Themenportal „Europäische Geschichte“ (18.-21. Jh.): Newsletter 11.2024

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Gabriele Metzler, Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin

Themenportal „Europäische Geschichte“ (18.-21. Jh.): Newsletter 11.2024

Liebe Leserinnen und Leser von H-Soz-Kult,

Nachfolgend finden Sie eine Aufstellung der zuletzt neu ins Themenportal Europäische Geschichte eingestellten Artikel, Essays, Materialen und Quellenauszüge.

Essays/Artikel:

Francesco Di Palma, Moskau zum Trotz – Eurokommunismus im geteilten Europa. Erörterungen über ein zeitgeschichtliches Streitthema, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2024, <https://www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-133677>.
Abstract:
Der Terminus „Eurokommunismus“ wurde Mitte der 1970er-Jahre geprägt. Er beschreibt die Praxis einiger westeuropäischer kommunistischer Parteien, die – so die These – im Begriff gewesen seien, sich ideologisch und politisch von der sowjetischen Mutterpartei, der KPdSU, zu verselbständigen. Was bedeutete dies konkret für die betroffenen Parteien? Implizierte diese angebliche Verselbständigung die Bemühung um die Aufhebung der Teilung Europas? Der vorliegende Essay führt anhand einer Quelle aus dem Jahr 1977 in die Geschichte des Eurokommunismus ein und erörtert dessen Bedeutung für die politisch-ideologische Entwicklung des Sozialismus in unserem Kontinent.

Pawel Lewicki, Modern sein im Herzen Europas. Polyvalenzen der Europäisierung in den EU-Institutionen nach den Erweiterungen der EU 2004 und 2007, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2024, <https://www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-129670>.
Abstract:
Meine ethnografische Forschung in der EU-Kommission hat denn auch gezeigt, dass in alltäglichen Gesprächen mit EU-BeamtInnen durch die Oberfläche des offiziellen Toleranz -und Gleichstellungsdiskurses Meinungen und Aussagen durchsickern, die auf eine starke Hierarchisierung der als Container aufgefassten und stereotypisierten Kulturen hinweisen, die die BeamtInnen der unterschiedlichen Herkunft repräsentieren, gar – wie das oft intern zum Ausdruck gebracht wird – personifizieren sollen. Diese Stereotypisierungen und Essentialisierungen werden im politischen Kampf genutzt, um die Formen der politischen Entscheidungen und die Besetzung der wichtigen Posten innerhalb des BeamtInnenapparates zu beeinflussen. Im Rahmen meiner Untersuchung, die ich in den Jahren 2007 bis 2011 in der EU-Kommission durchgeführt habe, brachte eine Kluft zwischen dem offiziellen Diskurs des modernen, toleranten und rationalen Europa einerseits und den alltäglichen, wenig sichtbaren Praktiken der Stereotypisierung, Hierarchiebildung, der symbolischen Ausgrenzung und Diskriminierung anderseits zum Vorschein.

Robert Groß, “Russengas” und Röhrendeals. Der österreichische Erdgasliefervertrag mit der UdSSR, 1968, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2024, <https://www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-138237>.
Abstract:
Nach jahrelangen Importverhandlungen kamen die UdSSR und Österreich 1968 zu einem Vertragsabschluss. Damit war ein neues Kapitel der Ost-West-Beziehungen und der europäischen Energiegeschichte aufgeschlagen. Möglich wurde dies auch, weil sich das neutrale Österreich nicht an der Sanktionspolitik der NATO beteiligte, die die Lieferung von Rohren in die UdSSR erschwerte. Als das Embargo Ende 1966 aufgehoben wurde, hatte Österreich bereits die Eckpunkte des Liefervertrags ausverhandelt. Davon profitierten nicht nur Industriebetriebe in Österreich und in der BRD, sondern auch die UdSSR, die in der Folge ihre Transportinfrastruktur entsprechend ausbaute und neue Erdgasfelder in Sibirien erschließen konnte. Während die transnationale Perspektive vor allem die Rolle der Nationalstaaten bei der Vertragsanbahnung abbildet, nimmt die Perspektive der Energieversorger die europäischen Integrationsprozesse jenseits der großen Verträge und entlang der gebauten Infrastruktur in den Blick.

