Im vergangenen Jahr hat sich die internationale Entwicklungsdebatte in einem erheblichen Ausmaß auf die Frage der Höhe der Entwicklungs“hilfe“transfers aus dem Norden in den Süden, vor allem nach Afrika, konzentriert. Ausgehend von der Entschuldungsdiskussion nach dem G8-Gipfel in Köln 1999 und der erweiterten Initiative von Weltbank und Internationalem Währungsfond für die Highly Indebted Poor Countries (HIPC) haben unter anderem die Mitgliedsstaaten der EU unter dem Einfluss der 2000 verabschiedeten UN-Millenniumsziele zur Halbierung der weltweiten Armut bis zum Jahr 2015 zum UN-Gipfel über Entwicklungsfinanzierung in Monterrey (Mexico, 2002) beschlossen, ihre Transferleistungen bis 2015 sukzessive auf ein deutlich höheres Niveau anzuheben. Damit wollen sie dem bereits zu Beginn der 1970-er Jahre postulierten Ziel, 0,7 Prozent ihres Bruttosozialprodukts für die Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen, ein großes Stück näher kommen. Unter der britischen Präsidentschaft der G8 und in Vorbereitung auf die Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2005 hat insbesondere die Blair-Regierung – nicht zuletzt durch den Bericht der so genannten „Africa Commission“ – dazu beigetragen, dass die Entwicklungsdebatte auf eine Diskussion über Finanzierungslücken und deren Deckung verengt worden ist. Aus dem Blick geraten sind dabei eine Vielzahl von politischen und ökonomischen Fragen, die Wissenschaft und Praxis zuvor beschäftigt haben. Hierzu zählen unter anderem Fragen nach der politischen Ökonomie von Entwicklungszusammenarbeit (EZ), ihrer Effizienz, der Wirkung von EZ als Anreizstruktur auf das fiskalische Verhalten der Empfängerstaaten, der Politik der EZ-Vergabe und „Partner“auswahl sowie den Erfolgen konditionierter EZ. Insbesondere in der Diskussion über Afrikas neopatrimoniale Eliten ist in den letzten Jahren von akademischer Seite immer wieder betont worden, dass unkonditionierte EZ eine negative Anreizstruktur darstellt, die zu Extraversion (Nach-Außen-Wendung), ergo Vernachlässigung einer nach innen gerichteten Legitmationsschaffung führt. Good governance, um ein Schlagwort aus dem neoliberalen EZ-Diskurs zu bemühen, wird so in der Regel nicht erzielt. Stattdessen verkommt EZ unter diesen Bedingungen zu einer selten nachhaltig eingesetzten Ressource, die der Kapitalakkumulation einiger Weniger dient.
Es ist das Verdienst der Gesamtherausgeberin der „International Library of Writings on the New Global Economy“, Helen V. Milner (Columbia University), genau dieser Diskussion einen voluminösen Band dieser Reihe gewidmet zu haben. Die Herausgeber dieses Bandes, der Politologe Peter Burnell (University of Warwick) und der Entwicklungsökonom Oliver Morrissey (University of Nottingham), bringen hier 32 ursprünglich zwischen 1970 und 2001 in Fachzeitschriften bzw. Sammelbänden veröffentlichte Beiträge als Faksimile zum Wiederabdruck. Auch wenn sicherlich nicht die gesamte Breite der Diskussion über Sinn und Unsinn der Entwicklungszusammenarbeit mit diesen Beiträgen ausgeleuchtet werden kann, und sich nicht jede Gebernation oder jede Empfängerregion gleichermaßen bedient sieht, so stellt die Veröffentlichung ein wichtiges Angebot für Bibliotheken und Studierende dar – zumal es den Herausgebern bei der Auswahl der Artikel gelungen ist, eine gute Mischung zwischen Beiträgen älteren Datums zu finden, die auch heute noch relevante Debatten angestoßen haben, und Artikeln jüngeren Datums, die den state of the art repräsentieren.