Zeitschrift für Weltgeschichte 15 (2014), 1

Title 
Zeitschrift für Weltgeschichte 15 (2014), 1
Other title information 
Das Ende der Sklaverei in der Karibik und in Afrika

Published on
München 2014: Martin Meidenbauer
Frequency 
zweimal jährlich
Extent
204 S.
Price
Jahrespreis € 49,90 ; Einzelpreis € 29,90

 

Kontakt

Organization name
Zeitschrift für Weltgeschichte
Country
Germany
c/o
Prof. Dr. Hans-Heinrich Nolte Bullerbachstr.12 D-30890 Barsinghausen Tel +49 5105 64 332
By
Bertram, Michael

Die aktuelle Ausgabe der ZWG widmet sich dem Ende der Sklaverei in der Karibik und in Afrika. Nach der intensiven Beschäftigung der internationalen Geschichtswissenschaft mit Sklavenhandel und Sklaverei hat die Übergangsphase zur freien Lohnarbeit in den letzten Jahren stärkere Beachtung gefunden. Die ersten vier Aufsätze formulieren Zwischenergebnisse eines von der DFG geförderten Forschungsprojekts am Historischen Seminar der Leibniz Universität Hannover, das sich dem Thema aus der Perspektive einer welthistorischen kontextualisierten Mikrogeschichte widmet.

Der Aufsatz von Ulrike Schneider versucht, die mit der Emanzipation verbundenen existenziellen Zielsetzungen der befreiten Sklaven und Sklavinnen in ihren eigenen Worten zu formulieren. Diese weder durch Missionare noch Regierungsbeamte vermittelten Einlassungen der unmittelbaren Akteure hat sie aus zahlreichen schriftlichen Quellen, v. a. Gerichtsakten, dechiffriert. Hier entsteht ein breites Panorama der gesellschaftlichen und persönlichen Utopien, aber auch der Ängste und Befürchtungen, die die Bevölkerung von Kuba und Martinique in der Postemanzipationszeit umtrieben.

Christliche Missionen sahen in der Abschaffung der Sklaverei eine große Chance, die befreiten Menschen für ihren Glauben zu gewinnen. Die Konversion zum Christentum verstanden alle Missionen zugleich auch als Zivilisierungsmaßnahme, die von der Überlegenheit westlicher Normen und Werte geprägt war und den Bekehrten eine radikale Abkehr von ihrer afrikanischen Kultur und Religion abverlangte.

Katja Füllberg-Stollberg zeigt darüber hinaus, christianisierte Afroamerikaner als Helfer für europäische Missionen angeworben wurden, um die Sklaverei auch an ihrer Wurzel in Afrika zu bekämpfen und die afrikanische Bevölkerung zum Christentum zu bekehren. Das Experiment, afrikastämmige Mitglieder der Herrenhuter Mission aus Jamaika an der Goldküste als Helfer einzusetzen wurde von den Zeitgenossen unterschiedlich beurteilt. Während die Mission das Unternehmen eher als Misserfolg betrachtete, wird es in Ghana als erfolgreicher Beginn der Christianisierung gefeiert.

Jan Hüsgen hat die widersprüchliche Rolle der lokalen Assistenten in europäischen Missionen am Beispiel der Herrnhuter systematisch untersucht. Die Missionare errichteten mit ihren Helfern aus den Gemeinden ein rigides soziales Kontrollsystem, das die Lebensführung ihrer Mitglieder und Anhänger überwachte. Häufig ging die Position der kirchlichen Helfer mit einer herausgehobenen Funktion im Arbeitsprozess der Plantage einher. Während die Doppelfunktion in der Regel zu Disziplinierung und sozialen Pazifizierung der Sklavengemeinschaft beitrug, konnte sie in Krisenzeiten auch die umgekehrte Wirkung erzielen. Jan Hüsgen zeigt an Hand verschiedener Sklavenrebellionen in der Karibik, dass die privilegierte Position ebenso gut zur Organisation von Widerstand und Sklavenbefreiung dienen konnte.

Die Abschaffung der Sklaverei in der Kapprovinz Südafrikas verlief in der englischen Kolonie zwar nach den gleichen gesetzlichen Vorgaben, aber unterschied sich in den praktischen Auswirkungen in erheblichem Maße von den Plantagenkolonien der Karibik. Wie Klaus Füllberg-Stollberg zeigt, bedeutete die Emanzipation eine radikale und entscheidende Zäsur für die betroffenen Bevölkerungsgruppen in beiden Regionen. In Südafrika betraf es aber nur Teilgruppen der Gesellschaft, die Veränderungen hatten praktische Folgen v. a. für Frauen und Kinder. Am Kap war die Abschaffung der Sklaverei das letzte Kapitel eines Prozesses, der bereits zehn Jahre zuvor begonnen hatte. Die Wirtschaft Südafrikas war durch die doppelte Befreiung der Arbeiterschaft überhaupt nicht oder nur kurzfristig in Mitleidenschaft gezogen.

Der Überblicksartikel von Christian Cwik ergänzt die Mikrostudien zum Ende der Sklaverei mit einem Blick auf die wenig bekannte Geschichte Curaςaos. Diese für den holländischen Sklavenhandel bedeutende Insel erwies sich als wenig geeignet für Plantagenwirtschaft, besaß aber wichtige Voraussetzungen für den intrakaribischen Handel und die Versorgung Lateinamerikas, die Curaςao im 17. und 18. Jahrhundert zum größten Sklavendepot der Region machten.

Außerhalb des Thementeils schreibt Dina Gusejnova über den „Kultautor“ Oswald Spengler und seinen Einfluss auf den europäischen und amerikanischen Modernismus. Es folgt der 2. Teil von Reiner Ruppmann über das europäische Autobahnnetz und Manuela Boatcă und Sèrgio Costa haben die irakisch-israelische Autorin, Aktivistin und Wissenschaftlerin Ella Shohat (New York University) über „Körper und Grenzen“ interviewt.

Rezensiert werden die Bücher von Richard E. Lee (Hg.): The Longue Dureè and World-Systems Analysis, Jan Rehmann: Max Weber. Modernisierung als passive Revolution, Vijay Prashad: The Poorer Nations und Georg Egger, Daniel Fuchs, Thomas Immervoll und Lydia Steinmassel (Hrsg.): Arbeitskämpfe in China.

Claus & Katja Füllberg Stollberg

Table of contents

INHALT

Ulrike Schneider
Eine Archäologie „subalternen“ Sprechens. Afrokaribische Frauen und Männer reden über ihre persönlichen und gesellschaftlichen Ziele.

Katja Füllberg-Stollberg
Von Fairfield (Jamaika) nach Akropong (Ghana). Afrokaribische Emigration in der Postemanzipationsphase

Jan Hüsgen
Zwischen Anpassung und Widerstand. Nationalhelfer in der Mission der Brüdergemeine zur Zeit der Sklavenemanzipation

Claus Füllberg-Stollberg
Christliche Mission und die Doppelemanzipation von indigener Bevölkerung und Sklaven in Südafrika (1828–1838)

Christian Cwik
Sklaverei, Sklavenhandel und Abolition auf Curaςao

Dina Gusejnova
Der Prophet als Parfum. Das Spenglersche am europäischen und amerikanischen Modernismus

Reiner Ruppmann
Das europäische Autobahnnetz. Weiterhin Hoffnungsträger oder primär Funktionsraum für die Transit-Ökonomie? (Teil 2)

Manuela Boatc­/Sèrgio Costa
Über Körper und Grenzen. Ein Interview mit Ella Shohat

Rezensionen

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Published on
06.04.2014
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