First European Congress of World and Global History - Panel 4: World History Writing in Northern and North Eastern Europe

First European Congress of World and Global History - Panel 4: World History Writing in Northern and North Eastern Europe

Organizer(s)
European Network in Universal and Global History; Organisationskomitee Leipzig: Frank Hadler, Matthias Middell, Hannes Siegrist, Katja Naumann
Location
Leipzig
Country
Germany
From - Until
22.09.2005 - 25.09.2005
By
Falk-Thoralf Günther, Zentrum für Höhere Studien, Universität Leipzig

Ursprünglich war das Panel so angelegt, dass der Entwicklung weltgeschichtlicher Ansätze in Skandinavien zwischen den 1920er Jahren und dem Jahr 2000 nachgegangen werden sollte. Dadurch allerdings, dass dieses Panel mit einer ebenfalls angedachten Sektion über außereuropäische Geschichtsbilder in Mittel-, Ost- und Mittel-Ost-Europa verschmolzen wurde, erweiterte sich der Themenbereich der von Stefan Berger geleiteten Sektion. Fragen der Weltgeschichtsschreibung in Skandinavien sowie die Entwicklung von area studies in Deutschland und Polen oder auch der mögliche Ausbruch aus dem Container einer Nationalgeschichtsschreibung standen deshalb in diesem erweiteren Panel zur Diskussion.

Carol Adamson von der International School of Stockholm gestaltete ihren Vortrag als eine Standortbestimmung zur Globalgeschichtsschreibung in Schweden und begann ihre Ausführungen mit einem Rückgriff auf einen der frühesten, im europäischen Raum tätigen Globalhistoriker, Snorri Sturluson (Snorre Sturlasson). Snorri verfasste neben der bekannten Prosa-Edda, die als äußerst wertvolle Quelle für skandinavische Sagen gilt, auch historische Werke, in denen er Migrationsbewegungen, Machtkämpfe in Skandinavien, wirtschaftliche und militärische Missionen im Süden und Osten Europas beschrieb und damit die Grenzen der den mittelalterlichen Skandinaviern bekannten Welt zwischen Nordamerika und dem Kaspischen Meer nachzeichnete.
Nach Snorri, so konstatierte Carol Adamson, hätte es in Schweden bisher nur noch Eli Filip Heckscher gegeben, der unter den Historiker hervorstach und sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts intensiv mit dem Weltsystem befasste und dies so erfolgreich tat, dass seine Thesen auch heute noch diskutiert werden. Jedoch sieht Adamson diese Tatsache nicht in einem insularen Blick der schwedischen Historiker begründet, denn im Allgemeinen gibt es, konstatiert sie, in Schweden ein großes Interesse an der Welt, welches durch verschiedene Gruppen, beispielsweise Journalisten, politische Kommentatoren, Kulturhistoriker, Archäologen und Anthropologen genährt und dadurch verstärkt wird. Die Gelehrten hingegen produzieren Bücher, in denen globale Vergleiche unüblich sind.
Carol Adamson kritisiert in ihrem Beitrag das überwältigende Interesse an schwedischer, gefolgt von europäischer Geschichte, denn Globalgeschichte kommt an den führenden schwedischen Universitäten maximal in den höheren Ausbildungsstufen und dann auch nur vereinzelt vor. Sie beleuchtet die Profile einiger wichtiger Hochschulen und kann nur auf einzelne Beispiele einer Beschäftigung mit Gebieten außerhalb Schwedens und Europas verweisen, wie zum Beispiel an der Universität in Gothenburg, wo jüngst einige Dissertationen zu China und Kolumbien geschrieben wurden. Gothenburg ist seit Jahrhunderten ein Handels- und Industriezentrum, wodurch dort günstige Bedingungen für die Entwicklung von global studies gegeben scheinen. Auch an der Stockholm School of Commerce and Economics und der Wirtschaftsgeschichtlichen Abteilung der Universität Stockholm wird noch dezidiert und auf den Wurzeln, die Eli Heckscher legte, ein weniger traditionell nationaler Diskurs geführt.
Im Allgemeine gibt Adamson zu verstehen, dass die meisten schwedischen Historiker, auch wenn sie ihre Bücher nicht allein für sich und ausländische Fachkollegen schrieben, sondern sich mit Zeitungsartikeln und Ähnlichem auch an breitere Bevölkerungsschichten wenden, einen enorm starken Hang zu schwedischer Geschichte haben. Eine Trendwende macht sie allerdings aus, denn in steigendem Maße befassen sich Lehrer und Wissenschaftler nun auch mit Themen, die sich auf weitere Zusammenhänge richten, und gehen weltgeschichtlichen Fragen nach.

