Dem Panel unter der Leitung von Markus A. Denzel (Universität Leipzig) ging es vor allem um die Untersuchung der Beziehung zwischen Wirtschaft und Kultur anhand von Praxisbeispielen aus der Globalisierungsgeschichte von Unternehmenskulturen im 20. Jahrhundert.
Werner Berg (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) sprach über „Stabilität und Wandel in Krisen. Industrielles Management in Großbritannien und Deutschland unter dem Einfluss der Weltwirtschaftskrise“.
Er führte anfangs theoretische und methodologische Überlegungen zur vergleichenden- und Weltgeschichte aus, wie die unterschiedliche Reaktion auf weltweite Ereignisse an verschiedenen Orten untersucht werden kann. Der Vortrag zielte darauf ab, anhand des Beispiels der Weltwirtschaftskrise darzustellen, wie diese Krise von Zeitgenossen in unterschiedlichen kulturellen Kontexten wahrgenommen und verarbeitet wurde und unter welchen Bedingungen und in welche Richtung sich die materielle, institutionelle sowie die mentale Ordnung der jeweiligen Gesellschaft gewandelt hat. Infolge einer Krise wird nicht nur die Wichtigkeit der Regierung und Führung klar, sondern werden die bisher unbewussten Muster des Denken und des Handeln hinterfragt. Die unterschiedliche Reaktion britischer und deutscher Manager auf die Krise mache klar, dass es die einzig wahre ökonomische Rationalität nicht gebe, sondern das die auf unterschiedlichen nationalen Geschichten beruhenden nationalen mentalen Strukturen (als eine Art store of experience) sowie die Organisationsstrukturen der Gesellschaft die ökonomische Handlung der Manager stark beeinflussen. In Deutschland wurden Kartelle von Großunternehmen gebildet, um größtmögliche Unabhängigkeit vom Markt zu erreichen und es kam zu Lohnverringerungen, um die Defizite der Unternehmen auszubalancieren. In Großbritannien dagegen wurde versucht, die Gefahren unter den miteinander stark konkurrierenden, meistens mittelständischen Unternehmen zu verteilen. Anhand des angeführten Beispiels wurde auch nachgewiesen, dass nicht einmal die größten Krisen zu einem fundamentalen Verlust des Vertrauens in alte Handlungsmustern und daher zu einer radikalen Veränderung der Managementpraxis führen. Eine innovative Handlungsweise bildet sich zwar aus, aber nicht nur auf Grund aktuell viel versprechender Lösungen sondern auch wegen vorgegebener Visionen der Moderne. Die Untersuchung der Wandlungen der institutionellen und mentalen Ordnung von Staaten und unterschiedlicher politischer Systemen sollte deshalb die Voraussetzung für die Kenntnisnahme der Vielfältigkeit der Welt zu sein.
In der anschließenden Diskussion wurde auf die Folgen des Goldsterling Systems für die Managementpraxis sowie auf den Unterschied zwischen den heute und den den Zeitgenossen zur Verfügung stehenden Informationen hingewiesen. Danach war die Weltwirtschaftskrise in Großbritannien auch die Periode einer mentalen Wandlung im Sinne des Übergangs vom Konkurrenzkapitalismus zu einem etwas mehr organisierten Kapitalismus. Fragen zielten darauf, wie die Folgen der unvollständigen Information, der mentalen und institutionellen Strukturen das Handeln der Akteure beeinflussen und warum es zu mentalen Wandlungen kommt. Es wurde außerdem hervorgehoben, dass mentale Einstellungen und die isolierte Lebensweise deutscher Großunternehmer die Wahrnehmung wichtiger Informationen ihrerseits stark beeinträchtigt hätte.
René Del Fabbro (Stiftung Bauhaus Dessau) behandelte in seinem Vortrag die Bedeutung der „Interkulturellen Kompetenz im Unternehmen“.
Die Forschung über Interkulturelle Kompetenz sollte zur Bereicherung der transnationalen Geschichte v. a. im Bereich der Empirie dienen. Der Bereich „Interkulturelle Kompetenz“ erforscht den Erwerb und die Nutzung fremdkulturellen Wissens im Unternehmen mit historisch-empirischen Methoden. Die Forschung dieser Art des Kulturtransfers beruht auf interdisziplinären theoretischen Vorgaben aus der Sozialwissenschaft, Psychologie, Anthropologie und Linguistik. Als Beispiele wurden ein Phasenmodell zum Aufenthalt in der Fremde, die Typisierung interkultureller Persönlichkeiten und die interkulturelle Verhandlungsführung angeführt. Basis der Analyse ist das reiche Erfahrungswissen, das sich in Unternehmensarchiven zur interkulturellen Kompetenz angesammelt und in schriftlichen Quellen seinen Niederschlag gefunden hat. Mit Hilfe von Quellenbeispielen wurde veranschaulicht, welche Problembereiche in die Analyse einbezogen werden. S. z. B. der Brief des nach China entsandten Siemens-Ingenieur Hermann Meyer im Herbst 1909 an Carl Friedrich Siemens (er leitete die Abteilung, welche die Auslandsaufenthalte der Mitarbeiter koordinierte) über die künftige Entwicklung Chinas oder den Brief des Siemens-Direktors Berliner über deutsche Mitarbeiter in Japan und über die nötigen Kompetenzen zu einem erfolgreichen Auslandsaufenthalt. Es wurde hervorgehoben, dass Quellenanalyse in der jeweiligen Fremdkultur auch unentbehrlich wäre.
