Indem Meere ansonsten voneinander getrennte Räume verbinden, erzeugen sie neue Räumlichkeiten, die sich seit der Frühen Neuzeit eng mit den Dynamiken von Globalisierung und Deglobalisierung verbinden. Folgerichtig ist die maritime Geschichte eng mit der modernen Globalgeschichte verknüpft und erfreut sich im Zuge des aktuellen Aufschwungs der globalhistorischen Forschung selbst eines steigenden Interesses. Dennoch ist weiterhin eine starke Tendenz zu einem „Terrazentrismus“ zu beobachten. Das Postulat, dass Globalität aus Salzwasser erwachsen ist (Felipe Fernández-Armesto, 2004), hat noch nicht dazu geführt, dass der maritimen Perspektive in der Globalgeschichtsschreibung eine Leitfunktion zuerkannt wird. Zugleich werfen die meeresökologischen Krisen des Anthropozäns die Frage danach auf, ob es nicht auch einer planetaren Perspektive bedarf, um die existenziellen Bedrohungen für das Leben in den Meeren und in den gefährdeten Küsten- und Inselgesellschaften historisch einzuordnen.
Vor diesem Hintergrund widmet sich die Jahrestagung 2025 der Gesellschaft für Globalgeschichte an der FernUniversität in Hagen der maritimen Globalgeschichte. In einem breiten historischen wie interdisziplinären Rahmen sollen unterschiedliche Aspekte dieses Forschungsfelds ausgeleuchtet und diskutiert werden. Ziele sind ein Austausch der mitunter recht disparaten Forschungszusammenhänge, neue Verknüpfungen bestehender Forschungen mit einer maritimen Perspektive wie auch die Debatte zwischen verschiedenen Fachkulturen und das Entwickeln neuer Ideen aus einer maritimen Perspektive. In diesem Sinne sind Beiträge zu folgenden Themenschwerpunkten willkommen:
Konzepte und Theorien
Welchen Platz haben maritime Räume und Beziehungen in den großen historischen Theorien und Meta-Narrativen? Welche innovativen Zugänge zur maritimen Geschichte bieten sich an beziehungsweise lassen sich aus der maritimen Geschichte für die Globalgeschichte ableiten? Welche Perspektiven interdisziplinärer Forschung eröffnen sich?
Maritime Geschichte als Verflechtungs- und Beziehungsgeschichte
Welche interkulturellen Beziehungen sind primär aus der verbindenden Funktion maritimer Räume hervorgegangen? Wie entstanden und wandelten sich spezifisch maritime Kultur- oder Gesellschaftsformen wie Küsten- und Inselgesellschaften? Welche spezifisch maritimen Verflechtungsstrukturen bildeten sich heraus? Welche Beziehungen zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Akteuren haben sich in marinen Räumen konstituiert? Wie haben Akteure in ihrem wechselseitigen Mit- und Gegeneinander historische Veränderungen auf und in den Meeren hervorgebracht? Inwieweit haben die Meere selbst als Akteure Geschichte mit ausgeformt?
Leben mit und auf dem Meer
Welche spezifischen Strukturen bildeten litorale Gesellschaften aus? Welche grenzüberschreitenden Orientierungen wiesen diese auf? Auf welche Weise prägten maritime Verflechtungen soziokulturelle, ökonomische oder auch politische Entwicklungen auf dem Land? Unter welchen Bedingungen entwickelten sich soziale Zusammenhänge auf dem Wasser? In welchen Beziehungen standen maritime Formen des Zusammenlebens einschließlich ihrer spezifischen Geschlechterkulturen mit Gesellschaften auf dem Land? Welche Bedeutung hatten maritime Berufsgruppen für gesellschaftsbildende Prozesse?
Wissen um Meere und Konstruktionen des Maritimen
Auf welchen Wegen wurde Wissen über die Meere generiert, legitimiert, autorisiert und kommuniziert? In welchen Interessenszusammenhängen wurde solches Wissen verwendet? Welche Formen der Transkulturation von Wissen bildeten sich aus? In welchen Medien waren die Meere in Gesellschaften auf dem Festland präsent? Welchen Einflüssen unterlagen mediale Konstruktionen und Repräsentation von Meeren? Welche Emotionen und Sehnsüchte verbanden Menschen mit dem Meer oder der Küste?
Geschichte in Zeiten bedrohter Meeresökosysteme
Wie kann, wie sollte die Geschichtsforschung auf die gegenwärtige Notlage der Meere (Erwärmung, Artensterben, Überfischung, Verschmutzung, Versauerung) reagieren? Wie verändert die zunehmende Aufmerksamkeit für die Bedingungen des Lebens und seines Erhalts auf dem Planeten klassische Perspektiven, Zugänge und Schwerpunktsetzungen der Globalgeschichte und der maritimen Geschichte?
Die Meere zwischen globaler und planetarer Geschichte
Verlangen der Klimawandel und das Anthropozän eine Abkehr von globalen und eine Hinwendung zu planetaren Perspektiven auf die maritime Geschichte? Kann eine solche planetare Geschichte allein in erdgeschichtlichen Epochenkategorien oder auch in kürzeren Zeitrahmen operieren? Was folgt aus der Auffassung von Menschen als geologisch veränderungsmächtigen Akteuren für die maritime Geschichte?
Die Veranstalter freuen sich über Beiträge im Umfang von ca. 30 Minuten zu den genannten Themenbereichen. Entsprechende Vorschläge werden bis zum 31. Oktober 2024 in Verbindung mit einem Abstract von ca. 300 Wörtern und einem Kurz-CV unter u. g. Kontaktadresse erbeten. Eine Mitteilung über die Annahme der Vorschläge wird bis zum 15. Dezember 2024 ergehen.