Forschungsdaten in den Area Histories: der Fachinformationsdienst Lateinamerika, Karibik und Latino Studies und die NFDI4Memory

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Christoph Müller, Ibero-Amerikanisches Institut Preußischer Kulturbesitz

Ob bei der Arbeit im Archiv, bei der Feldforschung oder bei der Nutzung von Datenbanken – Forschungsdaten spielen eine zentrale Rolle in jedem Forschungsvorhaben. Im Rahmen der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) entsteht derzeit eine Dateninfrastruktur für die deutsche Wissenschaft. Das Konsortium NFDI4Memory ist dabei für die historisch orientierten Disziplinen zuständig und arbeitet etwa zu Datenqualität, Metadatenstandards oder Datenverlinkung, es möchte aber auch die historische Quellenkritik ins digitale Zeitalter übersetzen und eine neue Datenkultur fördern. Das Research Centre Global Dynamics der Universität Leipzig widmet sich dabei den Besonderheiten, die sich für das Forschungsdatenmanagement in den Area Histories ergeben, und diskutiert die rechtlichen, ethischen und technischen Dimensionen, die zu berücksichtigen sind, wenn Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in oder zu anderen Ländern und Weltregionen forschen und dort Daten für ihre Forschung erheben oder nutzen. Ein Workshop im Frühjahr 2024 brachte Vertreter und Vertreterinnen der areabezogenen Fachinformationsdienste sowie der NFDI4Memory zusammen, um die spezifischen Bedarfe der Area Histories herauszuarbeiten sowie die Zusammenarbeit und jeweiligen Zuständigkeitsbereiche von NFDI und FID zu diskutieren. Diese Artikelserie hält die zentralen Erkenntnisse dieses Gesprächs fest und wird zunächst die Arbeit der Fachinformationsdienste auf dem Gebiet der Forschungsdaten in den Fokus nehmen. In diesem Artikel stellt der FID Lateinamerika, Karibik und Latino Studies seine Arbeit und Angebote im Bereich der Forschungsdaten vor.

Der seit 2016 durch die DFG geförderte und vom Ibero-Amerikanischen Institut (IAI) Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) getragene Fachinformationsdienst (FID) Lateinamerika, Karibik und Latino Studies bietet nachfrageorientierte Dienstleistungen im Rahmen der Versorgung der Wissenschaft mit Literatur und Informationsressourcen zu Lateinamerika, der Karibik und deren transregionale Verflechtungen aus allen Ländern und in allen Sprachen. Er schafft organisatorische und technische Strukturen, die es gewährleisten, dass interessierte Wissenschaftler*innen auf diese Informationsressourcen schnell und komfortabel zugreifen und darüber hinaus ihre konkreten Bedarfe melden können. Er richtet sich an ein breites Spektrum unterschiedlicher Fachcommunities. Dabei stehen die geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen im Zentrum. Die Dienstleistungen des FID können aber von Wissenschaftler/innen aller Disziplinen, die sich mit der Region und ihren transregionalen Verflechtungen beschäftigen, genutzt werden.

Neben der Versorgung mit und nachhaltigen Zugänglichmachung von Informationsressourcen in analoger und digitaler Form sieht es der FID als seine Aufgabe neue Formate des Austauschs mit den Fachcommunities sowie für Wissenschaftler/innen untereinander zu entwickeln, zu erproben und zu etablieren. Der aktive Austausch des FID mit den Fachcommunities schafft die Basis, sowohl aktuelle Bedarfe zu erfüllen als auch für die Informationsbedarfe der Zukunft Vorsorge zu treffen. Durch die Vereinfachung des Austauschs von Wissenschaftler/innen unterschiedlicher disziplinärer und regionaler Perspektive ermöglicht der FID neue, zukunftsweisende Kooperationen und trägt er zur Weiterentwicklung der Forschung zu Lateinamerika, der Karibik und deren transregionalen Verflechtungen bei.

Services

Mit der Erwerbung von Informationsressourcen deckt der FID den wissenschaftlichen Spezialbedarf vorrangig mit elektronischen Medien, um einen standortunabhängigen Zugriff zu ermöglichen. Die zentrale Komponente ist dabei der projektbezogene Erwerbungsservice, der es Forschungsprojekten ermöglicht, die benötigte Literatur über den FID erwerben und bereitstellen zu lassen. Dieses Angebot umfasst neben der Beschaffung auch Beratungsleistungen und bei Bedarf eine sogenannte FID-Direktausleihe, mit der analoge Informationsressourcen den Projekten direkt zur Verfügung gestellt werden. Eine bedarfsbezogene Erwerbung ist aber auch im Einzelfall über ein spezielles Formular auf der Internetseite des FID möglich.