Sarah Lias Ceide, Von Verbündeten und Antagonisten: Italien im Zentrum des europäischen Geheimdienstkriegs, 1945-1954, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2024, <https://www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-137124>.
Abstract:
Dass die italienische Halbinsel und insbesondere ihre Hauptstadt nach 1945 schnell von zahlreichen westlichen Nachrichtendiensten ins Visier genommen wurden, überrascht angesichts der Präsenz des Vatikans, der allgemein geographisch-strategisch günstigen Lage des Landes und des Rückhalts, den die Kommunistische Partei Italiens genoss, keineswegs, und die internationale Forschung hat dies bereits mehrfach und auf überzeugende Art und Weise hervorgehoben. Einem wichtigen Aspekt wurde dabei jedoch selten Aufmerksamkeit geschenkt: dem Geheimdienstkrieg zwischen den untereinander konkurrierenden Nachrichtendiensten Westeuropas, die, jeweils unterstützt durch verschiedene, ebenfalls rivalisierende US-amerikanische Dienste, nach Kriegsende auf italienischem Boden aufeinanderprallten. Italien wurde somit zum Schauplatz nachrichtendienstlicher Konkurrenzkämpfe diverser Nationen, deren komplexe Verflechtungen in diesem Essay in ihren Grundzügen aufgezeigt werden sollen.

Susann Worschech, Conclusio: Der Mehrwert der Ambivalenz, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2024, <https://www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-142629>.
Abstract:
Als im Jahr 1679 die Pest in Wien wütete und innerhalb weniger Monate tausende Opfer forderte, schwor der habsburgische Monarch Kaiser Leopold I. während seiner Flucht aus der Stadt, eine Gnadensäule in Wien zu errichten, sobald die Epidemie beendet sein würde. Unmittelbar nach dem Abklingen der Epidemie wurde zunächst eine hölzerne, später eine marmorne Pest- bzw. Dreifaltigkeitssäule errichtet. Bis heute symbolisiert die Wiener Pestsäule – und viele weitere, die in den Folgejahren in zahlreichen Städten des österreich-ungarischen Großreiches entstanden – nicht nur die öffentliche Bezeugung von Dankbarkeit für das Überstehen der Epidemie, sondern auch die strategische und offensichtlich widerspruchsfreie Verschränkung zweier Weltordnungen: Die Säule zeigt einträchtig die christliche Dreipersönlichkeit Gottes sowie die Struktur Menschheit – Engel – Gott und zugleich die drei Teilreiche der Habsburgermonarchie. Sie steht aber auch für die unmittelbare Wiedererrichtung der politischen, gesellschaftlichen und religiös-sozialen Ordnung nach einer großen Krise und damit für ein zyklisches Zeit- und Weltverständnis, das Krisen als Störungen in einem sonst immerwährenden Kreislauf wahrnimmt.

Sebastian Kühn, Fromme Kutschenbriefe. Reisen, Religion und Schreiben im Protestantismus um 1700, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2024, <https://www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-139439>.
Abstract:
In der Frühen Neuzeit waren viele Menschen häufig unterwegs. Die Kutsche ist einer der Räume, die als spezifischer sozialer Mikrokosmos des Unterwegsseins verstanden werden kann. Auch der Theologe Heinrich Julius Elers war viel unterwegs; vor allem aber schrieb er viel darüber. In diesen „Kutschenbriefen“ gibt er seine religiösen Gespräche mit den Mitreisenden wieder. Wie schildert er die Situation in der Kutsche? Welche Funktion hatten diese Briefe für ihn und für die Adressaten? Und was lässt sich daraus ermitteln in Bezug auf die religiösen Praktiken und Vorstellungen, die meist mit dem Stempel des Pietismus versehen werden? Am Beispiel eines Kutschenbriefes lässt sich also genauer das Verhältnis von Reisen, Religiosität und Schreiben um 1700 eruieren.