Die Geschichte der Afrikanistik und die Entwicklung der Afrikanischen Geschichte im Nachkriegsdeutschland war Gegenstand von Felix Brahms Vortrag. Brahm geht, um die Relevanz dieser Untersuchung detaillierter darstellen zu können, noch etwas weiter in die Vergangenheit zurück: Die akademischen Wurzeln dieser Disziplinen und damit auch mögliche Zusammenhänge zwischen Kolonial- und Globalgeschichte werden von ihm beleuchtet. Die primären Ansatzpunkte sind dabei die beiden ersten, noch in der deutschen Kolonialära gegründeten akademischen Einrichtung mit Afrikabezug, das Seminar für orientalische Sprachen in Berlin und das Hamburger Kolonialinstitut. Die etablierten Kolonialwissenschaften setzten sich nahtlos in der Weimarer Republik und dem Dritten Reich fort, so nahmen 1940 unter der Leitung eines höheren SS-Offiziers, des Zeitungswissenschaftlers Franz Alfred Six, die Auslandswissenschaftliche Fakultät und das daran angebundene Deutsche Auslandswissenschaftliche Institut als Nachfolgeeinrichtungen des Seminars für orientalische Sprachen ihre Arbeit auf. Kontinuitäten waren darin also deutlich sichtbar.
Nach dem Zweiten Weltkrieg sah die Lage anders aus: Die alten auslands- und kolonialwissenschaftlichen Einrichtungen wurden geschlossen und deren Personal größtenteils aus dem akademischen Lehrdienst entfernt. Im Unterschied zu anderen Ländern, wie Frankreich, Großbritannien, der USA oder der Sowjetunion, erlebten die area studies zunächst keine Wiederbelebung durch den Kalten Krieg. Verschiedene Projekte, sich diesem wissenschaftlichen Feld erneut zu nähern versuchten, scheiterten meistens am Misstrauen der zuständigen Behörden. Erst einige Jahre nach dem Krieg begannen Wissenschaftler sich erneut mit Afrika auseinander zu setzen. In Ostdeutschland begann Walter Markov in den 1950er Jahren mit der Kritischen Kolonialgeschichte, die auch westdeutsche Historiker beeinflusste. Allerdings verlor die Geschichtswissenschaft, die in der Nachkriegszeit zumindest im Osten Deutschlands eine dominante Position bei der Afrikaforschung einnahm, ihren Vorrang und begann sich das Feld mit der Soziologie und der Wirtschaftswissenschaft zu teilen.
Die Geschichte Afrikas ist bis heute ein marginales Wissenschaftsfeld in Deutschland. Die Gründe dafür sieht Felix Brahm durchaus in den Schwierigkeiten nach dem Zweiten Weltkrieg, als area studies diskreditiert waren und erst sehr viel später in Form der Entwicklungsforschung wiederkamen. Außerdem führt er den Zusammenbruch der DDR an, denn damit verschwanden außerdem alle Lehrstühle für afrikanische Geschichte, bis auf die beiden in Leipzig und Berlin. Das Hauptproblem der relativ schlechten Stellung der Afrikanischen Geschichte sieht Brahm allerdings nicht in Insuffizienz ihrer Lehrstühle, sondern in der national- und europazentrierten Ausrichtung der deutschen Universitäten.