Ein weiterer Bestandteil der Informationsversorgung sind die umfangreichen Recherchemöglichkeiten des Discovery-Systems IberoSearch mit denen gleichzeitig zahlreiche Datenquellen durchsucht werden können, darunter auch den Online-Katalog (OPAC) und die digitalen Sammlungen des IAI.

Darüber hinaus hat der FID verschiedene Datenbanken mit Lateinamerika- und Karibikbezug lizenziert. Diese können im Remote-Zugriff genutzt und im Volltext durchsucht werden. Sie wurden gemeinsam mit dem DFG-geförderten Kompetenzzentrum für Lizenzierung (KfL) erworben und sind beim Datenbank-Informationssystem (DBIS) nachgewiesen. Einzige Voraussetzung für den Zugriff auf die lizenzierten Datenbanken ist ein kostenloser Nutzendenausweis der Bibliothek des IAI, der von überall auf der Welt über ein Formular auf der Website erworben werden kann.

Analoge Materialien der Bibliothek und der Sondersammlungen des IAI werden bei Bedarf unter Berücksichtigung der Schranken des Urheberrechts kostenlos digitalisiert und für den privaten und wissenschaftlichen Gebrauch bereitgestellt.

Alle Dienstleistungen des FID sowie weitere Informationen sind im Portal LACARinfo 1 zusammengefasst zugänglich. Dazu gehören neben den bereits Genannten eine Pinnwand für aktuelle Mitteilungen aus den Fachcommunities; ein Blog mit Beiträgen über die Dienstleistungen, die bereitgestellten Datenbanken und elektronischen Ressourcen oder besondere Neuzugänge im Bestand; mehrere Themenportale, in denen themenspezifisch Materialien und Informationen zu Tagungen, Projekten und Publikationen und zur spezifischen Forschungslandschaft im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus angeboten werden.

Für den nationalen und internationalen Austausch und die Vernetzung der Wissenschaftler/innen zentral ist die Expert/innen-Datenbank LACARred 2. Darin können sich interessierte Wissenschaftler/innen persönliche Profile anlegen, die mit ihrem jeweiligen ORCID-Konto verknüpft sind. Dadurch wird eine Informationsbasis für Recherchen z.B. nach Forschungsinteressen und -projekten, nach disziplinären und regionalen Perspektiven sowie institutionellen Schwerpunkten ermöglicht, die eine wichtige Grundlage für Vernetzungsprozesse der Wissenschaftler/innen, die zu Lateinamerika, der Karibik und deren transregionalen Verflechtungen arbeiten, bildet.

Herausforderungen

In der Arbeit des regional ausgerichteten und viele verschiedene Disziplinen unterstützenden FID ergeben sich unter anderem zwei zentrale Herausforderungen an moderne forschungsunterstützende Dienstleistungen: Digitalisierung und Forschungsdatenmanagement.

Im Bereich der Digitalisierung von Materialien aus der Bibliothek oder aus den Sondersammlungen wie Fotos, Nachlassmaterial und Landkarten gibt es etablierte technische Lösungen und Angebote, die auch im FID umfangreich eingesetzt und zur Verfügung gestellt werden. Für die Analog-Digital-Wandlung solcher zweidimensionalen Objekte stehen spezifische Scanner und Plattformen zur Präsentation, kollaborativen Erschließung und Bearbeitung sowie auskömmliche und hochperformante Speicherinfrastrukturen zur Verfügung. Darüber hinaus wurden im Kontext der Digital Humanities digitale Werkzeuge und Methoden entwickelt, die es ermöglichen, im Forschungsprozess Bild- und Textinformationen digital zu erschließen und wissenschaftlich zu analysieren und zu kategorisieren. Durch die mittlerweile im Digitalisierungsprozess zum Standard gehörende und immer besser funktionierende OCR-Erfassung von gedruckten Texten, die immer mehr Sprachen und unterschiedliche Schriftarten zuverlässig erkennen kann, werden die Möglichkeiten der digitalen Analyse und auch des Einsatzes von auf künstlicher Intelligenz basierenden Systemen stetig erweitert. Besonders für text- und bildbezogene Disziplinen wie die Geschichtswissenschaft, die Literatur- und Sprachwissenschaft oder auch die Kunstgeschichte ist diese Analog-Digital-Wandlung, die oft auch Retrodigitalisierung genannt wird, von großer Bedeutung, macht sie doch häufig in analoger Form schwer zugängliche Informationsquellen unabhängig von Zeit und Ort sichtbar, zugänglich und nutzbar.

