Les relations économique et financières franco-allemandes de 1871 à nos jours: Permanences, mutations et portée

Les relations économique et financières franco-allemandes de 1871 à nos jours: Permanences, mutations et portée

Organizer(s)
Institut de la gestion publique et du développement économique; Comité pour l’histoire économique et financière de la France; Deutsches Historisches Institut Paris der Unterstützung der Deutsch-französischen Industrie- und Handelskammer Paris
Location
Paris
Country
France
From - Until
10.05.2007 - 11.05.2007
Conf. Website
By
Sebastian Brandt, Eric Burkart, Enrico Wagner

In der Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen kam den Finanz- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern schon aus geographischen Gründen früh hohe Bedeutung zu. Welche Formen der Zusammenarbeit entstanden und welche Akteure auf den Plan traten, wie weit der Grad der Verflechtung reichte und wie vielfältig diese sein konnten, wel-che Wege dabei sowohl seitens der Wirtschaft als auch der Politik auf beiden Seiten beschritten wurden, diese Fragen standen am 10. und 11. Mai 2007 in Paris im Zentrum einer internationalen Tagung. Sie bildete zugleich den Abschluss einer Veranstaltungsreihe, die Anne DE CASTELNEAU für das Comité d’histoire économique et financière de la France (CHEFF) und Stefan MARTENS für das Deutsche Historische Institut Paris (DHIP) in den vergangenen drei Jahren organisiert hatten. Die wissenschaftliche Leitung dieses deutsch-französischen Forschungsunternehmens, das vom Institut de la gestion publique et du développement économique (IGPDE) und der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer unterstützt wurde, lag in den Händen von Jean-François ECK (Lille) und Sylvain SCHIRMANN (Strasbourg).

Nach der Begrüßung der Tagungsteilnehmer durch Werner PARVICINI (DHIP) und Nathalie TOURNYOL DU CLOS (IGPDE), erinnerte Sylvain SCHIRMANN in seinem Einführungsvortrag zunächst an die Vorarbeiten, auf denen diese Konferenz aufbauen konnte. Er verwies vor allem auf die Arbeiten von Raymond Poidevin, die einer ganzen Forschergeneration, zuletzt Franz Knipping, den Weg gewiesen hätten. Angesichts des regen Interesses und der vielfältigen Themen, so hob Schirmann in seinem Fazit hervor, sei nun, zehn Jahre nachdem Andreas Wilkens und Gérard Bossuat mit einer Serie von Kolloquien zur Geschichte der deutsch-französischen Wirtschaftsbeziehungen eine erste Zwischenbilanz gezogen hatten, die Zeit für eine weitere, kritische Bestandsaufnahme gekommen.

