Seit den 1960er Jahren deuten sich quantitative und qualitative Veränderungen der internationalen Wanderungsströme an, die durch die einschneidenden sozialen Transformationsprozesse seit Ende der 1980er Jahre verstärkt wurden. Zunächst zeichnet sich das neue Zeitalter der Migration durch eine beachtliche quantitative Zunahme der internationalen Wanderungsströme aus. Um die Jahrtausendwende lebten ca. 150 Mio. Menschen außerhalb ihres Geburtslandes.
Davon waren etwa ein Viertel bis ein Drittel Flüchtlinge, die Mehrheit aber Arbeitsmigranten.
Förderlich für eine Zunahme und neue Qualität der Migration waren neben veränderten politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbesserte Transport- und
Kommunikationstechnologien, die Bildung und Expansion eines internationalen Arbeitsmarktes für hochqualifizierte Arbeitnehmer und das Entstehen so genannter Global Cities als Zentren internationaler Investitionen, Kommunikation, Produktion und Dienstleistungen.
Behauptet wird nun vom Mainstream der neuen Migrationsforschung, ein großer Teil der neuen Migration weiche vom idealtypischen und traditionellen Modell der Wanderung als eines einmaligen und in eine Richtung verlaufenden Ortswechsels ab. Bei der heutigen Migration
handele es sich zumindest teilweise um ein dauerndes Kommen und Gehen, das die Basis darstelle für einen zunehmend denationalisierten Kreislauf von Menschen, Informationen und Gütern. Auch in der Forschungsperspektive der transnationalen sozialen Räume/des „transnationalism“ wird von dieser zunehmenden Kontingenz der Migrationsbewegungen ausgegangen, allerdings werden gleichzeitig die weiterhin bestehenden verfestigten Migrationsmuster untersucht. Es wird hervorgehoben, dass sich stabile familiäre und nichtfamiliäre Netzwerke entwickeln, welche die Wirtschaftsaktivitäten und Lebensbedingungen in den Herkunfts- und Ankunftsregionen der Migranten immer stärker miteinander verschränken und sich dadurch beschleunigend auf die Wanderungsdynamik auswirken. Damit würden sich neue soziale Wirklichkeiten (Handlungsnormen, Kulturmilieus, Lokalökonomien, soziale Netze) herausbilden, welche die bisherigen Verflechtungsbeziehungen in den Herkunfts- und Ankunftsregionen transformieren und sich als neue Sozialräume zwischen und oberhalb dieser aufspannen.
Fokus der neuen Migrationsforschung sind also nicht mehr (jeweils in Isolation) die sozialen, kulturellen, politischen und ökonomischen Bedingungen in den Herkunfts- und Aufnahmeländern, sondern die sozialen Netzwerke und Migrationsketten innerhalb von Migrationssystemen. Die Kritik an diesem neuen Ansatz bestreitet hingegen, dass die Lebensläufe von Migranten zunehmend durch die Teilnahme an transnational verfassten sozialen Strukturen gekennzeichnet und daher multidirektional ausgerichtet seien. Sie weist daraufhin, dass die Mehrzahl der Migranten nach wie vor auf offenen Arbeitsmärkten nach Arbeit suche, in überschaubarer Frist eine Lohnangleichung an die Gruppe der Nichtzugewanderten erreiche und eine Integration in die jeweilige Gesellschaft des Ziellandes anstrebe. Die Präsenz „ethnischer Ökonomien“ zwischen Herkunfts- und Gastländern werde überschätzt. Fraglich sei auch, ob die neuen Netzwerke tatsächlich so stabil seien, dass sich die Zusammenhänge zwischen familiären, ökonomischen, politischen, rechtlichen etc. Teilnahmechancen an der Gesellschaft veränderten und sich damit den nationalstaatlichen Vermittlungen entzögen. Überdies seien soziale Netzwerke schon immer für das Ausmaß und den Verlauf von Migration von ausschlaggebender Bedeutung gewesen.
Jenseits dieser Projektion des Konzeptes „ transnationale soziale Räume“ auf Fragen der Migration sind weitere grenzüberschreitende soziale Netzwerke zu erkennen, die nichtstaatlich sind und auch in ökonomischer Hinsicht keine feste Institutionalisierung erfahren. So gibt es in Afrika, Asien und Lateinamerika Grenzregionen, in denen sich über die Grenzen der jeweiligen Länder hinweg soziale Räume entspannen oder die staatlichen Grenzen gar an Bedeutung einbüßen. Zudem lassen sich speziell in Afrika, aber auch im Nahen Osten informelle ökonomische transnationale Netzwerke beobachten. Hierbei kann es sich beispielsweise um legale Händler-Netzwerke, aber auch um illegale Aktivitäten, wie Schmuggelei, handeln.