Trotz der umfassenden, weitentwickelten und häufig auch spezifisch angepassten technischen Lösungen, trotz der weitverbreiteten Standards für Datenformate, Metadaten und Bildqualität und trotz der etablierten organisatorischen und kommunikativen Verfahren zwischen Artikulation von Bedarfen seitens der Wissenschaft und Erfüllung durch die Bibliotheken, gibt es eine Reihe von Herausforderungen im gesamten Digitalisierungsprozess, für die noch Lösungen gefunden werden müssen.

Zentral ist dabei das Urheberrecht. In Deutschland dürfen Bibliotheken zwar ihre gesamten Bestände digitalisieren, sie dürfen diese aber erst 70 Jahre nach dem Tod der Autorin bzw. des Autors öffentlich zugänglich machen. Auch dann, wenn sie im Auftrag von Wissenschaftler/innen Digitalisate für deren privaten oder wissenschaftlichen Gebrauch anfertigen, dürfen sie nicht mehr als zehn Prozent des jeweiligen Werkes digital zur Verfügung stellen. Einen vollständigen digitalen Zugang zu retrodigitalisierten Materialien aus ihrem jeweils eigenen Bestand dürfen sie nur an vom Internet getrennten Terminals in ihrem eigenen Gebäude, ohne Druck- oder Downloadfunktion ermöglichen. Diesen deutschen urheberrechtlichen Regelungen ähnliche Bestimmungen gelten mehr oder weniger auf der ganzen Welt. Die zeitlichen Fristen und konkreten Beschränkungen können variieren, das Prinzip ist aber überall sehr ähnlich.

Für historisch arbeitende Wissenschaftler/innen erscheint das auf den ersten Blick nur ein sekundäres Problem zu sein, wurden und werden doch in den letzten Jahrzehnten riesige Mengen an historisch relevanten Informationsquellen vergangener Jahrhunderte digital „gehoben“ und zugänglich gemacht. Damit werden die Forschungsmöglichkeiten besonders in den historisch orientierten Disziplinen deutlich erweitert. Doch auch hier kann die zeitliche Beschränkung sehr hinderlich sein. Für zeitgeschichtliche Forschung stehen aktuell und noch für etliche Jahrzehnte quasi keine retrodigitalisierten Quellen zur Verfügung. Ausschließlich in dieser Zeit digital entstandene Quellen, für die seitens der Produzenten und Herausgeber durch Lizenzen entsprechende Nutzungsrechte eingeräumt werden, können von Bibliotheken für die wissenschaftliche Bearbeitung mit digitalen Analysewerkzeugen zur Verfügung gestellt werden. Ähnlich verhält es sich auch bei Werken der Sekundärliteratur, die nur in analoger Form vorliegen. Eine Lockerung der urheberrechtlichen Schranken wird seitens der Bibliotheken und der Wissenschaft angestrebt. Die in den vergangenen Novellen des Urheberrechts gemachten Erfahrungen lassen jedoch erwarten, dass dafür ein weiterer, voraussichtlich langwieriger politischer Prozess erforderlich sein wird, den Bibliotheken und Wissenschaft gemeinsam begleiten und gestalten sollten.

Für einen FID wie den FID Lateinamerika, Karibik und Latino Studies, dessen zentrales Interesse die Erfüllung von Bedarfen nach Literatur und Informationsquellen seitens der Wissenschaft ist, bedeutet dies eine deutliche Beschränkung seiner Möglichkeiten. Die Mitarbeitenden des FID finden entweder lizenzierte, kostenpflichtige Angebote von Verlagen oder Datenbankanbietern, die Materialien, die in den letzten Jahrzehnten veröffentlicht wurden, digital anbieten, und verhandeln entsprechende Zugriffsmöglichkeiten für die Fachcommunities des FID. Oder sie können die Bedarfe nach diesem Material nicht bzw. im Umfang nur sehr eingeschränkt anbieten. Dieser Umstand und sein urheberrechtlicher Hintergrund hat außerdem einen intensiven Beratungsbedarf zur Folge, dem der FID mit entsprechenden Angeboten begegnet. Die Dienstleistung einer Digitalisierung on Demand wird weiterhin kostenlos und im Rahmen des Urheberrechts angeboten und in Zukunft deutlich ausgeweitet. So ist es nun möglich, nicht nur einzelne Kapitel oder Auszüge aus Büchern zur Digitalisierung zu bestellen, es kann auch die Digitalisierung ganzer Textkorpora urheberrechtsfreier Publikationen und Informationsquellen beauftragt werden.

