Alltag im Zweiten Weltkrieg transnational

Alltag im Zweiten Weltkrieg transnational

Veranstalter
Professur für Neuere Geschichte Osteuropas, Georg-August-Universität Göttingen
Veranstaltungsort
Kulturwissenschaftliches Zentrum
Ort
Göttingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
08.06.2018 - 09.06.2018
Von
Borkowski-Saruhan, Martin; Hassink, Jan

Während des Zweiten Weltkriegs gerieten zeitweise bis zu 200 Millionen Menschen in ganz Europa unter deutsche Besatzung. Das Leben unter Besatzung ist damit eine grundlegende europäische Erfahrung im 20. Jahrhundert. Lange Zeit verstellten nationalstaatlich überformte Narrative von Kollaboration und Widerstand den Blick auf die Vielstimmigkeit der Alltagserfahrungen in Krieg und Besatzung, die in ihrer Ambivalenz und Dynamik eindeutige Kategorisierungen häufig unterliefen. Jüngere Forschungen legen demgegenüber verstärkt den Fokus auf soziale Beziehungen und Interaktionen innerhalb von Besatzungsgesellschaften, die sich insbesondere in Alltagspraktiken manifestierten. Dieser Paradigmenwechsel hin zu individuellem Kriegserleben verfolgt eine historiographische Pluralisierung jenseits sinnstiftender Meistererzählungen. Der Blick auf die Akteure und ihre individuellen Handlungsoptionen und -zwänge verweist zudem auf die transnationale Dimension des Phänomens Besatzung. Diese bedingt gleichzeitig eine Forschungspraxis, die die Grenzen nationaler Erinnerungsgemeinschaft transzendiert.

Auf dem Workshop werden aktuelle Forschungsprojekte vorgestellt und diskutiert, die das Thema anhand konkreter Lebensbereiche wie Sport, Arbeit und Fürsorge beleuchten. Die Repräsentation ganz unterschiedlicher Untersuchungsräume ermöglicht es darüber hinaus, Besatzung jenseits einer erkenntnisverstellenden Trennung der Kriegsschauplätze in Ost und West als gesamteuropäische, transnationale Erfahrung des 20. Jahrhunderts zu untersuchen. Die Keynote-Speech von Alf Lüdtke setzt den Begriff des Eigensinns in Beziehung zu Alltagspraktiken im Zweiten Weltkrieg und lädt zu einer Reflexion über dessen Potenziale und Grenzen sowie Wege seiner Operationalisierung ein.

Der Workshop ist Teil des DFG-Projekts „Alltag im Krieg jenseits von Kollaboration und Widerstand: Sport und Gewalt in den von Deutschland besetzten Gebieten während des Zweiten Weltkriegs in Ost- und Westeuropa“ unter der Leitung von Prof. Dr. Anke Hilbrenner, Professur für Neuere Geschichte Osteuropas an der Georg-August-Universität Göttingen.

Programm

Freitag, 8. Juni 2018, Raum 0.602

9.30-10.00
Begrüßung und thematische Einführung

10.00-10.45
Vortrag: Dmytro Tytarenko (Donezk-Krivoy Rog)

10.45-11.15
Kaffeepause

11.15-13.00
Panel 1: Begegnungen und (Aus-)Handlungen

Byron Schirbock (Köln): Besatzeralltag(e). Die deutsche Okkupation Frankreichs im Zweiten Weltkrieg, 1940-1944

Agnes Laba (Wuppertal): Alltag unter deutscher Besatzung aus einer geschlechtergeschichtlichen Perspektive betrachtet. Die Beispiele Frankreich und Polen

Gregor Feindt (Mainz): Alltag fernab des Krieges? Leben und Arbeiten in Bat’as Zlín während des Zweiten Weltkriegs

Kommentar: Anke Hilbrenner (Göttingen)

13.00-14.30
Mittagspause

14.30-16.15
Panel 2: Sport und Eigensinn

Jan Hassink (Göttingen): Germanisierung und Eigensinn. Sport im Elsass unter der deutschen Besatzung während des Zweiten Weltkriegs

Martin Borkowski-Saruhan (Göttingen): Volkstum, Alltag, Eigensinn. Sport und Gewalt in Ostoberschlesien unter der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg

Jan Kleinmanns (Bonn): Die ersten Momente einer neuen Diktatur. Sportöffentlichkeit, Alltag und Eigensinn in der SBZ und der jungen DDR

Kommentar: Bernd Reichelt (Ulm)

16.15-16.45
Kaffeepause

16.45-18.15
Keynote: Alf Lüdtke (Erfurt)

Samstag, 9. Juni 2018, Raum 2.636

9.15-11.00
Panel 3: Fürsorgehandeln und Alltagszwang

Daniel Hadwiger (Tübingen): „Den Kanonen der Wehrmacht folgen die Gulaschkanonen der NSV“. Nationalsozialistische Fürsorge im besetzten Nordfrankreich 1940/41

Radka Šustrová (Prag): Social policy in Nazi-occupied Bohemia and Moravia

Thomas Somló (Heidelberg): Das System des militärischen Arbeitsdienstes in Horthys Ungarn 1939-1944 — jüdische Alltagserfahrungen als „Muszos“ der ungarischen Armee

Kommentar: Dmytro Tytarenko (Donezk-Krivoy Rog)

11.00-11.30
Kaffeepause

11.30-12.30
Abschlusskommentar: Kerstin Bischl (Göttingen) und Diskussion

Kontakt

Jan Hassink

Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte

jan.hassink@uni-goettingen.de

https://www.uni-goettingen.de/de/408576.html