Sünne Juterczenka, Der Globus als Stickmustertuch. Europäische Expansion, materielle Kultur und Geschlecht in der Frühen Neuzeit, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2024, <https://www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-135123>.
Abstract:
Stickmustertücher (samplers) waren in der Frühen Neuzeit ein fester Bestandteil des Handarbeitsunterrichts. Sie wurden teils von sehr jungen Mädchen angefertigt, um Techniken zu erlernen, Muster zu memorieren und Geschick unter Beweis zu stellen. Einerseits dienten sie damit der Vermittlung „weiblicher“ Fertigkeiten und der Vorbereitung auf die Rolle als Ehefrauen und Mütter. Andererseits wurde auf ihnen auch das Zeitgeschehen reflektiert, beispielsweise die europäische Welterkundung und Kolonisierung. In Großbritannien und Nordamerika wurden sie im Zeichen sich wandelnder Bildungsideale unter anderem im Geografieunterricht eingesetzt. Samplers lassen sich als materieller Ausdruck eines Verständnisses von Europas Rolle in der Welt lesen, das Frauen und Mädchen einbezog. An dem Beispiel einer Stickmustervorlage der Firma Laurie & Whittle aus dem Jahr 1798 wird diese Lesart hier erprobt.

Albert Feierabend, Karten im Sand. Geografischer Wissenstransfer auf Forschungsreisen im 19. Jahrhundert, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2024, <https://www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-141909>.
Abstract:
Im 19. Jahrhundert bemühten sich europäische Kartografen um eine immer genauere und korrektere Darstellung des afrikanischen Kontinents. Das Wissen, das hierzu nötig war, bezogen sie in erster Linie von Reisenden, die aber nur zu denjenigen Orten selbst Daten erheben konnten, die sie durchquert hatten. Alles Weitere wurde von Afrikanern – Ortskundigen oder ebenfalls Reisenden – erfragt und anschließend nach Europa vermittelt. Dieser Essay geht den Fragen nach, wie genau dieser Wissenstransfer funktionierte, auf welchen Methoden er beruhte und inwiefern im Endprodukt der Karte der afrikanische Beitrag sichtbar geblieben ist. Die Analyse stützt sich auf einen handschriftlichen Brief, den der Bremer Afrikareisende Gerhard Rohlfs 1866 auf seiner Reise von Tripolis nach Lagos an den Gothaer Kartografen August Petermann richtete und in dem er das nordafrikanische Tibesti-Gebirge anhand von Befragungen beschrieb und eine Skizze zeichnete – ohne es selbst besucht zu haben. Daraufhin entwarf und veröffentliche Petermann eine neue Tibesti-Karte, die sich deutlich von seiner bisherigen Darstellung unterschied.

Eva Oberloskamp, „Energiewende“ aus Deutschland: Zur Entstehung eines energiepolitischen Leitbilds seit den 1970er-Jahren, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2024, <https://www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-133678>.
Abstract:
Der Begriff „Energiewende“ ist eine deutsche Besonderheit und lässt sich kaum präzise in andere Sprachen übersetzen. Ausgehend von einem Schaubild aus dem Buch von Florentin Krause, Hartmut Bossel und Karl-Friedrich Müller-Reißmann „Energie-Wende. Wachstum und Wohlstand ohne Erdöl und Uran“ (1980) befasst sich der Aufsatz mit der Entstehung der „Energiewende“-Idee in der Bundesrepublik Deutschland. Er fragt, welche spezifisch nationalen Kontexte und welche transnationalen Einflüsse die Herausbildung des Konzepts beförderten. Zur Konturierung westdeutscher Besonderheiten werden dabei immer wieder vergleichende Schlaglichter auf das Vereinigte Königreich geworfen.

Korinna Schönhärl, "Beitragen heißt Investieren in Spanien " - Steuererziehung im Spanien im Jahr 1990, in: Themenportal Europäische Geschichte, 2024, <https://www.europa.clio-online.de/essay/id/fdae-134397>.
Abstract:
What can the tax authorities do to encourage citizens to pay their taxes more honestly? They can promote honest tax payments in the media! Such tax education, which is completely unfamiliar to German taxpayers, can look back on a long tradition in the USA, for example, and other countries. It has also been practised in Spain since the end of the 1960s and intensified after the transition to democracy. A Treasury television advertisement from 1990 allows an analysis of the narratives used by tax education in the young Spanish democracy. The intense and difficult struggle by state institutions for democratic, equal rights for all citizens even 15 years after Franco's death becomes obvious.

