First European Congress of World and Global History - Panel 25: Enlightment and World History

First European Congress of World and Global History - Panel 25: Enlightment and World History

Organizer(s)
European Network in Universal and Global History; Organisationskomitee Leipzig: Frank Hadler, Matthias Middell, Hannes Siegrist, Katja Naumann
Location
Leipzig
Country
Germany
From - Until
22.09.2005 - 25.09.2005
By
Ulrich Schuster, Institut für Politikwisssenschaft, Universität Leipzig

Die im Zuge der Globalisierung intensivierten gesellschaftlichen Suchbewegungen haben auch der Aufklärung als historischem Bezugspunkt, um dessen Bedeutung gerungen wird, eine neue Relevanz verschafft. Nicht nur in den USA, sondern auch in Europa bedrängen religiöse Deutungsangebote den naturwissenschaftlichen Erkenntnisstand. Interpretationen des Kreationismus können jenseits des Atlantiks ihren wachsenden Erfolg an Schritten der Institutionalisierung im Bildungssystem ablesen, während hierzulande jüngst der katholische Initiationsritus anlässlich des Kirchentages in Köln für die keinesfalls marginale Attraktivität spiritueller Sinnsuche interpretierbar war.

Scheint die moderne Rationalität der Welterklärung als ein grundsätzliches Prinzip der Aufklärung also erneut umkämpft zu sein, gilt „Aufklärung“ andererseits in den Konflikten um eine neue Weltordnung als legitimationspolitisch taugliche Chiffre für gesellschaftlichen Fortschritt. Auch hier wäre es ein Irrtum, nur auf die Vereinigten Staaten zu verweisen, und mit investigativer Geste ihrer Propaganda vom Export der Freiheit mit Verweis auf den religiösen Backlash im eigenen Lande Bigotterie vorzuwerfen. Es ist eine bis heute nur wenig gebrochene Tradition der Intellektuellen auch auf dem alten Kontinent unter Bezug auf die „Vernunfttradition“ in Europa sowohl an der Konstruktion westlicher Überlegenheit als auch an der Selbstidentifikation in der transatlantischen Konkurrenz mitzustricken.

Der zeitgegenwärtige Konjunkturschub der Debatten über Aufklärung war dem Panel unter Leitung von Günther Lottes, Leiter des Forschungszentrums Europäische Aufklärung in Potsdam, Anlass dem Phänomen auf der Ebene des ursprünglichen Entstehungskontextes als auch aus verschiedenen Perspektiven weltgeschichtlicher Rezeptionsweisen zu begegnen, um so einem ontologisierenden und instrumentellem Verständnis zu entgehen.

Im Vortrag von Lottes wurde aus der Rekonstruktion der Gedankenwelt, wie sie sich in den Schriften von Montesquieu, Bacon, Voltaire und Rousseau nachvollziehen lässt, deutlich, dass sich Aufklärung zwar mit einer spezifischen Denkweise in abstrakten Kategorien verband, diese aber von ihren Protagonisten nicht gleichzeitig mit entwicklungsgeschichtlichen Ableitungen und Fortschrittsideologien gekoppelt wurde. Mit der Etablierung rationaler Bewertungsmaßstäbe sollte das Wissen der Welt nach dem „Verschwinden“ Gottes neu geordnet werden, aber Europa oder den „Westen“ konstituierte man noch nicht als ein Zentrum dieser Aufklärungsbewegung. Statt einer funktionalen Legitimation widmeten sich moderne Intellektuelle den Rätseln der Welt zunächst noch mit einer sachlichen, ja kosmopolitischen Offenheit der Betrachtung.

Ein etwas abweichendes Bild zeichnete Silvia Sebastini vom Instituto Italiano di Scienze Umane (Florenz), die für Schottland einen ambivalenten Prozess der Aufklärung schilderte. Am Beispiel der Schottischen Historiker (z.B. David Hume) am Ende des 18. Jahrhunderts zeigt sich das Nebeneinander von wissenschaftlichem Fortschritt und hierarchischer Kategorisierung der Menschheit im Zeitalter der Aufklärung. Im selben Zeitraum, in dem die herkömmlichen Methoden der Geschichtsbetrachtung anhand von Königen und Helden durch eine Perspektive auf vergleichende Gesellschaftsforschung abgelöst wurde und damit kulturelle sowie soziale Differenzen erklärt werden konnten, verband sich diese progressive Sichtweise mit aufkommenden Rasse-Konzeptionen aus der Anthropologie. Dies war gleichermaßen Ausgangspunkt für eine subordinierende Menscheneinteilung als auch für eine schottische Nationalidentifikation.