Es erhob sich die Frage, was in der Auslandsabteilung bei Siemens genau gemacht wurde (Vorträge gehalten, Tests durchgeführt, um die künftigen Mitarbeiter im Ausland auszuwählen etc.). Diese Frage konnte aber in dieser Phase der Forschungen noch nicht vollständig beantwortet werden. Es wurde angedeutet, dass der Punkt des Lernens noch fehle: kulturelle Missverständnisse kosten die Unternehmen enorm viel. Damit unmittelbar Konsequenzen gezogen werden können, sollten kulturelle Missverständnisse dokumentiert werden. Dazu wurde ein Quellenbeispiel herangeführt: BMW hätte sich für den Markteintritt in Japan gründlich vorbereitet, nicht aber für die Fusion mit Rover in dem kulturell als sehr ähnlich wahrgenommenen Großbritannien. Aus den Problemen mit dem Rover wurde dann die Lehre gezogen, dass die Unternehmenskultur der künftig übernommenen Firmen eliminiert werden soll.
Thomas Fetzer (European University Institut Florence) schloss mit einem Beitrag über Inter-Nationalismus: Die Wirkung der Ford’s European Business Integration auf die Beziehungen der Arbeitnehmer und Manager in der Fordwerke AG Germany (1967-2000) an.
Der Vortrag zielte darauf ab, ein in den bisherigen Forschungen eher in den Hintergrund geratenes Themenfeld, den Einfluss der internationalen wirtschaftlichen Integration auf die industriellen- oder Arbeitsbeziehungen in Deutschland darzustellen. Im Gegensatz zu einer gängigen Einstellung von Liberalen und Arbeitgebern über die notwendige Adaptation des Mitbestimmungsprinzips an die Herausforderungen der Globalisierung, plädierte der Vortragende mit Streeck und Abelshauser dafür, dass dieses einzigartiges Charakteristikum historisch gesehen eher einen institutionellen Vorteil für die deutschen Unternehmen in ihren Basisbranchen von Qualitätsprodukten mit starken Exportorientierung bedeutete. Eine andere Feststellung von Streeck wurde ebenfalls aufgegriffen: unter dem Druck des starken Wettbewerbs für internationales Mobilkapital wurden die kooperativen Beziehungen zwischen Management und Arbeiterschaft bis zur Bildung „nationaler Pakte“ für die Aufrechterhaltung deutscher Arbeitsplätze entwickelt. Im Praxisbeispiel wurde dementsprechend eher der Einfluss internationaler wirtschaftlicher Integration auf die Beziehung institutioneller Akteure als die Folge der Mitbestimmung auf ökonomische Leistung fokussiert. Dargestellt wurde, dass die Bildung des Holdingunternehmens Ford of Europe in den späten 60er Jahren (aus den bis dahin autonomen deutschen und britischen Ford-Tochtergesellschaften) und die Standardisierung der Produktpalette zur grenzenübergreifenden Rationalisierung der Produktentwicklung, -herstellung und Marketing führten. Die damit verbundenen Entlassungen und auch die in der internationalen Kooperation vorhandenen Möglichkeiten bildeten die Basis für die nationalen Management-Arbeitnehmer Partnerschaften. Die Ängste westeuropäischer, darunter deutscher Arbeitnehmer in der Automobilindustrie wurden in den 80ern durch die Konkurrenz der japanischen Autoindustrie und in den 90ern durch die Verlagerung der Produktionsstandorte nach Osteuropa geschürt. Das führte zu einer wirtschaftlichen Krise zwischen den britischen und deutschen Niederlassungen. In Deutschland wurde eine neue Form von Management-Arbeitnehmer-Verträgen abgeschlossen (Sicherung der Arbeitsplätze für eine begrenzte Zeit, dafür Verzicht auf Lohnerhöhungen, Zuwendungen und feste Arbeitszeit) und die Gewerkschaften etablierten sich als Co-Manager (Vorschläge für Produktions- und Investitionsplanung, Organisation der Produktion etc.)
In der anschließenden Diskussion wurde erstens die Frage gestellt, ob der Profit für Ford durch die von Zentralisierung erzielten economies of scale oder durch die größere Autonomie der nationalen Märkte gesichert werden kann. Thomas Fetzer antwortete mit der Frage, in wie weit eine Zentralisierung der Produktion oder die Verringerung der Produktionskosten ohne einen Verlust an Marktanteil weiter getrieben werden können Die Tendenz bei Ford Germany sei die Entwicklung jeweils zweier Modelle, eins für den deutschen Markt und eins für die internationalen Märkte, die zwei Tochtergesellschaften blieben aber weiterhin die Hersteller für ihre nationalen Märkte. Das Panel schloss mit der Folgerung, dass im Schnittfeld von Kultur- und Wirtschafts-/Sozialgeschichte auch in Zukunft zentrale Anregungen für eine transantionale oder Globalgeschichte zu finden seien.