In den Debatten über die Bedeutung des Globalisierungsbegriffs wurde immer wieder auf die lange Geschichte wirtschaftlicher Vernetzung verschiedener Weltregionen hingewiesen. Medium, Katalysator und Ausdruck dieser historischen Perioden internationaler Verflechtung war die Entwicklung des Zahlungsverkehrs. Ein Blick darauf offenbart nicht nur Erkenntnisse über die Dynamik, Brüche und die sich mit der Zeit verschiebenden Zentren der Weltwirtschaft, sondern macht auch Unterschiede zu heute unter „Globalisierung“ begrifflich subsumierten Phänomenen deutlich. Das Panel wandte sich der Themenstellung mit Hilfe von drei historischen Schwerpunktsetzungen zu.
Zu Beginn schilderte Markus A. Denzel (Leipzig) die Entstehung und Verbreitung bargeldloser Verkehrsformen vom Mittelalter bis zur Moderne. Während der Kreuzzüge des 10. und 11. Jahrhunderts wuchs der Fernhandel italienischer Seestädte enorm an. Mit ihm erhöhten sich die Maßgaben für die Geldwirtschaft: Liquidität wurde zunehmend zu einem Problemfaktor reibungsloser Handelsgeschäfte. Für das 14. Jahrhundert ließ sich dann erstmals die Existenz eines bargeldlosen Wechsels – zunächst allerdings nur innerhalb eines Handelshauses gebräuchlich – nachweisen. Von da an breitete sich der bargeldlose Zahlungsverkehr im Gebiet der oberitalienischen Handelsstädte und im westlichen Mittelmeerraum aus. Der zweite durchschlagende Expansionsschritt war eng an die Einführung des Wechselhandels geknüpft. Erst im Börsengeschäft entfalteten Wechsel ihre zentrale ökonomische Bedeutung und wurden zu einem relativ eigenständigen Mittel der Kapitalverwertung. Dies ging mit einer regionalen Verschiebung einher: Vom frühen 17. Jahrhundert an sollte Amsterdam und die hier ansässige Börse das Zentrum des Welthandels sein, bis es im 18. Jahrhundert von London als modernem Mittelpunkt der weltweiten Finanzströme abgelöst wurde. Am Vorabend des Ersten Weltkrieges hatte sich bargeldloser Zahlungsverkehr außer in Zentral-Asien und weiten Gebieten Afrikas weltweit ausgedehnt. London und New York waren die zwei Stützen eines „bipolar-atlantischen Systems“ von Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit Anschluss fast der gesamten Welt. Die Anweisung eines Wechsels, ausgestellt in einer Londoner Bank, wurde drei Tage später in Sierra Leone getätigt. Die Erhöhung der Transaktionsgeschwindigkeit ist dann auch ein Bestandteil umfassender positiver Funktionen, die laut Denzel die Bedeutung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs in dieser Epoche ausmachen. Aus der unterstützenden Wirkung für die Entstehung des Interkontinentalhandels erwuchs ein verdichtetes Netz von Wirtschafts- und Finanzzentren, welches als Katalysator und Stabilisator der weltwirtschaftlichen Entwicklung vor dem Ersten Weltkrieg zu bewerten ist.
In der an den Vortrag anschließenden Diskussion wurde verstärkt auf die Unterschiede zu aktuellen Vernetzungsprozessen hingewiesen. War die historische Globalisierung ein Projekt kleiner Funktionseliten, habe heute ein weitaus größerer Prozentsatz der Menschen Anteil an der Weltwirtschaft. Zudem seien in der Gegenwart die Mittel politischer Steuerung um einiges begrenzter als im Mittelalter und der Moderne.
