamkeit zukommt.

Der Aufstieg Japans zur Großmacht wird in einen Zusammenhang mit seiner territorialen Expansion gestellt. Militärisch und politisch aufgewertet durch den Russisch-Japanischen Krieg (1904/05) stand Japan im Ersten Weltkrieg auf alliierter Seite. Die neue Konkurrenzsituation mit den angelsächsischen Mächten nach dem Frieden von Versailles und der Flottenkonferenz in Washington (1919 bzw. 1921) begünstigte jedoch nationalistische Kreise in Japan und eröffnete einen Weg „von der Krise zum Krieg“ (S. 55ff.). Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise gingen mit den außenpolitischen Konflikten einher und führten zur Radikalisierung von Militärkreisen, über den Überfall auf die Mandschurei (1931), den Beginn des Zweiten Sino-Japanischen Krieges (1937), das deutsch-japanische Bündnis und schließlich das Scheitern der amerikanisch-japanischen Ausgleichsgespräche in den Pazifischen Krieg (1941). Gerhard Krebs ist es dabei gelungen, auch den Einsteiger in die japanische Geschichte durch die stürmische Entwicklung der 1920er- und 1930er-Jahre zu manövrieren.

Dem Verlauf des Zweiten Weltkrieges widmet Krebs besondere Aufmerksamkeit (S. 77-86). Mit fast einem Zehntel der Seitenzahlen des Darstellungsteils geht dabei leider Platz verloren, der möglicherweise an anderer Stelle hätte genutzt werden können. Die Chronologie des Kriegsendes 1945 im pazifisch-ostasiatischen Raum wird in der Forschung meist kausal über die Atombomben-Abwürfe auf Hiroshima (6.8.1945) und Nagasaki (9.8.1945) und schließlich die Radioansprache des Tenno am 15.8.1945 dargestellt, ignoriert jedoch, dass Japan bereits lange vor den Ereignissen im August 1945 Friedensbereitschaft signalisiert hatte (S. 81, 84-86). Dem Kriegsende 1945 schreibt Krebs Zäsurcharakter innerhalb der Showa-Epoche (1926–1989) zu. Unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte der Reformpolitik unter dem Oberkommandeur der US-Besatzungsbehörde, Douglas MacArthur, endet der darstellende Teil mit dem Friedensvertrag von San Francisco 1952.

Es ist wahrscheinlich dem begrenzten Platz von gerade einmal hundert Seiten geschuldet, dass sich die Darstellung auf politische und Diplomatiegeschichte beschränkt. Mit Blick auf die neueren Forschungsansätze der Geschichtsschreibung seit den 1980er-Jahren hätte man sich mehr Raum beispielsweise für Geschlechter- oder Subalterngeschichte gewünscht.

Im Forschungsteil geht Krebs zunächst ausführlich auf die Entstehung der historischen Japanforschung und auf historiographische Aspekte ein (S. 107ff.) – für japaninteressierte Historiker besonders lesenswert. Er weist darauf hin, dass Geschichtsschreibung in Japan, zumal in der Nachkriegszeit bis auf den heutigen Tag, ein Politikum ist, und räumt mit der weit verbreiteten Ansicht auf, in Japan finde keine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte statt. Nach Krebs ist dies unter anderem auf unzureichende Kenntnisse im Ausland und mangelnde Sprachkenntnisse zurückzuführen (S. 134f.). Krebs stellt im Forschungsteil des weiteren Hilfsmittel und Bibliographien vor und bespricht anschließend kompetent Darstellungen des behandelten Zeitraumes in Übereinstimmung mit dem thematischen Teil von der ausgehenden Tokugawa- und beginnenden Meiji-Zeit bis 1952 bzw. 1972 (dem Jahr der Rückgabe Okinawas an Japan). Die Strukturierung der Forschungskontroversen und -literatur jenseits einer epochalen Ordnung auch nach speziellen Themen, wie beispielsweise die Annexion Koreas (S. 154) oder das Bildungswesen (S. 145f.), trägt zur Übersichtlichkeit bei.

Da der Schwerpunkt der internationalen Japanforschung in den USA und Großbritannien liegt, wundert es nicht, dass das Gros der von Krebs angeführten Literatur in englischer Sprache ist. Krebs nennt hier die wichtigsten Standardwerke und bietet dem Einsteiger in die Geschichte Japans eine fundierte Ausgangsbasis.

Die im Vorwort genannte Zielsetzung, mit dem vorliegenden Band nicht nur historisch forschende Japanologen, sondern allgemein interessierte Historiker anzusprechen, ist aus Sicht der OGG-Herausgeber verständlich, findet sich für Historiker, die Schwierigkeiten mit japanischen Namen oder Begriffe haben, kaum ein geeignetes aktuelles deutschsprachiges Einführungswerk zur Geschichte Japans. Schade ist der gänzliche Verzicht auf japanischsprachige Literaturverweise dennoch, ist doch in den letzten Jahren keine deutschsprachige Monografie zu den Forschungsfragen der japanischen Geschichte für Studierende der Japanologie erschienen. Besonders bedauerlich ist, dass im Forschungs- und Bibliographieabschnitt die neueren Arbeiten jüngerer deutscher Kollegen zu kurz kommen. Ein Verweis beispielsweise auf den sehr lesenswerten Sammelband von Sebastian Conrad, Hans Martin Krämer und Tino Schölz zur Historiographie westlicher Konzepte in der japanischen Geschichtsschreibung wäre durchaus sinnvoll gewesen.2

Der Band wird mit einer sehr hilfreichen Zeittafel, einem Glossar zu japanischen Begriffen und einer Karte zum pazifischen Kriegsschauplatz abgerundet. In der Zeittafel finden sich jedoch ein paar kleine Schnitzer. So ist die sowjetische Kriegserklärung auf den 7. August und der Atombomben-Abwurf auf Nagasaki auf den 8. August datiert (S. 235).

Beim Vergleich zwischen Krebs Band und dem zuletzt erschienenen Einführungswerk zur Geschichte Japans in deutscher Sprache von Reinhard Zöllner fällt auf, dass Krebs es vermag, die Lücken in Zöllners sehr holzschnittartig geratener Darstellung der japanischen Geschichte des 20. Jahrhunderts zu schließen 3. Will man auf deutschsprachige Literatur zur Geschichte Japans zurückgreifen, wird man zukünftig wohl Zöllner für das 19. und Krebs für das 20. Jahrhundert zur Hand nehmen.

Insgesamt liefert Gerhard Krebs mit dem vorliegenden Band ein Werk zur innen- und außenpolitischen Geschichte Japans, das aufgrund der sehr gelungenen Verknüpfung von Darstellung und Forschungskontroversen, insbesondere für das 20. Jahrhundert, sicherlich zum Standardwerk werden wird.

Anmerkungen:
1 Gerhard Krebs, Japans Deutschlandpolitik 1935-1941. Eine Studie zur Vorgeschichte des Pazifischen Krieges, 2 Bde., Hamburg 1984; Ders. (Hrsg.), 1945 in Europe and Asia. Reconsidering the end of World War II and the Change of the World Order, München 1997; Ders. (Hrsg.), Japan und Preußen, München 2002.
2 Hans Martin Krämer / Tino Schölz / Sebastian Conrad (Hrsg.), Geschichtswissenschaft in Japan. Themen, Ansätze und Theorien, Göttingen 2006.
3 Reinhard Zöllner, Geschichte Japans. Von 1800 bis zur Gegenwart, Paderborn 2006.

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02.03.2010
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