Material/Quellenauszüge:

Communiqué der kommunistischen Parteien Frankreichs, Italiens und Spaniens (März 1977); [Abschrift], in: Themenportal Europäische Geschichte, 2024, <https://www.europa.clio-online.de/quelle/id/q63-79818>.

Vertrag zwischen Sojusnefteexport und Österreichischer Mineralölverwaltung AG über die Lieferung von Erdgas (Wien, 01. Juni 1968); [Abschrift], in: Themenportal Europäische Geschichte, 2024, <https://www.europa.clio-online.de/quelle/id/q63-79127>.

Geheimdienstdokument des CIC, Structure and mission of Project Los Angeles (ohne Datum, ca. 1949); [SCAN], in: Themenportal Europäische Geschichte, 2024, <https://www.europa.clio-online.de/quelle/id/q63-78852>.

Heinrich Julius Elers, Kutschenbrief an August Hermann Francke (Berlin, 1698); [Transkript], in: Themenportal Europäische Geschichte, 2024, <https://www.europa.clio-online.de/quelle/id/q63-79389>.

Stickmuster einer Weltkarte (1798); [Fotografie], in: Themenportal Europäische Geschichte, 2024, <https://www.europa.clio-online.de/quelle/id/q63-80620>.

Brief von Gerhard Rohlfs an August Petermann über die Geografie des Tibesti-Gebirges (10./13.6.1866) [Transkript und Faksimile], in: Themenportal Europäische Geschichte, 2024, <https://www.europa.clio-online.de/quelle/id/q63-80076>.

Die zwei Möglichkeiten der zukünftigen Energieversorgung: Der harte und der sanfte Pfad (1980); [Abbildung], in: Themenportal Europäische Geschichte, 2024, <https://www.europa.clio-online.de/quelle/id/q63-81125>.

Television Advert on Tax Education in Spain (1990); [Video and Spanish and English Transcript], in: Themenportal Europäische Geschichte, 2024, <https://www.europa.clio-online.de/quelle/id/q63-81253>.

Fokus – Ein neues Format des Themenportals

Seit diesem Jahr kuratieren Herausgeber:innen des Themenportals Europäische Geschichte in regelmäßigen Abständen Sammlungen bereits veröffentlichter Beiträge und Quellen zu einem aktuellen Thema.

Den Anfang in dieser neuen Reihe macht der Fokus zum Thema Antisemitismus mit einer Einleitung von der Sprecherin des Herausgeberkollegiums Gabriele Metzler.

Mehr zum Fokus: <https://www.europa.clio-online.de/fokus/antisemitismus>

Neues aus der Redaktion

Die Redaktion begrüßt die neuen Herausgeber:innen des Themenportals Europäische Geschichte:

Hannah Ahlheim, U Gießen
Rüdiger Graf, ZZF Potsdam
Johannes Großmann, LMU München
Robert Kindler, FU Berlin
Isabella Löhr, FU Berlin / ZZFPotsdam
Stefanie Middendorf, FSU Jena
Susanne Schattenberg, U Bremen
Dietmar Süß, U Augsburg
Heike Wieters, HU Berlin

Eine komplette Liste der Herausgeberinnen und Herausgeber des Themenportals Europäische Geschichte finden sie hier: <https://www.europa.clio-online.de/herausgebende>

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Das Themenportal Europäische Geschichte veröffentlicht seit 2006 unter der Adresse <https://www.europa.clio-online.de> Materialien (Textdokumente, Statistiken, Bilder und Karten), Darstellungen und Debatten zur Geschichte Europas und der Europäer/innen vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Leserinnen und Leser, die gerne mit eigenen Beiträgen mitwirken möchten, werden um Vorschläge gebeten. Schreiben Sie bitte an die Redaktion <clio.europa-redaktion@geschichte.hu-berlin.de>. Über die Auswahl und Annahme von Beiträgen entscheidet das Herausgeberkollegium aufgrund eines unkomplizierten Evaluationsverfahrens. Weitere Informationen zur Zielstellung und Konzeption des Projektes finden Sie auf den Webseiten des Projektes.

Mit besten Grüßen

Prof. Dr. Gabriele Metzler (Berlin), Sprecherin des Herausgeberkollegiums