R. Swartz: Education and Empire

Cover
Title
Education and Empire. Children, Race and Humanitarianism in the British Settler Colonies, 1833–1880


Author(s)
Swartz, Rebecca
Series
Cambridge Imperial and Post-Colonial Studies Series
Published
Basingstoke 2019: Palgrave Macmillan
Extent
XIII, 253 S.
Price
€ 74,89
Reviewed for Connections. A Journal for Historians and Area Specialists by
Felicity Jensz, Exzellenzcluster "Religion und Politik", Westfälische Wilhelms-Universität Münster

In der Geschichtsschreibung zum britischen Reich leitet seit den 1990er-Jahren der Ansatz der ‚New Imperial History‘, der den Fokus nicht auf politische Prozesse oder militärische Expansionen legt, sondern auf Konzepte wie Gender, Kultur, ‚Rasse‘ und auf kulturelle Transfers zwischen Kolonisator:innen und Kolonialisierten. Die koloniale Bildungspolitik ist dabei ein wenig bearbeitetes Thema. Mit ihrer im Jahr 2019 überarbeiteten und veröffentlichen Doktorarbeit (University of London) zeigt uns Rebecca Swartz, wie wichtig Schulen für die Bildung von ‚rassistischen‘ Klassen und für den Arbeitsmarkt der Siedlungskolonien in den Jahren zwischen 1833 und 1880 waren.

Schulen sind oft ein Randthema in der britischen Kolonialgeschichte, zumeist werden sie im Rahmen der historischen Bildungswissenschaft erforscht. Das gilt aber nicht für Indien, da mehrere Monographien herausgearbeitet haben, wie unter britischer Herrschaft Schulen zu der Entstehung von neuen politischen- und Zivilgesellschaften beitrugen.

Das Innovative an Swartzs Arbeit liegt in dem gelungenen Versuch, die Bildungspolitik mehrerer Siedlungskolonien in einer Gesamtschau zu behandeln Für ihr Verständnis von ‚Vergleichender Geschichte‘, im Sinne der Erforschung von ‚connections and comparisons‘, greift Swartz die Anregungen von Ann Laura Stoller auf‚ nämlich „[to] identify unexpected points of congruence and similarities of discourse in seemingly disparate sites.“ (S. 14) An Globalgeschichte anlehnend zeigt die Autorin die Wechselwirkung von lokalen und der globalen Ebene auf. In ihrer Studie fungiert die Kolonie des Britischen Reiches als Makroebene, die Schulen als Mikroebene. Die zwei zentralen Vergleichspunkte bilden die Kolonie Western Australien und die Provinz Natal im südlichen Afrika. Durch die Erarbeitung dieser und anderer Fallbeispiele will Swartz keine umfassende Geschichte der lokalen Bildungspolitik aufzeigen, sondern zielt auf eine vergleichende und verflochtene Geschichte, um „local cases within their global contexts“ zu verorten und um aufzuzeigen, wie „this elucidates the particularity of the local and the connections to the global.“ (S. 13). Durch diese Herangehensweise zeigt Swartz sehr deutlich, dass es im 19. Jahrhundert keine einheitliche britische koloniale Bildungspolitik gab. Stattdessen haben verschiedene Vorstellungen von ‚Rasse‘, Erziehbarkeit, Arbeitsfähigkeit, und Zivilisation in den Kolonien die Bildungspolitik beeinflusst.
Um diese verschiedenen Einflüsse zu zeigen, nimmt Swartz die Diskurse um sogenannte ‚industrial schools‘ in den Blick. Diese Schulen hatten die Aufgabe, indigenen Kindern handwerkliche Fähigkeiten beizubringen und sie damit als Arbeiterinnen und Arbeiter für die Kolonialisten auszubilden.

Ferner zeigt Swartz sowohl, wie die Diskurse um Schulen rassistischer wurde, je mehr Arbeitskräfte gebraucht wurden, als auch wie sich diese ab den 1830er Jahren insgesamt veränderten. In den 1830er-Jahren wurden Schulen in humanitären Kreisen als notwendig angesehen, um in den Kolonien eine “universal equality“ zu erreichen. Danach nahm der Diskurs über Schulen seitens der Kolonialisten immer mehr einen ‚rassistischen‘ Ton an. Nicht-Europäer: innen wurden auf Grund ihrer ‚Rasse‘ als kognitiv mangelhaft dargestellt. Infolgedessen wurden mehrere ‚industrial schools‘ (handwerkliche Bildungsstätte) gegründet, die den Bedarf an billigen Arbeitskräften decken sollten.