Die erste Sektion der Konferenz unter Leitung von Éric BUSSIÈRE (Paris) behandelte die Jahre vor dem Ersten Weltkrieg. Sie wurde von Boris BARTH (Konstanz) mit einem Vortrag über den deutsch-französischen Finanzimperialismus vor 1914 eröffnet. Am Beispiel der vielfältigen Zusammenarbeit deutscher und französischer Banken beim Aufbau von Bahnstrecken im Osmanischen Reich veranschaulichte er, wie unterschiedlich die Entwicklungen des finanziellen und des politischen Imperialismus verliefen. Barth zeigte, dass sich trotz erheblicher staatlicher Anstrengungen, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich zu kontrollieren, eine enge Kooperation zwischen Financiers beider Länder entwickeln konnte. Nachdrücklich plädierte er daher zugunsten der in der Forschung kontrovers diskutierten These, dass es bereits vor 1914 zu einer ersten »Globalisierungswelle« gekommen sei. Diese Auffassung stieß in der Diskussion nicht nur auf Zustimmung. So wurde insbesondere der Einwand vorgebracht, dass der Einfluss national oder nationalistisch gesinnter Regierungen eine derartige wirtschaftliche und finanzielle Zusammenarbeit eher behindert haben müsste. Mylène MIHOUT-NATAR (Lille) entwickelte im folgenden Vortrag ein Beispiel für einen solchen Fall gemeinsamen Engagements deutscher und französischer Unternehmen. Anhand der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt Łódź legte sie dar, wie Franzosen und Deutsche vor dem Ersten Weltkrieg gemeinsam die wirtschaftliche Entwicklung auf dem Gebiet des heutigen Polen voranbrachten. Neben dem Aufbau einer Produktion steuerten sie sowohl einen Großteil des dafür notwendigen Kapitals als auch der Arbeitskräfte bei. Uwe KÜHL (Freiburg i. Br.) wiederum präsentierte die deutsch-französischen Gemeinsamkeiten und Wechselwirkungen beim Einsatz moderner Elektrotechnik. Ende des 19. Jahrhunderts kam es auf diesem Gebiet zu einem regen Wissenstransfer zwischen beiden Ländern, gleichzeitig führte der Wettlauf um Innovationen aber auch zur Herausbildung eines stark national geprägten Konkurrenzdenkens. Insbesondere die großen internationalen Ausstellungen wurden neben der Präsentation des allgemeinen zivilisatorischen Fortschritts zum Schauplatz des Konkurrenzkampfes unter den Industrienationen. Auch in der Chemieindustrie boten interna-tionale Ausstellungen Gelegenheit, Vergleiche zwischen beiden Staaten zu ziehen. Eric LAN-GLINAY (Paris) beschrieb unter der Überschrift »Apprendre de l’Allemagne«, wie Frankreich zwischen 1871 und 1914 seine universitären Strukturen nach deutschem Vorbild reformierte, um die Zusammenarbeit mit Unternehmen zu verbessern und den auf der Weltausstellung 1900 deutlich gewordenen Rückstand in der Chemieindustrie aufzuholen.

Die zweite Sektion des Kolloquiums zur Periode der Zwischenkriegszeit, die von Albert BRODER (Paris) geleitet wurde, eröffnete Sylvain SCHIRMANN (Strasbourg) mit einem Überblick über die deutsch-französischen Handelsbeziehungen von der Weltwirtschaftskrise bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs. Seine Ausführungen zeigten, wie die auf Ausgleich be-dachte französische Handels- und Wirtschaftspolitik ein Erstarken des Deutschen Reiches förderte und der Beschwichtigungspolitik zuwiderlief. Letztlich, so Schirmann, seien die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Staaten ebenso wie die politischen ein Ausdruck französischer Schwäche gewesen. Im Anschluss betrachtete Denis BRUNN (Nancy) zwei Ge-nerationen von Unternehmern in Lothringen. Während Firmen deutschen Ursprungs vor dem Zweiten Weltkrieg unter den schlechten Beziehungen beider Länder zu leiden hatten, kam der neuen Generation nach 1945 sowohl die deutsch-französische Annäherung, als auch das starke Wirtschaftswachstum in Westeuropa zugute, so dass die Zahl deutscher Unternehmen in Lothringen bis 1960 stark anstieg. Das Profil dieser Firmen – kleine bis mittelgroße Unternehmen mit Standorten in den Gebieten um Forbach und Sarreguemines – änderte sich allerdings auch nach dem Zweiten Weltkrieg kaum.

