Am Freitag, 17. April, und Samstag, 18. April 2015, wird an der Universität Wien der oben genannte Kongress veranstaltet. Über folgende sieben Themenkreise soll dabei referiert und diskutiert werden:
1. Das Meer – Theorien, Konzepte, Methoden
Während das Meer in ozeanographischer Sicht als Entität für sich betrachtet werden kann, können und müssen Meere in kultur- und sozialwissenschaftlicher Sicht als Kategorie in Relation zu Land gesehen werden. Schon allein durch das Übergewicht von Meeresflächen gegenüber Landflächen erhalten Landflächen generell den Charakter von Inseln. Die räumliche Dichotomie extreme großer Meeresflächen und begrenzter Landflächen, die damit verbundene Kategorie der Entfernung zwischen von Meeren getrennten Landflächen, die Notwendigkeit, das Meer befahrbar, überwindbar und damit für sich nutzbar zu erkennen, prägte die Menschheitsgeschichte entscheidend. Da die Meere eine Hürde auf dem Weg der globalen Erschließung für den Menschen darstellten, wurden sie lange und von vielen als Bedrohung wahrgenommen. Erst spät kam es beispielsweise in Europa zu einer Hinwendung zum Meer, die schließlich auch sozialpsychologisch und philosophisch hinterfragt wurde. Es wurde zur Projektionsfläche und zur Metapher, zum Wohnort der Götter und zum Ort, wo man vieles verschwinden lassen konnte. Ambivalenzen und Gegensätze kennzeichnen Zugänge zur Beschäftigung mit dem Meer, die kognitive, soziologische, räumliche, mythische und technische Aspekte beinhalten. Am Ende steht die Erkenntnis, dass wir über die Meere bis heute vergleichsweise wenig wissen.
2. Die „alte“ Schifffahrt – Die „modernen“ Verbindungen: Vom Unterwasserkabel zum Flugzeug
Die Versuche der Überwindung der Barriere „Meer“ begleiteten den Menschen bei seiner Durchdringung des gesamten Erdballs. Ursprünglich nur einfache Flöße, wurden die Transportmittel zur See immer ausgefeilter und auch immer größer und fähiger, große Mengen an Menschen und Material zu transportieren. Die ursprünglichen Ruderboote wurden sukzessive mit immer mehr Masten und Segeln versehen, die Kommunikation über das Meer beschleunigte sich zunehmend. Die ersten funktionsfähigen Dampfschiffe des 19. Jahrhunderts führten zu einer weiteren Beschleunigung des Transports über das Meer. Die Kommunikation verbesserte sich zudem durch die Verlegung der ersten Unterwasserkabel in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts, für Stefan Zweig eine der Sternstunden der Menschheit. Im 20. Jahrhundert sollte es dann zu einer weiteren Beschleunigung der Reise über das Meer kommen, dieses Mal durch die verschiedenen Flugzeugtypen. 1909 wurde erstmals in einem Flugzeug der Ärmelkanal überwunden, 1919 der Atlantik und im gleichen Jahr gelang der erste Flug mit Zwischenlandungen von England nach Australien.
3. Die Fremde der Ozeane – Das Meer als Heimat
Das Meer war vielen Menschen unheimlich. Besonders in europäischen Texten, die eine Seefahrt beschreiben, wurde immer wieder Gott angerufen, auf dessen Hilfe man zur See hoffte. Das Meer war auch deshalb geheimnisvoll und gefährlich, weil es von einer Fülle an seltsamen und unheimlichen Tieren bevölkert war. Dass manchmal auch Fabelwesen erwähnt wurden, liegt auf der Hand. Von riesigen Seeschlangen, Kraken und ähnlichen Wesen wurde am Meer immer wieder gesprochen, gesehen hat sie aber niemand. So wurde das Wort „wild“ zu einem Topos im Zusammenhang mit dem Meer. Immer wieder wurde es verwendet, um dessen Gefahren zu schildern. Für viele Menschen an den Küsten oder auf Inseln war das Meer dagegen Heimat, gewährte Nahrung, ermöglichte Kommunikation und bot auch Schutz vor Feinden, vor denen man sich auf das Meer flüchtete. Manche Menschen, beispielsweise im pazifischen Raum, verbrachten mehr Zeit zur See als auf dem Festland. Manche Städte, wie Venedig, verwandelten die Sumpflandschaften am Meeresstrand zu neuen Heimaten.
4. Inseln als „Stepping Stones“ – Die Migrationen über das Meer
Inseln waren und sind wichtige Stationen, um das Meer zu überqueren, zu erobern und zu dominieren. Sichtbar wird dies beispielsweise in der riesigen Inselwelt des Pazifiks oder in der auch nicht eben kleinräumigen Karibik. Inseln waren wichtige Basen auf der Suche nach neuen Ressourcen und ab der beginnenden europäischen Expansion ab dem 15. Jahrhundert häufig jene Bastionen, von denen aus die Portugiesen, Spanier, Franzosen, Niederländer und Engländer, aber auch Dänen und Schweden die angrenzenden kontinentalen Territorien zu dominieren versuchten. Inseln wurden so zu Einfallstoren in fremde Länder, aber auch, wie Ellis Island vor der US-amerikanischen Küste, zu Quarantänestationen für einwanderungswillige Menschen. Heute werden Inseln wie die Kanaren oder Pantelleria dagegen mit der „illegalen“ Migration in Verbindung gebracht oder, wie die australische Weihnachtsinsel und Nauru, als Internierungslager für einwanderungswillige Menschen missbraucht.