Aus einem anderen national-spezifischen Blickwinkel erschien die Wirkung der neuen Denkweisen weniger als ambivalenter Gesamtprozess, sondern als zeitlich ungleichmäßig und widersprüchlich verlaufender Zusammenhang. Iwan-Michelangelo D`Aprile, ebenfalls vom Forschungszentrum für Europäische Aufklärung, belegte dies anschaulich am Beispiel des deutschen Außereuropadiskurses. Dieser diente keinesfalls nur zur Identifikation der deutschen als „Kultur- und Sprachnation“, deren reisende Intelligenzia sich auf die Suche nach den Ursprüngen machte. Eine solche Interpretation träfe zweifelsohne auf Friedrich Schlegel und sein Werk „Über die Sprache und Weisheit der Inder“ zu. Dort wird der Subkontinent zur Heimat von germanischer Ursprache und Religion sowie zum Ort höchster Romantik stilisiert. Dies sei aber nur eine Rezeptionsweise des Kulturrelativismus der Spätaufklärung. Neben dem nationalen Kulturalismus der Romantik existierte aber auch ein „nicht-national orientierter Kulturpluralismus, der noch weitgehend den kosmopolitischen Traditionen der europäischen Aufklärung verbunden bleibt“ (D`Aprile). Bevor der nationalistische Bezug eine dominante Position einnehmen konnte, fanden sich bei einer Mehrzahl aufgeklärter Wissenschaftler im deutschen Außereuropadiskurs zu Beginn des 19. Jahrhunderts, unter ihnen Klaproth, Humboldt oder Goethe, kaum nationale Motive, und nicht selten wurde der aufkommende Nationalismus zurückgewiesen.

Unter anderen Bedingungen wurde die Aufklärung in denjenigen Regionen der Welt wahrgenommen, die zu den Interessensphären der imperialistischen europäischen Mächte erklärt wurden. In China, in dem die Herrscher bis zum ersten Opiumkrieg gegen die Briten (1839-1842) selbst noch von der Überlegenheit gegenüber den westlichen Barbaren ausgegangen waren, reagierten Intellektuelle mit einer Mischung aus Angst und Hoffnung, Abwehr und Interesse auf die von außen eindringende neue Gedankenwelt. Ricardo K.S. Mak von der Hong Kong Baptist University beschrieb einen stufenartigen Rezeptionsprozess: Gingen politische und militärische Führer wie Lin Zexu und Wie Yuan im Diskurs über die Neuinterpretation der chinesischen Rolle in der Welt zunächst noch davon aus eine Reform der Militärpolitik könne die Bedrohung der Außenwelt abwehren und China einen eigenen Entwicklungspfad beschreiten, öffneten sich eine zweite und dritte Generation von Denkern den „westlichen“ Ideen. Die in Europa weit gereisten Diplomaten Guo Songtao und Xue Fucheng schlossen wenige Jahre später aus den entwicklungshemmenden Defiziten der chinesischen Gesellschaft nicht auf einen abgeschotteten Entwicklungsweg, sondern angesichts des als erfolgreich wahrgenommenen europäischen Modells sahen sie eine partielle Integration in die westliche Welt als Bedingung für Chinas Wiederaufstieg. Unter dem Eindruck des zweiten verlorenen Opiumkriegs (1856-1860) übernahm schließlich eine dritte Generation (Wang Tao, Yan Fu) den in Europa entstandenen und sich schnell verbreitenden Sozialdarwinismus als Erklärungs- und Orientierungsmodell und interpretierte Chinas Situation in der Welt als „Kampf ums Dasein“. Der Kontakt mit der europäischen Aufklärung stand also, wenn er nicht von vorneherein von Abwehr geprägt war, in einem engen instrumentellen Verhältnis zu Vorstellungen nationaler Stärke und Unabhängigkeit.

Im letzten Beitrag des Panels erklärte Jacob Emanuel Mabe (Potsdam), warum die europäische Aufklärung in Afrika nur teilweise zu einer Modernisierung des Denkens geführt habe. Der emanzipatorische Erfolg der Aufklärung in Europa sei eng an die Entstehung europäischer Zentralsprachen geknüpft gewesen. In Afrika selbst wurde die moderne Gedankenwelt dann zwar über die Sprachen der Kolonialmächte importiert aber gleichfalls deren Ausbreitung und Wirkung zugleich fest mit diesen Sprachen verbunden. Dies kam aber nicht nur quantitativ einer exklusiven Limitierung gleich. Da modernes Denken nicht Eingang in die afrikanische Sprachwelt fand, galt es als das „Fremde“, welches für Unterdrückung und nicht für Befreiung stand. Eine eigene afrikanische Aufklärungsdynamik scheitere bis heute an einem adäquaten sprachlichen Bezugssystem.

Auch wenn an dieser Stelle aus dem Auditorium davor gewarnt wurde, in der Gegenüberstellung regionaler Eigenheit gegenüber dem zweifelsohne nicht nur universalistischen, sondern eben auch expansionistischen Anspruch der westlichen Aufklärung gleich einen Garanten für eine Freiheit befördernde Wirkung zu sehen, blieb das Panel frei von großen Kontroversen. Es waren eher die verschiedenen regionalen Fokussierungen und Ausdifferenzierungen, die es zu einer interessanten Veranstaltungen machten. Wohl auch deshalb blieb ein großer Interpretationskonflikt aus.

Contact (announcement)

Katja Naumann
Universität Leipzig
Zentrum für Höhere Studien
Emil-Fuchs-Str. 1
04105 Leipzig
knaumann@uni-leipzig.de

www.uni-leipzig.de/zhs/ekwg
Editors Information
Published on
24.03.2006
Contributor
Classification
Temporal Classification
Regional Classification
Subject - Topic
Additional Informations
Country Event
Conf. Language(s)
English, French, German
Language