Die Quellenbasis des Buches sind Archive, sowohl staatliche als auch von Kirchen und Missionsgesellschaften, in den ehemaligen Kolonien wie in London. Darüber hinaus werden Zeitungsartikel, wissenschaftliche Zeitschriften und Gesetze in die Analyse einbezogen. Swartz ist sich der Tatsache bewusst, dass in kolonialen Archiven die Stimmen von den geschulten Kindern kaum zugänglich sind. Auch wenn es Schriften von Kindern gibt, werden sie oft von den an sie gestellten Erwartungen bestimmt. Nichtdestotrotz gelingt es ihr, die Quellen gegen den Strich zu lesen, um die Erwartungen und Erfahrungen von kolonialen Kindern herauszuarbeiten.

Das Buch ist in acht chronologisch angelegte Kapitel unterteilt. Das erste Kapital, das zugleich eine Einführung ist, stellt die methodischen und theoretischen Grundlagen des Buches vor und ist recht allgemein gehalten. Verallgemeinerungen ziehen sich aber auch durch das gesamte Buch. Im zweiten Kapital zeigt sie anhand des sogenannten ‚Negro Education Grant‘ (1835-45) in den westindischen Kolonien, wie die damalige Bildungspolitik in der Metropole Einfluss auf die Kolonien hatte und wiederum, wie koloniale Expansion auch den Diskurs über Bildungspolitik in Großbritannien beeinflussen konnte.

Kapital 3 widmet sich verschiedenen Maßnahmen, u.a. Schulen, die in der Kolonie Western Australien hauptsächlich in den 1830er und 1840er geschaffen wurde, um die indigene Bevölkerung gleichzeitig zu ‚schützen‘ und zu ‚zivilisieren‘. Die Foki dieses Kapitals liegen auf den Verbindungen wie dem Spannungsverhältnis zwischen Land, Erziehung und Raum, und der Frage, wie diese Faktoren die Bildung von „Miscegenation Theories“ beeinflussten. Ähnliche Themen finden sich auch im Kapital 4, das die Provinz Natal der 1850er und 1860er Jahren behandelt. Dort wurde Bildung für die afrikanische Bevölkerung zwar gewünscht, aber gleichzeitig herrschte seitens der Siedler die Befürchtung, dass zu viel Bildung ein Wunsch zur Emanzipation unter den Afrikanerinnen und Afrikaner verursachen konnte. Mit diesen zwei Beispielen zeigt Swartz auf, wie Bildung für indigene Bevölkerung in verschiedenen Kontexten maßgeschnitten war. In Western Australien dachte man, dass sie vom Aussterben bedroht war und deswegen nur wenig bildungspolitische Maßnahmen unternommen worden waren. Zudem stellte man die Afrikanerinnen und Afrikaner in Natal als nicht fähig dar, zivilisiert zu werden und dienten ausschließlich Arbeitskraft. Deswegen war eine Bildungspolitik, die die Wünsche der Siedler unterstützten, eingeführt worden.

Im Mittelpunkt der nächsten zwei Kapital stehen Individuen, die in mehreren Kolonien tätig waren. In Kapital 5 wird die Arbeit von Sir George Grey, der die Bildungspolitik für die maorische Bevölkerung Neuseelands im Kap und Natal (Südlich Afrika) umsetzten, untersucht. Eine Hauptfigur Kapital 6 ist Florence Nightingale, die in den 1860er-Jahren Daten von Schulen in mehreren Kolonien erhoben hat, um die Wirkung des Zivilisatisierungsbestrebens auf die Kinder zu eruieren. Kapital 7 zeigt, wie der Diskurs über Schulpflicht in Großbritannien in den 1870er-Jahren die kolonialen Bildungspolitiken beeinflussen konnte und wie die Vorstellung von Familie, ‚Rasse‘, Kindheit, Erziehung und Zivilisation darin einfloss. Kapital 8, zugleich das Schlusskapitel, resümiert wie die Bildungspolitik in Großbritannien, aber auch in den verschiedenen Kolonien dazu beitrug, dass eine ‚rassistische‘ Schulpolitik nur begrenzte Bildungsmöglichkeiten für indigene Bevölkerungen bot. Die Folgen sind noch heute zu spüren (S. 242).

Das Buch bietet doch viel mehr als ein Einblick in der Bildungspolitik der britischen Kolonen. Es zeigt auf, wie Konzepte von ‚Rasse‘, Erziehung, Kindheit, Arbeit und Zivilisation von Erwartungen und Vorstellungen der Kolonialisten, humanitären Kreisen und den jeweiligen Regierungen in verschiedenen kolonialen Kontexte beeinflusst wurde, aber auch wie wichtig in der ‚New Imperial History‘ politische Prozessen wie Bildung für die Konstruktion von Konzepten wie Gender, Kultur, und ‚Rasse‘ waren.

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16.07.2021
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