X. Liu u.a.: Connections Across Eurasia

Title
Connections Across Eurasia. Transportation, Communication, and Cultural Exchange on the Silk Road


Author(s)
Liu, Xinru; Shaffer, Lynda Norene
Series
Explorations in World History
Published
Extent
272 S.
Price
€ 25,99
Reviewed for Connections. A Journal for Historians and Area Specialists by
Sascha Klotzbücher, Institut für Ostasienwissenschaften - Sinologie, Universität Wien

Liu Xinru und Lynda Norene Shaffer, Historikerinnen aus den Vereinigten Staaten, untersuchen am Beispiel des Seidenhandels sowie der Verbreitung der späteren Weltreligionen die Frühphasen der Globalisierung auf den verschiedenen Land- und Seerouten der Seidenstraße. Nach ausgewiesenen Veröffentlichungen zur Seidenstraße legen sie nun ein „textbook“ vor allem für den Gebrauch in Universitäten vor. In einem flüssig geschriebenen Text mit 252 Seiten werden die derzeitigen Forschungsergebnisse aus Interaktionen zwischen Europa, dem arabischen Raum, Zentralasien und China vom zweiten Jahrhundert vor Christus bis ins 14. Jahrhundert vorgestellt.

Dieses Buch stellt nicht chronologisch die historischen Ereignisse von politischen oder sozialen Entitäten an den Seidenstraßen dar, vielmehr werden in einem „topical approach“ (S. v) die Formen des Austauschs zwischen den Völkern und die Bedeutung der ausgetauschten Waren und Ideen sowie bedeutende Gruppen und Persönlichkeiten in einer weltgeschichtlichen Perspektive herausgearbeitet. Die acht Kapitel folgen dementsprechend nur einer losen chronologischen Anordnung.
Das einführende Kapitel stellt die drei unterschiedlichen Siedlungsformen vor, die sich aus Waldbewirtschaftung (sibirischer Raum), Steppen- und Landwirtschaft (Zentralasien und China) ergeben. Der Austausch der unterschiedlichen Produkte zwischen den Völkern dieser Großräume bildet die lokalen Handelswege, die sich später zu dem dezentralen Netz der Seidenstraße entwickeln. Die zentralasiatischen Wegetappen sind die ältesten Teile eines dezentralen Handelsnetzes zur See und an Land, das wir heute in seiner Gesamtheit als Seidenstraße begreifen.

Im ersten Kapitel ringen die aus Zentralasien stammenden Xiongnu und Yuezhi sowie die chinesische Han-Dynastie und ihre Vorgänger um den Einfluss in Zentralasien, bei dem Formen des Austauschs von Pferde und Seide und Adaptionen z.B. der nomadischen Pferdekampftechnik erkennbar werden.

Die Seerouten der römischen und arabischen Händler, vor allem zwischen den Händlerstädten am Roten Meer und an der indischen Westküste, verbinden als Alternativroute das Römische und später das Byzantinische Reich mit den asiatischen Märkten und China, das vor allem von der indischen Küste weiter auf dem Landweg beliefert wird. Der Handel zwischen den beiden Reichen im Westen und Osten vollzieht sich nicht direkt, sondern über Mittlerstaaten wie das Reich der Yuezhi-Kushan im heutigen Pakistan und Afghanistan, in deren Kunst und Architektur sich hellenistische Züge aufzeigen lassen. Durch Anschluss an die Landroute ins Tarim-Becken und zum Meer nach Südindien ist es auch ein wichtiger Vermittler des sich ausbreitenden Mahayana-Buddhismus. Versuche chinesischer Gesandter, direkte Kontakte mit dem Römischen Reich herzustellen, die gleichzeitig auch die Mittlerfunktion der zentralasiatischen Völker gefährdet hätte, scheitern.

Kapitel drei kehrt zu dem Entwicklungspotential der Wüstenrouten am westlichen (Kleinasien) und östlichen (China) Ende der Seidenstraße zwischen dem zweiten Jahrhundert vor Christus und dem fünften Jahrhundert zurück. Während der aufkommende Seidenhandel zu einer stärkeren militärischen Sicherung entlang des Gansu-Korridors in Chinas Westen und in der Wüste Taklamakan führt, ist er für die schon bestehenden byzantinischen und persischen Handelsstationen am östlichen Mittelmeer eine Chance der Neuorientierung und Ansiedlung von neuen Handwerkern.

Die von Buddhismus, Zoroastrismus und Christentum ausgehenden kulturellen Austauschprozesse im ersten Jahrtausend nach Christus zeichnet das vierte Kapitel nach, während sich das fünfte Kapitel auf den Islam konzentriert. Seidenstoffe sind für die westlichen Länder im Gegensatz zu China ein Luxusprodukt und werden Teil des religiösen Kults. Lokale Seidenproduktion in allen Teilregionen wird durch kulturelle und politische Formen des Monopols (Byzantinisches Reich, Kalifate) oder der Einschränkung der Seidenstoffe, Färbung und Aufdruck (China) geschützt, während der überregionale Handel mit Seidenstoffen zunimmt. Die Ausbreitung des Islam verstärkt auch die Verbreitung von chinesischen Technologien (Papier) und Wissenschaften, insbesondere der Astronomie.