Peter Mario Kreuter, der vor einigen Jahren mit seiner Dissertation über den Vampirglauben auf dem Balkan einiges Aufsehen erregte, stellte während dieses Panels sein neues Projekt vor: Die Geschichtsvermittlung an Kinder ist dabei sein zentrales Thema. Er bezieht sich speziell auf Dänemark, denn dort produzierte das Fernsehen im Jahr 1994 die Advents-TV-Serie „Alltiders Jul“. Vom 1. bis zum 24. Dezember wurde jeweils ein Teil des Fernseh-Adventskalenders gesendet, der sich mit dänischer und nordischer Geschichte beschäftigte. Aufhänger des Geschehens in der Serie ist die durch ein Missgeschick geschehene Löschung von Weihnachten. Die drei Hauptpersonen, drei Kobolde namens Pyrus, Guttenborg und Freya, reisten, um Weihnachten rekonstruieren zu können, durch die Geschichte. Während seines Vortrages ging Peter Mario Kreuter der Auswahl der historischen Figuren nach, mit denen die Kobolde auf ihrer Reise in Kontakt traten, und skizzierte die Machart der Serie, mittels derer Kindern ein gewaltfreier und altersgerechter Zugang zur Geschichte ermöglicht werden sollte.
Auffallend dabei und vielleicht auch bezeichnend für einen großen Teil der Geschichte Skandinaviens ist die supranationale Darstellung, denn es ist keine dezidiert dänische Historiographie zu erkennen. Neben speziell dänischen Figuren, wie Friedrich VII. oder Tycho Brahe, tauchen in den Geschichten auch der norwegische König Harald Schönhaar, dessen Sohn Erik Blutaxt oder gar die nordische Göttin Freya auf. Gründe dafür sind in der langen Personalunion bei den Herrschern von Norwegen, Schweden und Dänemark und in ähnlichen kulturellen, skandinavischen Traditionen zu suchen.

Tomasz Schramm von der Universität Poznan befasste sich in seinem Vortrag „World History and Polish Historiography“ mit der Genese der polnischen Geschichtsschreibung und auch mit der in Polen in verschiedener Form betriebenen Historiographie, die über den nationalen Tellerrand hinausschauen wollte. Um die Wechselwirkungen darstellen zu können, greift er erklärend auf die Werke verschiedener polnischer Historiker zurück, die in unterschiedlichen historischen Phasen aktiv waren und auf diese Weise die dortige Geschichtswissenschaft mitprägten oder heute noch mitgestalten.
Die Geschichte Polens mit dem Zusammenbrechen des polnischen Staatswesens durch die polnischen Teilungen und dem Wiederentstehen des Staates nach 1918 hatte enormen Einfluss auf die polnische Geschichtsschreibung. Tomasz Schramm stellt zunächst das Auftreten professioneller polnischer Historiker im 19. Jahrhundert fest, die allerdings, abgesehen von vereinzelten, kleineren wissenschaftlichen Gesellschaften, keinerlei institutionelle Anbindung hatten. Anders war dies im damals unter österreich-ungarischer Verwaltung stehenden Galizien, wo die Universitäten Krakau (Cracow) und Lemberg (Lwow) zu wichtigen Zentren der historischen Forschung wurden. Die Geschichte, die in Krakau und Lemberg geschrieben wurde, beschränkte sich zum allergrößten Teil auf polnische Geschichte. Für Schramm ist dies keine ungewöhnliche Entwicklung und resultierte aus dem Zerfall des polnischen Staates, der bis 1918, vom Herzogtum Warschau und dem sogenannten „Kongresspolen“ einmal abgesehen, von den Landkarten getilgt blieb.
Mit dem Historiker Joachim Lelewel, der als Beispiel für einen polnischen Historiker des 19. Jahrhunderts herangezogen wurde, weil dieser sich nicht mit der puren Nationalgeschichte zufrieden geben wollte, zeigt Schramm, dass es schon zu diesem Zeitpunkt polnische Forscher gab, die über den nationalen Tellerrand hinausschauten. In das Werk Lelewels flossen, was damals keineswegs Standard war, verschiedene Komponenten, wie Wirtschaft, Soziales, Politik und Kultur ein, weil er der Ansicht war, dass alle Ausdrücke menschlicher Kultur wichtig sind und Gegenstand der Forschung sein müssen, ohne dabei die nationale Karte zu spielen.
Das Wiederentstehen des polnischen Staates nach dem Ersten Weltkrieg ist wohl eines der wichtigsten Daten in der polnischen Geschichte. Für diese Phase der polnischen Geschichte dient Tomasz Schramm der Historiker Feliks Koneczny als Beispiel, der in dieser Zeit prägend für die polnische Geschichtswissenschaft wurde. Koneczny stellte, beeinflusst von der polnischen Staatengründung, Überlegungen an, welchen Teil Polen zur europäischen Geisteskultur beigetragen hatte. Koneczny galt als der polnische Toynbee, denn auch er versuchte die Geschichte als Spiegel der Entwicklung verschiedener Zivilisationen darzustellen. Jedoch ging Konecznys Popularität nie über die Grenzen Polens hinaus, anders als dies für Arnold Joseph Toynbee galt und noch bis heute gilt.
Für die neueste Zeit führt Schramm aktuelle polnische Historiker ins Feld, die ebenfalls mit ihren Arbeiten in Richtung Weltgeschichte gehen. Allerdings muss er dabei das Fazit ziehen, dass polnische Historiker im Normalfall kaum über die Grenzen ihres Landes hinaus bekannt sind und man deshalb außerhalb Polens kaum etwas von deren Arbeit wahrnimmt. Ein Schicksal, das die heutigen Forscher mit Lelewel und Koneczny teilen.