In der dritten Sektion des Kolloquiums unter der Leitung von Stefan MARTENS (DHIP) standen die dunklen Jahre des Zweiten Weltkriegs im Zentrum. Fabian LEMMES (Florenz) berichtete über die praktische Zusammenarbeit deutscher und französischer Bauunternehmen während der Besatzungszeit. Obwohl der Großteil jener Bauaufträge für die drei Wehrmachtsteile oder die Organisation Todt von französischen Firmen ausgeführt wurden und die Beziehungen zwischen deutschen und französischen Unternehmen infolge der Besatzungssituation zunehmend asymmetrisch verliefen, konstatierte Lemmes, dass die Bereitschaft zu einer kooperativen Zusammenarbeit überwog und sich nicht auf eine Beziehung zwischen Befehlsgeber und bloßem Befehlsempfänger reduzieren lasse. Bei der Frage nach Brüchen und Kontinuitäten, die für ihn im Vordergrund stand, sah er französische Unternehmen in den Jahren 1940–1944 zwar in einer Ausnahmesituation, stellte aber gerade bei großen Firmen Anknüpfungspunkte zu deutsch-französischen Kooperationen der Vorkriegszeit fest. Marcel BOLDORF (Mannheim) vertrat in seinem Beitrag über Akteure in der Wirtschaftsverwaltung des besetzten Frankreichs die zugespitzte These, dass die enge Zusammenarbeit zwischen Franzosen und Deutschen in der Nachkriegszeit zum Teil erst durch jene Kontakte möglich wurde, die während der Besatzungsjahre geknüpft worden seien. Da die deutschen Besatzer keine eigene Verwaltung errichteten, sondern sich auf die bestehenden französischen Strukturen stützten, spielten langwierige Verhandlungen an der Schnittstelle zwischen der deutschen Zivil- und Militärverwaltung sowie den französischen Kollaborationsbehörden die entscheidende Rolle. Hervé JOLY (Lyon) nahm im letzten Vortrag dieser Sektion einige dieser Aspekte auf. Obwohl er sich den Schlussfolgerungen seines Vorredners nicht anschloss, unterstrich auch er die enge Zusammenarbeit in Bezug auf die chemische Farbenindustrie in Deutschland und Frankreich. Die in diesem Bereich ebenfalls stark ausgeprägte personelle Kontinuität, die sich in den deutsch-französischen Beziehungen sowohl während der Besatzungszeit im Vergleich zu den Vorkriegsjahren, aber auch in der Zeit nach 1945 beobachten lasse, habe zwar sicher eine gewichtige Rolle gespielt, sollte in diesem Zusammenhang seiner Meinung nach aber nicht als allein entscheidender Faktor gesehen werden. In der Diskussion entwickelte sich an dieser Frage eine lebhafte Auseinandersetzung zwischen den Teilnehmern der Tagung, die in die Forderung an die Forschung mündete, nach Kriterien für eine treffsichere Unterscheidung zwischen »Kollaboration« und »Kooperation« zu suchen.

Unter der Leitung von Peter BORSCHEID (Marburg) eröffnete Martial LIBERA (Strasbourg) den zweiten Tag des Kolloquiums, der die Zeit vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis zur Ge-genwart behandelte. Libera hob in seinem Überblick über die französische Wirtschaftspolitik in der Zone française d’Occupation en Allemagne (ZFO) besonders die Ambivalenz französischer Politik hervor, die einerseits und in erster Linie die Zone zum eigenen Vorteil ausbeuten wollte, andererseits aber auch »konstruktive« Politik, wie etwa den Wiederaufbau von Transportwesen und Kommunikation, betrieb. Mark SPOERER (Hohenheim) betrachtete anschließend die unterschiedlichen wirtschaftlichen Konzepte in Frankreich und Deutschland nach dem Krieg und ihre Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung. Er kam zu dem Schluss, dass weder französische Planwirtschaft noch deutsche soziale Marktwirtschaft entscheidend für das viel gerühmte »Wirtschaftswunder« bzw. die »Trente glorieuses« waren, sondern vielmehr allgemeine Phänomene wie die Notwendigkeit des Neuaufbaus und die Rückkehr in die Weltwirtschaft. Laurent WARLOUZET (Paris) und Claus W. SCHÄFER (Erlan-gen) betonten in ihren Vorträgen dann wiederum den großen Einfluss der Politik auf die französisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen. Warlouzet legte dar, wie verschiedene bilaterale Initiativen zu einer verbesserten Wirtschaftskooperation in den 1960er-Jahren durch den Primat der Politik – etwa die politisch gewollte Planung der Industrie in Frankreich oder die neuen Rahmenbedingungen der EWG – erschwert worden seien. Schäfer präsentierte den starken Einfluss nationaler Politik auf die Wirtschaft am Beispiel des deutsch-französischen Pharmakonzerns Aventis und sprach in diesem Zusammenhang besonders kritisch vom so genannten »patriotisme économique« in Frankreich.

