Zeitschrift für Weltgeschichte 15 (2014), 2

Title 
Zeitschrift für Weltgeschichte 15 (2014), 2
Other title information 

Published on
München 2014: Martin Meidenbauer
Frequency 
zweimal jährlich
ISBN
1615-2581
Extent
197 S.
Price
€ 59,00

 

Kontakt

Organization name
Zeitschrift für Weltgeschichte
Country
Germany
c/o
Prof. Dr. Hans-Heinrich Nolte Bullerbachstr.12 D-30890 Barsinghausen Tel +49 5105 64 332
By
Bertram, Michael

Die 30. Ausgabe der Zeitschrift für Weltgeschichte wartet mit einer Überraschung auf. Der Gründer und geschäftsführende Herausgeber dieser Zeitschrift, Hans-Heinrich Nolte, hat einen Preis zur Förderung der Welt- und Globalgeschichte gestiftet. Er soll nächstes Jahr zum ersten Mal vergeben werden. Mehr dazu in der Anzeige auf S. 198.

Abgesehen von diesem Paukenschlag bietet das Heft auch sonst eine interessante und spannende Mischung aus grundsätzlichen Beiträgen und Studien zu den Details globalhistorischer Entwicklung. Den Reigen der Aufsätze leitet Christoph Mertl mit seinen Überlegungen zur fruchtbaren Nutzanwendung der Kulturbereichsanalyse für weltgeschichtliche Untersuchungen in der vormodernen Zeit ein. Er skizziert sechs Kulturbereiche, die von der anthropologisch konnotierten Selbsterhaltung bis zur Weltanschauung und Politik reichen und möchte mit seinem Konzept unter Berücksichtigung der großen Auseinandersetzungen in der Soziologie von Talcott Parson über Niklas Luhmann bis hin zu Anthony Giddens die Globalgeschichte querdenken. Die Leser sind herzlich eingeladen mitzudiskutieren.

Auch der zweite Beitrag von Helmut Prantner widmet sich grundsätzlichen Überlegungen zur Weltgeschichte und ihren Methoden, doch drehen sich seine Überlegungen zur Weltgeschichte um die Weltsystemanalyse von Immanuel Wallenstein. Er diskutiert in seinem Beitrag imperiale Zyklen in der Weltsystemanalyse den Auf- und Abstieg hegemonialer Mächte im Kontext langfristiger ökonomischer und sozialer Rhythmen, sondiert die Bedeutung der militärischen Macht oder imperialen Gewalt und fordert dazu auf, ein größeres Augenmerk auf den Verbrauch von Natur und Umwelt zu legen, weil die darin intendierte Versorgungskrise zur Destabilisierung des Gesamtsystems infolge naheliegender Ressourcenkriege führen könne.

Auch der dritte Beitrag dieses Hefts von Christoph Sorg liefert Stoff zum Nachdenken über Weltgeschichte, auch wenn erst einmal die post-islamischen Umbrüche im Weltsystem im Zentrum stehen. Er verfolgt einen interdisziplinären und multikausalen Ansatz, indem er fünf Faktoren besonders hervorhebt, die zum Ausbruch einer Revolution beitragen. Dazu gehören sowohl der repressive exkludierende Staat, Oppositionsstrukturen wie auch Wirtschaftskrisen und der Grad der weltsystemischen Öffnung der Gesellschaft. Sorg betont, dass er seine Überlegungen zum regionalen Charakter der arabischen Aufstände und den dafür gewählten Ansatz eher als "theoretischen Vorschlag" und nicht als "finale Interpretation" verstanden wissen will.

Nach diesen drei Beiträgen, bei denen systematische Modelle und Plausibilitätsprüfungen im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen, folgen zwei Aufsätze, die sich eher analytisch einem zentralen Problem der Weltgeschichte annähern, nämlich der Bedeutung von kontinentalen oder globalen Infrastrukturen, hier fokussiert auf den Energie-, Verkehrs- und Kommunikationsbereich, und dies in Kombination mit der Frage nach der Rolle des Staats beim Auf- und Ausbau dieser Strukturen. Es wird dabei die These geprüft, ob zentralistische Staatswirtschaften hier im Vorteil gegenüber dezentralen marktwirtschaftlichen Systemen sind. Die Antworten fallen in den beiden Aufsätzen Hans-Georg Thielepape und Ralf Roth auf den ersten Blick gegensätzlich aus, wobei die Antwort aber sehr von der Situation jedes einzelnen Landes und den Zeitverhältnissen abzuhängen scheint. Während Thielepape im systematischen und überzeugenden Vergleich zweier Schwellenländer ziemlich deutliche Vorteile des zentralistisch geplanten Infrastrukturausbaus in China gegenüber den marktwirtschaftlich orientierten Ansätzen in Indien ausmacht, kommt Roth bei der Frage nach den Ursprüngen des Internet und warum das globale Netz in den USA und nicht in der Sowjetunion entstanden ist, zu einem anderen Ergebnis. Er verweist auf die Notwendigkeit von flexiblen Übergängen zwischen staatlicher, zu einem nicht geringen Teil militärischer Grundlagenforschung und der Zivilgesellschaft sowie dezentralen Machtstrukturen und eher kleinteiligen als großindustriellen Unternehmen, die entscheidend für die Durchsetzung dieser dezentral angelegten weltweiten Kommunikationsstruktur gewesen waren. Das bedeutet allerdings nicht, dass sich in diesem neuen Marktsegment im Zeitraum von einem Vierteljahrhundert nicht neue Superkonzerne entfalten könnten. Dieses ganze, die heutige Wirtschaft dominierende, System kam jedoch weitgehend ohne eine zentralistische Planung aus und entstand nicht einmal im Ansatz oder auch nur als Idee in den Planungsbehörden der untergegangenen Sowjetunion.