5. Katastrophen (Tsunamis, Vulkane, etc.)
Das Meer ist nicht nur wegen seiner Weite ein Ort gehäufter Katastrophen, sondern auch wegen seiner zahlreichen Naturphänomene. Vulkane zerstörten immer wieder ganze Inseln, wie Santorin im 2. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung, der Krakatau 1883 im heutigen Indonesien, der das Weltklima für Jahre beeinflusste, oder 1987 die Insel Montserrat in der Karibik. Dem Phänomen verdankt die Welt aber auch die Entstehung vieler neuer Inseln wie 1967 Surtsey vor der isländischen Küste. Verbunden mit Vulkanausbrüchen und Unterwasserbeben sind auch immer wieder Tsunamis, die weite Küstenstrecken in Schutt und Asche legen. Historische Beispiele für Tsunamis gibt es viele, so Lissabon 1755, aber auch viele zeitgenössische Fälle, wie Indonesien 2004 und Japan 2011. Schließlich sind es auch die vielen Sturmwinde mit ihren unterschiedlichen Namen wie Hurrikane oder Taifune, die Inseln und Festländer verwüsten und so die Katastrophen noch vermehren. Die Zerstörung von New Orleans 2005 ist hier nur eines der letzten besonders schweren Ereignisse.
6. Geopolitische Konzepte und Konflikte um Inseln
Mit der Entstehung des an der Schnittstelle zwischen Geographie und Politik angesiedelten Faches der Geopolitik zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelangten die Ozeane als operativer Raum für die Umsetzung von Machtpolitik ins Zentrum einschlägiger Fachdiskussionen. Während beispielsweise Harold Mackinder mit seinen Theorien die britische (Übersee-)Politik mitbestimmte, war es Alfred Thayer Mahan, der mit seinen Konzepten zur Kontrolle der Meere und der Rolle von strategisch günstig positionierten Inseln die massive US-amerikanische Flottenrüstung entscheidend beeinflusste und damit Amerikas dominierende Rolle im 20. Jahrhundert. mitbestimmte. Aber auch Karl Haushofer und andere sahen die Kontrolle über Seewege als entscheidenden Punkt, Einfluss auf globalpolitische Entwicklungen nehmen zu können. Der Bogen lässt sich bis in die Gegenwart zu den (umstrittenen) Konzepten von z.B. Henry Kissinger, Zbigniew Brzeziński, Samuel Huntington u.a. sowie zu jenen Forschern spannen, welche Geopolitik als Konzept und Handlungsanweisung genauer untersuchen. Inseln spielten dabei immer insofern eine besondere Rolle in den strategischen geopolitischen Überlegungen, als sie als natürliche Flugzeugträger, Vorfeld und Abwehrbereich, aber auch als Erweiterung der jeweiligen EEZs (Exclusive Economic Zones) von entscheidender Bedeutung waren und sind.
7. Mythen und Metaphern (Seeungeheuer, „Bermudadreieck“, etc.)
„Das Meer ist keine Landschaft, es ist das Erlebnis der Ewigkeit, des Nichts und des Todes, ein metaphysischer Traum“, so lautet Thomas Manns Versuch, das Unfassbare zu beschreiben. Das Meer hat seit jeher mehr Misstrauen als Begeisterung hervorgerufen, war immer mehr Bedrohung als Sehnsuchtsort. Shakespeare lässt eine seiner Figuren in Bezug auf das Meer sagen: „Die Hölle ist leer, alle Teufel sind hier!“ („Hell is empty, all the devils are here!“ – The Tempest, 1611). In Literatur oder Bildender Kunst kommt es meist im Zusammenhang mit Abenteuern oder Katastrophen vor: Seeungeheuer wetteifern mit Sturm und Wellen und mit der Grausamkeit der Menschen. Die Mythen von Atlantis und dem Bermudadreieck beflügeln unsere Phantasie und wir spüren Angst und Sehnsucht zugleich bei dem Gedanken, auf einer einsamen Insel zu stranden.
In jeder dieser sieben Sektionen gibt es eine zehn-minütige Einleitung sowie zwei Referate in der Länge von je 20 Minuten und daran anschließend eine Diskussion im Umfang von 40 Minuten.
Interessentinnen und Interessenten werden gebeten,
1. bis zum 1. April 2014 Themenvorschläge samt einem Konzept im Umfang von 5000 Zeichen (Leerzeichen inklusive) an friedrich.edelmayer@univie.ac.at zu senden;
2. die Papers im Umfang von maximal 50.000 Zeichen bis 1. März 2015 abzugeben. Es können also nicht die vollständigen Texte vorgetragen werden, doch werden diese allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Kongresses vorweg zur Verfügung gestellt, damit die Diskussion möglichst fruchtbringend sein kann.
Die einzelnen Beiträge sollen noch 2015 in einem Sammelband publiziert werden. Bitte verwenden Sie für Ihre Anmerkungen den Chicago-Style: http://www.chicagomanualofstyle.org/tools_citationguide.html
Für den Kongress in Wien können derzeit keine Reise- und Aufenthaltskosten zugesagt werden, doch werden keine Kongressgebühren verlangt werden. Weitere Informationen folgen im April 2014, wenn die Beiträge zu den einzelnen Sektionen fixiert sind.