Die Frage nach der räumlichen Dimension von Globalgeschichte und besonders die Frage, ob die Globalgeschichte sich nur mit einem weltumspannenden Phänomen auseinandersetzen kann, oder ob auch kleinräumige Prozesse unter globalgeschichtlicher Fragestellung behandelt werden können, waren Gegenstand des Panels, das Barbara Potthast (Universität Köln) leitete. Denn bereits die Globalgeschichte als Begriff enthält eine räumliche Komponente und es schließt sich die Frage an, ob globalgeschichtlichen Untersuchungen auf bereits vorhandene Raumkonzepte wie Nationalstaaten und Kontinente zurückgreifen kann, oder ob Globalgeschichte eigene Raumkonzepte definieren muss.
So ging es Dietmar Rothermund in seinem Beitrag „Globalgeschichte: Interaktionen und Netzwerke“ um die Betonung der Interaktion als die Kernunterscheidung der Globalgeschichte zu früheren Weltgeschichtsschreibungen. Interaktion ist eine Grundeigenschaft von Geschichte und in Interaktionen zwischen Menschen werden Handlungsspielräume ausgehandelt, woraus Netzwerke hervorgehen in denen das Ausgehandelte „gespeichert“ wird, worauf sich in zukünftigen Interaktionen bezogen werden kann. Mit Bezug auf die Reduktion von Komplexität durch Vernetzung und der Senkung von Transaktionskosten durch institutionelle Vorbedingungen versuchte Rothermund diese Begriffe und Kategorien für die Globalgeschichte nutzbar zu machen und an Beispielen zu verdeutlichen. Netzwerke werden von Rothermund als Felder kommunikativen Handelns verstanden, als Verbindungen handelnder Menschen von gewisser Dauer; sie sind, um auf die angesprochene Aushandlung zurückzukommen, Ergebnisse fortgesetzter Verhandlungen. Eine Voraussetzung der Aus- und Verhandlungen in Netzwerken – die auch als etablierte Kommunikation beschrieben werden können – ist jedoch die Verwendung von Sprache. Durch diese Zentralität von Sprache und ihrer Verwendung in der Etablierung von Netzwerken (Interaktion) und deren Bedeutung für die Globalgeschichte, kommt der Untersuchung der Verwendung von Sprache sowie Sprechakten in der Globalgeschichte eine exponierte Stellung zu; Aufgabe muss es vor allem sein, die Vielfalt zu untersuchen. Neben der Sprache tritt auch das Geld als ein handlungskoordinierendes Medium auf, besonders auf dem Markt – wobei der Markt wiederum das Entstehen von Netzwerken fördert und damit ein wichtiger Untersuchungsgegenstand der Globalgeschichte ist. Fokussiert werden soll dabei nicht auf die ökonomisch abstrakte Größe „Markt“, sondern auf das Emporium, auf den Umschlagplatz von Waren und Wissen, wo „Agency“ und „Negotiation“ zusammenkommen. Die Handelsgeschichte betrachtete besonders den Handel an sich, nicht die Unternehmer, die den Handel betrieben, nicht die Waren, die gehandelt wurden; hier breitet sich ein unerforschtes Gebiet und damit eine Aufgabe für die Globalgeschichte aus. Der überregionale Handel stand oft in Zusammenhang mit religiösen Netzwerken; hier kann eine Netzwerkbildung durch Pilger beobachtet werden. So folgten z. B. islamischen Händlern in Asien bald Geistliche. Auch hier kann der so zentralen Netzwerkbildung für die Globalgeschichte nachgespürt werden – zumal Pilgerschaften oft sehr gut dokumentiert sind. Auch der vormoderne Staat kann als ein Netzwerk, als ein politisches Netzwerk, als ein Personenverband, gesehen werden. Die Ausbreitung des vormodernen Staates definierte sich durch die Reichweite seines Personenverbundes, die des modernen Staates hingegen definiert sich über sein Territorium (Gebietskörperschaft). Der „Raum“ der Globalgeschichte, also das Netzwerk, wird im modernen Staat nun, da das Territorium den Staatsraum definiert, über das Netzwerk Zivilgesellschaft aufgegriffen, da sich im modernen Staat Netzwerke über die Zivilgesellschaft bilden.
Bernd Hausberger beschäftigte sich in seinem Vortrag „Lateinamerika im Spannungsfeld globaler, regionaler und lokaler Entwicklungen“ mit der ökonomischen Entwicklung Lateinamerikas nach der Eroberung durch die Spanier und der folgenden – damit einhergehenden – räumlichen Organisation des Kontinents. Hausberger folgt in seiner Untersuchung dem Modell eines kolonialen Binnenmarktes von Assadourian und erweitert es – um die Untersuchung globalgeschichtlich zu perspektivisieren – um Elemente aus der Interaktions- und Netzwerkforschung. Damit erreicht Hausberger, dass nicht das Nebeneinander der verschiedenen Produktionsformen in Lateinamerika betrachtet wird, sondern die Vernetzung und Interaktion zwischen den Teilen der Strukturen sowie der Akteure.
Andrea Komlosy ging in ihrem Beitrag „Lokalgeschichte als Globalgeschichte am Beispiel einer österreichischen Textilregion“ hingegen der Frage nach der Möglichkeit der Untersuchung kleinräumiger Phänomene in globalgeschichtlicher Perspektive nach, wobei es um die Bewertung der Beziehung zwischen Globalität, Regionalität und Lokalität ging. Fragen dieser Art stellte sie am Beispiel des Waldviertels, einer Textilproduktionsregion in Österreich. Es lässt sich in der Geschichte dieser Region aufzeigen, dass Regionen nicht physisch verbunden sein müssen, um Einfluss aufeinander zunehmen. So können Veränderungen in der einen Region auch Veränderungen in einer anderen, weit entfernten verursachen, wie es verschiedene Textilproduktionsregionen an Hand von Konkurrenz vorführen.
So lässt sich mit den Beiträgen eindrucksvoll zeigen, dass zum einen die Kategorien „Raum“ und „Raumeinfluss“ in Bezug auf Globalgeschichte überdacht werden müssen und zum anderen „Raumgröße“ nicht zwingend ausschlaggebend ist für die Möglichkeit einer Untersuchung in globalgeschichtlicher Perspektive. Vor allem der in diesem Panel betrachtete Gedanke, das „Netzwerk“ als eine für die Globalgeschichte zentrale Größe zu nutzen, diese als deren „Raum“ zu verwenden, verleiht der Globalgeschichte eine eigenständige Raumperspektive.