Neben dieser zentralen rechtlichen Beschränkung der Digitalisierung ist die Frage der Datenmenge und der kurz- und langfristigen Speicherung der Digitalisate und digitalen Objekte sowie deren Metadaten eine nicht weniger bedeutende technische Herausforderungen, der sich Bibliotheken aber auch Archive, Dokumentationszentren und Museen in gleicher Weise stellen müssen. Um die Qualität der Bilddateien und der Volltexte so hoch wie möglich zu halten und die Auffindbarkeit und Zugänglichkeit der digitalen Objekte in möglichst umfassender Weise zu gewährleisten, haben sich in den vergangenen Jahrzehnten der Digitalisierung internationale Standards herausgebildet. Diese erfordern gemeinhin das Scannen in einer gewissen Auflösung (je nach Materialart zwischen 300 und 600 dpi, teilweise sogar noch höher), das Abspeichern der originalen Masterscans als unkomprimierte TIFF-Dateien, die Bereitstellung von Präsentationsderivaten in verschiedenen niedrigeren Auflösungen im JPG-Format, um in der Präsentation verschieden Ansichten zu ermöglichen, und detaillierte Metadatensets mit bibliografischen, strukturellen, technischen und rechtlichen Metadaten. Bei Hundertausenden von Objekten und Millionen von Seiten kommen hier riesige Datenmengen zusammen, die einerseits für einen komfortablen Zugriff schnell und stabil zugänglich gehalten und andererseits dauerhaft (langzeit-)gesichert werden müssen, damit sie als Informationsquellen auch zitierfähig sind und die großen Investitionen in Personal und Technik nicht wiederholt werden müssen. Die dafür nötigen Speicherinfrastrukturen müssen permanent vorgehalten und entsprechend dem Zuwachs an neuen digitalen Objekten erweitert werden. Gleichzeitig steigt der Energieverbrauch für den Betrieb und besonders die Kühlung der Rechenzentren, so dass die Energiekosten bei steigenden Temperaturen und steigenden Energiekosten zu einem immer größeren, bisher aber oft noch vernachlässigten Kostenfaktor der Digitalisierung werden.

Für den FID Lateinamerika, Karibik und Latino Studies als ein regional und multidisziplinär ausgerichteter FID kommt noch hinzu, dass die diversen nationalen und institutionellen digitalen Sammlungen in der Region und zu der Region grundsätzlich als Informationsressourcen für die verschiedenen Fachcommunities des FID zu berücksichtigen sind. Daher müssen Informationen über die jeweiligen Inhalte der Sammlungen zusammengetragen und bedarfsgerecht aufbereitet werden. Außerdem arbeitet der FID daran, Kooperationen mit den jeweiligen Institutionen zu initiieren, um verteilt gesammelte und bereitgestellte Sammlungen digital zusammenzuführen und gemeinsam neue digitale Sammlungen aufzubauen.

Bei allen Vorzügen der Digitalisierung für die Verfügbarmachung und wissenschaftliche Nutzung retrodigitalisierter Informationsquellen und der elektronischen Publikation von Forschungsergebnissen stellt sich angesichts der Datenmenge und der mit ihrer Speicherung und Bereitstellung verbundenen Kosten die Frage, inwieweit eine teilweise unsystematische und zwischen den Institutionen unabgestimmte Digitalisierung auf der einen Seite und eine vollständige Speicherung aller Digitalisate in höchster Auflösung und unkomprimierter Form auf der anderen Seite auf Dauer technisch realisierbar und finanzierbar sein wird. Vielmehr sollte der bereits bestehende Austausch zwischen Wissenschaft und Bibliotheken, Archiven, Dokumentationszentren und Museen weiter intensiviert werden, um gemeinsam Schwerpunkte für zukünftige Digitalisierungsprojekte zu entwickeln und eine Abstufung der Qualitätsansprüche bei der mittel- und langfristigen Speicherung von digitalen Objekten – sowohl der retrodigitalisierten als auch der digital entstandenen – abzustimmen, um Speicherkapazitäten effizienter und wirtschaftlicher zu betreiben.