Der nächste Beitrag von Martin Malek widmet sich einem ganz anderen Thema und Diskussionszusammenhang, nämlich den widersprüchlichen Thesen von Globalisierungskritikern zur gegenwärtigen und künftigen Rolle des Nationalstaats und er stellt die überraschende Frage: Könnte Staatszerfall auf Westeuropa und Nordamerika übergreifen? Ausgehend von den an der Peripherie des Weltsystems zu beobachtenden Phänomenen der failed states folgt er der Diskussion über Probleme der Durchsetzung des Gewaltmonopols der Staaten in westlichen Ländern, wie da sind: rechtsfreie Räume in Metropolregionen der USA und die Gegenreaktion der gated communities oder auch die Verliererstraße der westlichen Vorzeigemächte auf den Schauplätzen der "Neuen Kriege". In diesen Kontext bindet Malek auch die Trends und Hoffnungen auf den Zerfall der großen Staaten und die Vision einer Welt von Tausenden von Kleinstaaten ein. Doch nach Meinung des Autors seien diese Nachrufe auf den Staat verfrüht und es fehle an plausiblen Vorschlägen, was den als notwendig erachteten effektiven Staat ersetzen könnte.

Helmut Stubbe da Luz lenkt den Blick vom ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhundert am Ende noch einmal zurück auf den Anfang des 19. Jahrhunderts. Ausgehend von Deutschlands wichtigster Hafenstadt fragt er in "Hambourg" oder "Hambro"? nach den Auswirkungen des Konkurrenzkampfes zweier Empire um die Hafenstadt, die damals gerade begann, eine Rolle im Weltverkehr zu spielen, und wie sich die Hamburger Bürger diesen weltpolitischen Auseinandersetzungen stellten bzw. gezwungen wurden Position zu beziehen. In den Hamburger Desiderien hatte man sich für Freihandel, politische Autonomie und Neutralität ausgesprochen. Doch nachdem das HL Römische Reich Deutscher Nation zerfallen war, blieb auf der Suche nach einer neuen politischen Heimat nur die Frage, ob man auf einen politischen Neuanfang in Deutschland setzen oder sich unter die Haube Dänemarks, Frankreichs oder Großbritanniens flüchten sollte. Das Frankreich Napoleons hat den Hamburgern diese Entscheidung 1811 dann abgenommen. Doch der Zwang band die Stadt nur für wenige Jahre und mit dem Russlanddesaster standen die Optionen wieder im Raum, von denen sich die Hamburger Bürger dann für eine informelle Anbindung an das britische Empire entschieden. Die Stadt wurde auf diese Weise Einfallstor für britische Waren in die Territorien des Deutschen Bundes und globalhistorisch betrachtet war Deutschland auf diese Weise an den Zirkulationsströmen des Britischen Empires als dominanter Teil des damaligen Weltsystems angebunden. So verweist ein stadtgeschichtliches Thema auf Aspekte des weltgeschichtlichen Zusammenhangs.

Die Review, diesmal von Michael Zeuske, handelt von zwei Publikationen zur sich schnell vollziehenden zweiten Urbanisierungswelle in den bevölkerungsstarken und auf- und nachholenden Regionen in Asien und Lateinamerika. Im Einzelnen geht es um die Studie von Dirk Bronger und Lutz Trettin über Megastädte und Global Cities in Asien sowie um den Sammelband von Anne Huffschmid und Kathrin Wildner zum Stand der Stadtforschung in Lateinamerika.

Der Band schließt mit drei Buchbesprechungen über eine Untersuchung von Rudolf A. Mark zur Rolle Zentralasiens in der deutschen und russischen Außenpolitik vor dem Ersten Weltkrieg, über das monomentale Handbuch von Michael Zeuske zur Geschichte der Sklaverei sowie über Andrea Komlosys globale Studie über die Arbeit.

Prof. Ralf Roth

Table of contents

INHALT

Christoph Mertl
Globalgeschichte quer denken. Grundideen der Kulturbereichsanalyse

Helmut Anton Prantner
Imperiale Zyklen in der Weltsystemanalyse

Christoph Sorg
Post-islamische Umbrüche im Weltsystem. Theoretische Überlegungen zum regionalen Charakter der arabischen Aufstände

Hans-Georg Thielepape
Wirtschaftswachstum und Infrastruktur am Beispiel zweier Schwellenländer: China und Indien

Ralf Roth
Die Ursprünge des Internet und warum das globale Netz in den USA und nicht in der Sowjetunion entstanden ist

Martin Malek
Könnte ein Staatszerfall auf Westeuropa und Nordamerika übergreifen? Erosion des staatlichen Gewaltmonopols vs. Notwendigkeit eines effektiven Staates

Helmut Stubbe da Luz
"Hambourg" oder "Hambro"? Hamburgs Zugehörigkeit zu Napoleons Empire (1811-1814) - globalhistorisch betrachtet

Michael Zeuske
Review: Globalisierung und Global Cities

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05.01.2015
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