Die letzte Sektion des Kolloquiums stand unter der Leitung von Karl LAUSCHKE (Berlin). Sie wurde von Ulrich PFEIL (Saint-Étienne) mit einem Vortrag zu den kaum erforschten Wirtschaftsbeziehungen zwischen Frankreich und der DDR eröffnet. Aufgrund der Anerken-nungspolitik der BRD bis in die 1960er-Jahre waren diese Beziehungen stark politisiert, blieben allerdings auch immer von relativ begrenztem Umfang. Dimitri GRYGOWSKI (Cergy-Pontoise) analysierte anschließend die Reaktionen Frankreichs und der Bundesrepublik auf die Turbulenzen des internationalen Währungssystems im Jahrzehnt zwischen 1969 und 1979. Sein Hauptaugenmerk lag dabei auf der Frage, inwiefern diese Maßnahmen das Projekt einer europäischen Währungsunion behindert bzw. gefördert haben. Grygowski kam zu dem Schluss, dass es letzten Endes der fehlende Wille der beteiligten Akteure war, der die Vollendung dieses Projekts verhinderte. Im letzten Vortrag behandelte Hubert BONIN (Bordeaux) die deutsch-französischen Beziehungen im Bankengewerbe des 20. Jahrhunderts und zeichnete unter Einbeziehung der neuen Archivquellen ein chronologisches Bild der Entwicklung von der Belle Époque bis in die 1970er-Jahre.

Im Lichte der Ergebnisse und Debatten der verschiedenen Sektionen diskutierten im Rahmen einer Table Ronde heutige Akteure ihre Erfahrungen aus der Praxis deutsch-französischer Wirtschaftsbeziehungen. Teilnehmer waren Jörn BOUSSELMI, Geschäftsführer der Deutsch-französischen Industrie- und Handelskammer in Paris, Jean-François BOITTIN, französischer Gesandter für Wirtschaftsangelegenheiten und Leiter der Mission économique in Deutschland sowie Christophe STRASSEL, Magistrat à la Cour des Comptes, Paris. Moderiert wurde die Diskussion von Susanna DÖRHAGE, Leiterin von ARTE-Info in Paris. Die Debatte lief schnell auf eine Gegenüberstellung der spezifischen Besonderheiten Deutschlands und Frankreichs hinaus, wobei das deutsche deutlich als positives Gegenbild zum französischen Modell herausgestellt wurde: Liberale Reformen, Flexibilisierung, markt- und exportorientierter Mit-telstand in Deutschland gegen zentrale politische Steuerung, sehr kleine, vor allem für den einheimischen Markt produzierende mittelständische Unternehmen in Frankreich. So empfahl Bousselmi kleinen französischen Unternehmen dann auch, nach deutschem Vorbild Wachstum anzustreben und Netzwerke zu bilden. Man müsse sich aber natürlich, wie Strassel in einer Schlussbemerkung sehr deutlich machte, davor hüten, das deutsche Modell als unfehlbares Vorbild zu begreifen und kritiklos kopieren zu wollen.

In seinem Schlusswort fasste Jean-François ECK (Lille) die vielfältigen Themen und Aspekte der Tagung nochmals zusammen. Als Ergebnis der 16 Vorträge hob er die enge Verflechtung und Nachhaltigkeit der deutschen und der französischen Wirtschaft besonders hervor, deren Erforschung auch weiterhin eine wichtige Aufgabe sei. Voraussetzung sei allerdings, dass die Firmen noch mehr als in der Vergangenheit geschehen, ihre Archive den Historikern zugäng-lich machen. Vor dem Hintergrund der im Verlauf der beiden Tage immer wieder beobachteten Ambivalenz in den bilateralen Beziehungen mahnte er, dass es bei allem Vorrang neuer Untersuchungsmethoden und spezifischer Modelle nicht anzuraten sei, die deutsch-französischen Wirtschaftsbeziehungen isoliert und nur mit Hilfe von Modellen zu betrachten, die auf die in der Finanz- und Wirtschaftswelt herrschenden Bedingungen hin konzipiert sind. Die dabei gewonnenen Ergebnisse können erst dann fruchtbar gemacht werden, wenn sie in den allgemeinen politischen Rahmen eingebunden werden.

Wie bereits während der vorgegangenen Veranstaltungsreihe haben im Verlauf der Tagung die angeregte Diskussionen erneut die vielfältigen Perspektiven verdeutlicht, die das Zusammenreffen von Historikern, Zeitzeugen sowie Finanz- und Wirtschaftsfachleuten eröffnet. Eine rasche Veröffentlichung der Tagung durch das CHEFF wird angestrebt.


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Published on
07.08.2007
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German
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