Sushi in Rome. On travelling objects to and from Europe since 1945

Sushi in Rome. On travelling objects to and from Europe since 1945

Organizer(s)
IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften
Location
Wien
Country
Austria
From - Until
31.05.2007 - 02.06.2007
Conf. Website
By
Moritz Baßler (Germanistisches Institut, Westfälische Wilhelms-Universität Münster)

Sushi in Rom, der VW Käfer in den USA, Punkplatten in Deutschland; die Versuche, Dinge – seit 1945 zumeist massenproduzierte Waren – in neuen kulturellen Kontexten zu etablieren, können sehr unterschiedlich motiviert sein. Fast immer aber führen sie zu unvorhergesehenen Umdeutungen, die gravierenden Einfluß auf die Bedeutung, den Gebrauch und letztlich sogar auf die Objekte selbst haben können.

Die internationale Tagung „Sushi in Rome“ führte solche Zusammenhänge in drei Schritten vor Augen. In der ersten Sektion, „The Cultural Framing of Transfer Objects“, sprachen der Anthropologe Theodore C. Bestor (Harvard) über die Globalisierung von Sushi sowie die Historikerinnen Liz Buettner (York) über die Geschichte der Indischen Restaurants in England und Emanuela Scarpellini (Mailand) über die Einführung der amerikanischen Supermärkte in Italien. Dabei kamen von Beginn an übergreifende Aspekte zur Sprache, die die Tagung – vor allem in den allgemein lebhaften und produktiven Diskussionen – insgesamt prägten. So ging es immer wieder um das kulturelle Bedürfnis nach „Authentizität“ gerade fremdkultureller Produkte, wie es gerade in Überflussgesellschaften besteht. Auch die nationale Codierung von Marken, die dem Import weiterer Produkte der Ursprungskultur den Weg bereitet, geriet mehrfach in den Blick. Bestor schlug vor, sie mit Nyes Konzept von soft power zu verbinden. Der Historiker Johannes Paulmann (Mannheim) demonstrierte, wie exotische Tiere in Deutschland unmittelbar nach 1945 neu ‚geframet’ wurden und welche Bedeutung dem Diskurs um wilde Tiere in der Bundesrepublik zuwuchs (z.B. durch Bernhard Grzimek). Der Begriff des kulturellen Rahmens stand mehrfach im Zentrum der Diskussion.

In der zweiten Sektion, „Consumer Cultures Across Media Environments“, war der Fokus stärker auf die mediale Vermittlung von Transfer-Prozessen gerichtet. In Kaspar Maases (Tübingen) Beitrag über die Sprache von Auto-Testberichten stellte der Kulturwissenschaftler die Frage, wie kulturelle Erfahrungen mit Objekten (z.B. das ‚Fahrgefühl) überhaupt versprachlicht werden – eine Bedingung ihrer wissenschaftlichen Erfassbarkeit. Der Historiker Bernhard Rieger (London) berichtete über verschiedene Umcodierungen, die der VW Käfer in amerikanischen und deutschen Werbekampagnen erfuhr. Die Beiträge der Germanisten Thomas Hecken (Bochum) und Moritz Baßler (Münster) befassten sich mit der Aufnahme amerikanischer Popkultur in der Bundesrepublik Deutschland. Zum einen ging es um Konzepte von ‚Pop’ in den 1960er-Jahren, zum andern um die Adaptation von Punk an deutsche Bedürfnisse. Die Sektion machte deutlich, dass die objektnahe Forschung stets von einer Reflexion über den historisch-kulturellen Sprachgebrauch begleitet sein muss, um aussagefähig zu sein.

Die dritte und letzte Sektion der Tagung, „Semiotic Reframing of Material Culture in the Arts“, war der Reflexion globaler Objektkultur in den Künsten gewidmet. Im Grenzbereich von Kulturwissenschaften und Kunstgeschichte behandelte der Beitrag von Anna Schober (Wien) den kreativen Umgang mit den verschiedensten Objekten im serbischen Widerstand gegen Slobodan Miloševi? und ihrer Umcodierung von Alltagsgegenständen zu Protestsymbolen. Elke Gaugele (Wien) spürte der Hybridisierung von Kunst und Luxusmarkenkultur im New Yorker Prada-Guggenheim-Gebäude nach – vom Entwurf durch Rem Koolhaas bis hin zur wirklichen Nutzung durch die Kundschaft. Abschließend gab Ursula Frohne (Köln) einen umfassenden Überblick über aktuelle Strategien der Aneignung und Recodierung von Marken und Luxusartikeln in der Gegenwartskunst, der zahlreiche Aspekte der Tagung noch einmal aufnahm und reflektierte.

Wenn sich die Kulturwissenschaften der Aufgabe stellen wollen, Prozesse der Globalisierung in ihren semiotischen und pragmatischen Auswirkungen zu analysieren, dann kann dieses Projekt – soviel wurde deutlich – erfolgversprechend nur im Verbund mehrerer Disziplinen in Angriff genommen werden. Ökonomische und soziale Implikationen des Transfers von Waren sind, so zeigte sich, nicht zu trennen von deren semiotischen Aspekten. Die Repräsentation und Reflexion kultureller Objektwanderungen in den Medien und schließlich in der Kunst erfordern darüber hinaus medienwissenschaftliche und hermeneutische Kompetenzen, historische Aspekte und die Analyse nationaler Stereotype treten hinzu. Auf der interdisziplinären Tagung „Sushi in Rome“ konnte ein entsprechender Forschungsansatz deutlich an Konkretion gewinnen, eine Fortführung des Projektes ist geplant.

Konzept:
Moritz Baßler (Germanistisches Institut, Westfälische Wilhelms-Universität Münster)
Ursula Frohne (Abt. Allg. Kunstgeschichte, Kunsthistorisches Institut, Köln)
Johannes Paulmann (Neuere und Neueste Geschichte, Universität Mannheim)
Bernhard Rieger (Dept. of History, University College, London)

TeilnehmerInnen:
Hans Belting (IFK, Wien)
Theodor C. Bestor (Dept. of Anthropology, Harvard University)
Liz Buettner (Dept. of History, University of York)
Elke Gaugele (Inst. F. künstlerisches Lehramt, Akademie der bildenden Künste, Wien)
Thomas Hecken (Germanistisches Institut, Ruhr-Universität, Bochum)
Kaspar Maase (Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft, Tübingen)
Emanuela Scarpellini (Dipartimento di Scienze della Storia, Università degli Studi di Milano)
Anna Schober (Institut für Zeitgeschichte, Wien, und Institut für Kunst und Gestaltung an der Technischen Universität, Wien)

Contact (announcement)

Edith Wildmann

IFK Reichsratsstraße 17, 1010 Wien

0043-1-5041126
0043-1-5041132
ifk@ifk.ac.at


Editors Information
Published on
09.07.2007
Contributor
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Country Event
Conf. Language(s)
German
Language