Diese Überlegungen führen automatisch zum zweiten großen Komplex, der Bibliotheken und die von ihnen getragenen FID und die Wissenschaft gleichermaßen vor neue Herausforderungen stellt: Forschungsdaten und Forschungsdatenmanagement. Auch in diesem Kontext sind die Ausgestaltung einer stabilen und performanten technischen Infrastruktur, ihre Dimensionierung und ihre Betriebskosten von entscheidender Bedeutung. Hinzu kommt, dass Forschungsdaten in ihren Datenformaten je nach Disziplin sehr stark variieren können. Daher ist eine Standardisierung der Formate und der formalen und inhaltlichen Beschreibung dieser Daten nicht in dem Maße möglich, wie es bei mehr oder weniger gleichförmigen retrodigitalisierten Objekten oder elektronischen Publikationen möglich ist. Zwar sind in historisch und/oder text- bzw. bildbasiert arbeitenden Disziplinen retrodigitalisierte Texte und Bilder selbstverständlich auch als Forschungsdaten zu verstehen. Sobald es sich aber um Geodaten, Messdaten oder komplexe Statistikdaten und deren Auswertungen geht, sind die Anforderungen an spezifische Präsentations- und Interpretationssysteme ungleich höher als beispielsweise bei retrodigitalisierten Texten im JPG-Format. Die Heterogenität der Daten, teilweise innerhalb einer Disziplin als Ergebnis des Einsatzes unterschiedlicher Methoden und Techniken, erschwert häufig auch die Interoperabilität und den Datenaustausch, da Schnittstellen spezifisch konfiguriert werden müssen. Damit steigen die Anforderungen an die Kompetenzen in Bibliotheken und den von ihnen getragenen FID bzgl. Datenformaten und technischen Infrastrukturen, denen nur mittelfristig mit Fort- und Weiterbildung, intensive Zusammenarbeit mit der Wissenschaft und schließlich auch Personalentwicklungsmaßnahmen begegnet werden kann und muss.

Heterogenität der Forschungsdaten gibt es auch in rechtlicher Sicht. Grundsätzlich gilt auch bei Forschungsdaten das Urheberrecht. Ein Urheberrechtsschutz gilt aber nur bei schöpferischen Leistungen, also bspw. bei Daten, die nach einem intellektuellen Prozess angereichert werden. Daten, die auf Fakten beruhen sind gemeinfrei. Werden die Daten in einem dienstlichen Abhängigkeitsverhältnis oder im Rahmen eines Drittmittelprojektes erstellt, kann der Dienstherr oder der Drittmittelgeber Nutzungsrechte an den Daten haben. Das berechtigt ihn, Festlegungen zu treffen, wo und in welcher Form die Daten zugänglichgemacht werden müssen.3 Darüber hinaus erfordern die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis, dass sich Wissenschaftler/innen bereits vor Beginn ihrer Forschungsarbeit auf ein Konzept zum Management ihrer Forschungsdaten festlegen.4 Aus praktischen Gründen und teilweise auch aus Unkenntnis von disziplinen- oder regionenspezifischeren Alternativen, nutzen sie dann oft die Infrastrukturen zur Speicherung und Zugänglichmachung ihrer Forschungsdaten, die die Institution, an der sie arbeiten, oder der jeweilige Drittmittelgeber unterhalten oder empfehlen. Dadurch kommt es immer wieder vor, dass thematisch ähnliche bzw. zusammengehörende Daten in unterschiedlichen Repositorien liegen, was sie teilweise unsichtbar macht, sofern sie nicht aufwendig über Metasuchen oder -portale virtuell zusammengeführt werden.

Den regional- und multidisziplinär ausgerichteten FID Lateinamerika, Karibik und Latino Studies stellt diese durch die Heterogenität der Formate und der Speicherinfrastrukturen und -orte, die mit der Anzahl der Staaten der von ihm abgedeckten Regionen multipliziert werden muss, vor die Herausforderung, Beratungsangebote zu schaffen, die nach Disziplinen, Datenformaten und Regionen organisiert sind. Der Aufbau einer eigenen Infrastruktur zur Speicherung und Zugänglichmachung von auf Lateinamerika, die Karibik und ihre transregionalen Verflechtungen bezogenen Forschungsdaten aus allen Disziplinen aufzubauen, erscheint nicht sinnvoll, da die Daten zum einen aus ihren disziplinären Kontexten gerissen würden und zum anderen eine weitere parallele Infrastruktur zu der bereits bestehenden Vielfalt an Infrastrukturen für das Forschungsdatenmanagement aufgebaut werden würde, was weder die Heterogenität der Daten und ihrer Zugänglichkeit abbauen würde, noch angesichts der hohen Kosten wirtschaftlich wäre.