Einen zweiten spezifischen Blickwinkel nahm Margarete Wagner-Braun (Bamberg) ein, die sich dem Zusammenhang von weltwirtschaftlicher Integration und Währungssystem in der Ära des klassischen Goldstandards widmete. Am Ende des 19. bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts hatte sich in den meisten Industriestaaten die Festlegung der Währung auf der Grundlage einer Goldparität etabliert. Folge der Golddeckung, die von den einzelnen Nationen vor allem aufgrund enormer Wertverluste von Silber nacheinander und ohne gemeinsame Absprachen eingeführt wurden, war ein festes Wechselkurssystem zwischen den Währungen der jeweiligen Staaten. Hatte es bis dahin bereits über die Zunahme des internationalen Güterhandels eine Entwicklung hin zur Vernetzung und Integration der Weltwirtschaft gegeben, sollte dies jetzt auf den Ebenen des Finanz- und Währungsverkehrs zusätzlich unterstützt werden. Indem der Goldstandart von den meisten Industrienationen übernommen wurde, bildete sich ein weltweites Netz internationaler Währungs- und Wirtschaftsregulation, welches nicht auf politischer Autorität beruhte. Als Vorteil dieses Systems auf der Basis des klassischen Goldstandards wird vor allem seine stabilisierende Wirkung herausgehoben. Geringe Inflation und Preisstabilität wurden zum Kennzeichen einer etwa vierzig Jahre andauernden Phase. Und dies galt für einen nahezu globalen Wirtschaftsraum von Industrienationen. In den im festen Wechselkurssystem integrierten Volkswirtschaften glichen sich nicht nur Zinssätze, Inflationsraten und Handelsbilanzen an, sondern das Handelsvolumen zwischen ihnen nahm generell zu. Das Währungssystem wurde so über seine Sicherheitsfunktion zu einem Katalysator der Weltwirtschaft. Dabei wirkte sich die Einschränkung von unkalkulierbaren Handelshindernissen sowohl auf den Finanz- und Versicherungssektor als auch auf den Güterhandel aus. Die historische Bewertung, die Wagner-Braun vornahm, baute trotz dieser positiven Rückschau aber dem Missverständnis vor, jene als Argument in der Diskussion über Vor- und Nachteile fester Wechselkurssysteme und die Möglichkeiten wirtschaftspolitischer Intervention miss zu verstehen. Eine epochenübergreifende Schlussfolgerung könne nicht einfach gezogen werden, da die historischen Rahmenbedingungen zwischen 1870 und 1914 günstiger waren als jeweils nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg.
Zum Abschluss des Panels folgte dann ein Blick auf die Transformation des Währungssystems in der zweiten Hälfte des 20 Jahrhunderts. Besondere Aufmerksamkeit legte Jürgen Nautz (Amsterdam/ Kassel/ Wien) dabei auf die Versuche der Herstellung freier Währungskonvertibilität nach 1945. Zunächst wurden frühe Korrekturen innerhalb des auf Gold/Dollar-Basis implementierten Bretton-Woods-Systems beschrieben. So zeigte bereits die Abwertung europäischer Währungen Ende der 40er Jahre und ein anhaltendes Ungleichgewicht zwischen den europäischen Währungen, dass es von vornherein schwierig war, stabile währungspolitische Verhältnisse durchzusetzen. Und schon in den 50er Jahren, mit dem enormen Wirtschaftsboom vor allem der Exportwirtschaften in der BRD und in Japan, der zum Beginn der negativen Leistungsbilanz der USA führte, kündigte sich die finale Krise des festen Wechselkursystems an. Der Grund für das trotz der frühzeitigen Friktionen lange Festhalten am fixen Währungsverhältnis sieht Nautz insbesondere in den gestiegenen wirtschafs- und finanzpolitischen Eingriffsansprüchen und Eingriffsmöglichkeiten der Nachkriegszeit. Ziele wie Vollbeschäftigung und soziale Integration hatten einen hohen Stellenwert auf den nationalen politischen Agenden und verhinderten lange Zeit ein internationales freies Währungs- und Wechselkurssystem. Das endgültige Scheitern von Bretton Woods 1973 müsse denn auch als eine Art Symboldatum für den Prozess der Globalisierung gesehen werden. Denn diese sei ganz wesentlich als Rückgang finanzpolitischer Entscheidungsspielräume zu beschreiben.
Mit der Diskussion über das Verhältnis des Währungssystems zur Hierarchie zwischen starken und schwachen Staaten sowie der instrumentellen Rolle des Internationalen Währungsfonds innerhalb dieser Struktur fand das Panel dann zur zeitgeschichtlichen Globalisierungsdiskussion, vor deren Hintergrund ohnehin schon über die gesamte Veranstaltung hinweg die besondere Relevanz der Thematik gelegen hatte.