Das sechste Kapitel beleuchtet wiederum die Bedeutung und Funktion der Seerouten und multireligiösen, hier besonders der jüdisch-muslimischen Partnerschaften im Handel sowie der multikulturellen Händlergemeinschaften in China. Ein dichtes Netz von Handelsschiffen der jüdisch-muslimischen Händlergemeinschaften und Südostasiaten zwischen den Küstenstädten des Roten Meers auf westlicher und Kanton und Quanzhou in Südchina stellen ab dem sechsten Jahrhundert eine Alternative zum Landweg dar, wobei beide Routen auch von buddhistischen Pilgern genutzt werden.

Die Kontrolle Asiens durch die Mongolen und ihre Auswirkungen zwischen 900–1300 beschreibt das siebte Kapitel. Die territoriale Vereinigung führt allerdings zu keinem Wiederaufleben der Landrouten, da sich das schwere Porzellan sicherer und in größeren Mengen auf dem Seeweg von chinesischen Häfen transportieren lässt. Die Hegemonie in Asien sichert aber das Interesse der europäischen Mächte, Missionare bzw. Gesandte zu den mongolischen Khans zu entsenden.

Liu Xinru und Lynda Norene Shaffer haben einen sehr gut lesbaren Text vorgelegt. Einige formale Mängel sollten jedoch beseitigt werden: Die Zeittafeln mit wichtigen Jahreszahlen zu jedem Kapitel beschließen − außer im ersten einleitenden Kapitel − das vorhergehende Kapitel. Mit Bedauern vermisst man auf zwei der vier Landkarten (S. 110, 111), die den Untersuchungsraum in unterschiedlichen Zeitperioden abbilden, eine Einzeichnung des Verlaufs der Seidenstraßen. Hilfreich für eine schnelle Verortung der nicht geläufigen historischen geographischen Namen wäre es auch, die Ortsnamen auf den Landkarten in das Sachwortverzeichnis aufzunehmen.

Unverständlich ist, weshalb völlig unerwähnt bleibt, auf welchen Quellen der vorliegende Band beruht. Im gesamten Text erscheint nur ein einziger Fußnotenverweis auf eine Sekundärquelle (S. 177). Die Autorinnen verweisen am Schluss der einzelnen Kapitel auf „further readings“. Studierenden, die richtiges und zweckmäßiges Zitieren und Angabe des Quellenverweises lernen sollen, bietet dieses Buch somit keine Hilfestellung. Da weiterführende Literaturangaben für eine vertiefende Lektüre zu konkreten Stellen im Text fehlen, weist dieses Buch auch keine angeleiteten Wege zu einer selbstständigen Auseinandersetzung mit der bestehenden Sekundär- oder gar Primärliteratur.

Trotzdem ermöglicht dieses Buch gerade dem Fachfremden einen faszinierenden Einblick in die Interaktionen der unterschiedlichen Völker, Kulturen und herausragenden Persönlichkeiten an der Seidenstraße und seine Auswirkungen bis nach Europa und China. Diese Perspektive auf die Dynamik von regionalen und transregionalen Netzwerken gestattet eine Schwerpunktsetzung und verzeiht Auslassungen, die einem Buch mit streng chronologischem Fokus als Unvollständigkeit angelastet würden. Die historische Darstellung eines heutigen geographischen Großraumes wie z.B. Xinjiang ist deshalb so kompliziert, weil diese territoriale Einheit bzw. ethnische Zusammensetzung erst das Ergebnis jüngerer Wanderungs- oder Fusionsbewegungen ist. Dies hat zur Folge, dass der gewählte (heutige) territoriale Ausschnitt für das Verständnis zu eng gefasst ist und deshalb unbefriedigend erscheint.1

Die Lektüre des vorliegenden Bands regt ständig, wie von den Herausgebern in ihrer Einleitung erhofft (S. x), zu einem Vergleich mit der Qualität der heutigen Globalisierung an oder stellt die Frage nach der aktuellen Bedeutung der dort gelegten historischen Strukturen. Die aus der Soziologie kommenden und konzeptionell aufgeladenen Begriffe wie „networks“, „interdepence“, „actors“, „interaction“ unterstützen beim Leser dieses Bedürfnis nach einer Diskussion, die über eine bloße empirische Darstellung und die Frühphase der Globalisierungsströme hinausgeht: Waren diese Vermittlungs- und Austauschsprozesse auf den Seidenstraßen deshalb so erfolgreich, weil sie auf dezentral organisierten Netzwerken von Vermittlern, Händlern in hochgradig multikulturellen Gemeinschaften beruhte? Welche Bedeutung hat es, dass der Austausch zwischen den damaligen Großräumen sich nicht direkt vollzog, sondern auf Zwischenhändlern und Vermittlern beruhte und so zusätzliche Regionen funktional einband, während die heutigen Globalisierungsströme zwischen Europa und China den afrikanischen und zentralasiatischen Raum marginalisieren?

Im Gegensatz zu diesen und vielen anderen Fragen, die bei der Lektüre der hier anschaulich vorgestellten empirischen Fakten entstehen, scheuen die Autorinnen jegliche Zusammenfassung am Ende der einzelnen Kapitel oder als Abschluss des Buchs, so dass weitergehende Fragestellungen, Konzeptualisierungsversuche oder Vergleiche mit späteren Perioden unterbleiben. Nur „textbooks“, die auch neue Fragestellungen entwickeln und am empirischen Material bearbeiten, können jedoch den Studierenden Mut machen und Anleitung sein, die eigene Kreativität in ihre wissenschaftliche Arbeit einzubinden und so eigene neue Fragestellungen aufzuwerfen.

Anmerkung:
1 Trotzdem kann dies gelingen. Vgl. zum Beispiel James Millward, Eurasian Crossroads, A History of Xinjiang, London 2007.

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29.10.2008
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