Fachinformationsdienste und die Nationale Forschungsdateninfrastruktur

Vor dem Hintergrund der hier skizzierten Herausforderungen, denen aus Sicht des FID Lateinamerika, Karibik und Latino Studies seitens des Systems der Fachinformationsdienste und der sie tragenden Bibliotheken einerseits und der Wissenschaft andererseits in den nächsten Jahren zu begegnen sein wird, bekommt die im Aufbau befindliche Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI), im Kontext der historisch orientierten Forschung die NFDI4Memory, eine zentrale Bedeutung. In beiden Strukturen sind Systeme und Kompetenzen vorhanden bzw. werden diese aufgebaut, die sich komplementär ergänzen. In den FID werden Informationsressourcen bedarfsgerecht zusammengetragen, vorgehalten und zugänglich gemacht und Forschende spezifisch zu Fragen der Informationsversorgung beraten. In den NFDI arbeiten Wissenschaftler/innen an der Erarbeitung von Strategien und Konzepten zum Management von Forschungsdaten. Die vielfältigen Überschneidungen bzgl. der Daten, ihrer Formate, ihrer formalen und inhaltlichen Beschreibung und ihrer technischen Speicherung und Zugänglichmachung bieten zahlreiche Synergien, die in einer engen Abstimmung zwischen Bibliothekar/innen und Wissenschaftler/innen, die auf Augenhöhe und mit gegenseitiger Anerkennung der Kompetenzen, Erfahrungen und Bedarfe, gehoben und fruchtbar eingesetzt werden können, um effiziente und bedarfsgerechte Infrastrukturen und forschungsunterstützende Dienstleistungen aufzubauen.

Beide Seiten sollten aktiv aufeinander zugehen und sich jeweils bei Planungen und Entwicklungen gegenseitig einbeziehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Form der engen Zusammenarbeit und intensiven Kommunikation bei disziplinär ausgerichteten Fachinformationsdiensten, die mit der jeweiligen fachlichen NFDI kooperieren, wesentlich einfacher ist, als bei regionalen FID, die Kooperationspartner für eine ganze Reihe von NFDI sind. Dieser Umstand sollte aber keineswegs ein Hemmnis sein. Vielmehr sollten die FID ihre Kapazitäten für die Kooperation mit mehreren NFID entsprechend kalkulieren und dafür eine Förderung erhalten. Andererseits sollten die disziplinären NFDI aktiv auch mit den regionalwissenschaftlich ausgerichteten FID zusammenarbeiten. Nur so können Bedarfe nach forschungsunterstützenden Dienstleistungen seitens der Wissenschaft effizient artikuliert und bedarfsgerecht erfüllt werden und die Entwicklung und der Aufbau kostspieliger paralleler Infrastrukturen vermieden werden.

Anmerkungen:
1 <https://lacarinfo.de/> (05.01.2025).
2 <https://lacarinfo.de/lacarred/?s=&c=0;c=0> (05.01.2025).
3 In einigen lateinamerikanischen Ländern gibt es mitunter bereits sehr konkrete Vorgaben darüber, inwiefern die in einem Forschungsprojekt erhobenen oder generierten Forschungsdaten in einem vorgegebenen Repositorium und in einer festgelegten Form abzulegen und zu veröffentlichen sind. So gibt die argentinische Forschungsförderungsagentur CONICET vor, dass alle Forschungsdaten aus CONICET-finanzierten Projekten im Repositorium des CONICET abgelegt werden müssen. In Peru und Mexiko gibt es Gesetze, die ähnliche Festlegungen treffen. In Kolumbien ist es eine Rechtsverordnung des Forschungsministeriums.
4 BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung), Urheberrecht in der Wissenschaft. Ein Überblick für Forschung, Lehre und Bibliotheken, Berlin 2023, <https://www.bmbf.de/SharedDocs/Publikationen/de/bmbf/1/31518_Urheberrecht_in_der_Wissenschaft.html> (05.01.2025). DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft), Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis, Bonn 2022, <https://www.dfg.de/resource/blob/173732/4166759430af8dc2256f0fa54e009f03/kodex-gwp-data.pdf> (05.01.2025). Andreas Hübner, Wem „gehören“ Forschungsdaten, Berlin 2024, <https://doi.org/10.5281/zenodo.1107741>.

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Published on
31.01.2025
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