Der Vortrag von Mathias Mesenhöller wurde strategisch günstig an das Ende des Panels gestellt, denn er versucht eine Standortbestimmung der transnationalen Geschichtsschreibung aus einem anderen Blickwinkel und wirkt dabei teilweise gar entlarvend. Basierend auf Peter J. Taylors Modell von der Nation als Container einer modernen Gesellschaft entwirft Mesenhöller die „Container-History“, deren Grundlage er in einer auf dem Territorialen basierenden, gewissermaßen eingegrenzten Historiographie sieht.
Selbst in Ländern, die über ein Imperium verfügten, Mesenhöller zog dabei Schweden, Russland und Österreich heran, konnte er, abgesehen von einigen sehr kleinen Darstellungen, keine Tendenz dazu feststellen, dass das Imperium eine Alternative zur Nationalgeschichtsschreibung geboten hätte. Wo allerdings Empire-Geschichte betrieben wurde, ähnelte die Herangehensweise durch räumliche Exklusion und Inklusion jedoch immer wieder und unweigerlich der Nationalgeschichte. Mesenhöller sah darin die Konstruktion eines weiteren, wenn auch etwas größeren Behälters.
Den Weg aus der Container-Geschichtsschreibung sieht er in der Neubewertung von Kategorien wie Politik, Geografie oder sozialen Gegebenheiten, die einen größeren Stellenwert in der Forschung einnehmen sollten. Auf diese Weise könnten die Nationalgeschichtsschreibung und ihr etwas größerer Bruder Empire-Geschichte abgelöst werden und die Geschichte sich nicht mehr allein an einzelnen Ländern und Kontinenten ausrichten, sondern durch neubewertete Parameter über Vergleiche und Analysen von Migration, kulturellem Austausch, der Konstruktion von Grenzen und anderem mehr beeinflusst werden. Mesenhöller konstatiert, dass diese Ansätze keineswegs neu seien und verweist dabei auf Christopher Baylys Buch „Birth of the Modern World“, welches den Ausweg aus dem Container probierte.

Gerade in der bereits am Anfang erwähnten Vielseitigkeit der Themen dieses Panels lag auch sein Reiz. Auffallend war dabei, dass die von einem Großteil der Referenten erwähnten Unzulänglichkeiten im Bereich einer globalen Ausrichtung der Geschichtswissenschaft oft die gleichen Gründe haben: Der Eurozentrismus und die nahezu allmächtige Nationalgeschichtsschreibung initiierten diese Konzentration der Historiographie auf das Naheliegendste. Ein Durchbrechen der engen Grenzen ist wohl die Herausforderung der Geschichtswissenschaft in den nächsten Jahren, und Mathias Mesenhöller bot dafür einen möglichen Ansatz.

Contact (announcement)

Katja Naumann
Universität Leipzig
Zentrum für Höhere Studien
Emil-Fuchs-Str. 1
04105 Leipzig
knaumann@uni-leipzig.de

www.uni-leipzig.de/zhs/ekwg
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Published on
06.01.2006
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English, French, German
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