Nationale Medienkulturen und politische Kommunikation im 20. Jahrhundert

Nationale Medienkulturen und politische Kommunikation im 20. Jahrhundert

Organizer
Christoph Classen, Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam Thomas Mergel, Humboldt-Universität zu Berlin Daniel Siemens, Universität Bielefeld
Venue
Zentrum für Zeithistorische Forschung, Am Neuen Markt 9d
Location
Potsdam
Country
Germany
From - Until
31.10.2008 - 01.11.2008
Deadline
20.10.2008
Website
By
Classen, Christoph

Die Geschichte der Mediengesellschaft ist derzeit einer der Bereiche, die am stärksten von den Ansätzen der transnationalen Geschichte durchdrungen sind. Der Medialisierung, wie sie die Gesellschaften besonders des 20. Jahrhunderts auszeichnet, wird eine universelle Durchsetzungsdynamik unterstellt, und besonders im Bereich der Amerikanisierungsforschung ist häufig die Annahme leitend, dass damit die Gesellschaften einander immer ähnlicher würden. Nun ist gewiss unbestritten, dass die großen Medialisierungsprozesse des 20. Jahrhunderts die Gesellschaften, die sie betreffen, in hohem Maße transnational durchdringen, und dass eine internationale Medienkonsumgesellschaft entstanden ist, die mit politischen Grenzen nicht mehr beschreibbar ist. Die Prognose einer Angleichung der medialisierten Nationalgesellschaften aneinander – etwa im Sinne von „Amerikanisierung“ – begleitet die Medienprozesse fast seit Anbeginn; aber immer noch unterscheiden sich die nationalen Mediengesellschaften sehr deutlich. Das wirft die Frage auf, in welchem Maße und in welchen Formen die Mediengesellschaften allen transnationalen Vereinheitlichungen zum Trotz dennoch nationalen Framings unterliegen, wie weit nationale Kulturen der öffentlichen Verständigung und Darstellung sich gegen die transnationale Nivellierung sperren und in welch unterschiedlichen nationalen Ausformungen uns Medialisierungsprozesse begegnen.

Wir vermuten, dass solche nationalen Framings sich besonders da zeigen, wo es um Politik geht. Die Durchsetzung der massenmedialen Kulturen erfolgte nicht nur in unterschiedlicher Geschwindigkeit, sondern der Prozess trat auch in unterschiedliche Spannungsverhältnisse zu den jeweiligen historisch gewachsenen und ideologisch geprägten politischen Kulturen. Deren politische Öffentlichkeiten waren nach spezifischen Kommunikationsmodi organisiert, sie waren von je eigenen politischen Erwartungen und Handlungsroutinen bestimmt, und die strukturellen Bedingungen (etwa im Hinblick auf den Einfluss des Staates) waren je unterschiedlich. Auf dem Workshop sollen deshalb die vorherrschenden Vorstellungen von Medialisierung als „großem“ historischen Prozess (etwa vergleichbar der Industrialisierung) kritisch hinterfragt werden. In theoretischen Überlegungen und empirischen Untersuchungen soll diskutiert werden, inwieweit die Massenmedien zu eigenen Akteuren der jeweiligen politischen Kulturen wurden, wie sie mit anderen players interferierten, wie politische Erwartungen und Routinen einerseits, mediale Möglichkeiten andererseits in Spannung zueinander traten und ob es vielleicht so etwas wie durch nationale Politiktraditionen geprägte mediale Nutzungstechniken gab. Unter welchen Umständen und in welcher Weise trugen Massenmedien zu einer Politisierung einer Gesellschaft bei? Wie „politisch“ verstanden sich die Medien selbst, und wie wurden sie von Rezipienten und Berufspolitikern eingeschätzt?

Die damit verbundenen Fragen sollen sich nicht nur an Mediensysteme in einem strukturellen Sinne richten, sondern auch auf die unterschiedlichen Kulturen und Praxen der medialen Produzenten und Rezipienten. Das enge Verhältnis zwischen Journalisten und Politikern in Frankreich, konzentriert auf die Hauptstadt Paris, bedingte beispielsweise andere Formen der massenmedialen Politik(vermittlung) als in den Vereinigten Staaten mit einer stark kommerziell ausgerichteten und politisch schwerer zu kontrollierenden Presse. Die osteuropäischen Diktaturen und die westeuropäischen Demokratien nach 1945 werden im allgemeinen streng voneinander geschieden; zu fragen wäre aber auch hier nach den jeweiligen nationalen Prägungen einerseits und nach systemübergreifenden Auswirkungen von Medialisierung andererseits.

Mit Hilfe einer international vergleichenden Perspektive wird angestrebt, die verschiedenen, oftmals national begrenzten Auffassungen und Wirkungsweisen von Medien- und Politiksystemen zu analysieren und ins Verhältnis zueinander zu setzen. Das Ziel besteht darin, die jeweiligen politischen Medienkulturen im Spannungsfeld zwischen transnational wirkenden Prozessen und nationalen politischen Kulturen zu situieren.

Programm

Freitag, 31.10.2008

Begrüßung

14.30 – 16.30 Uhr: Medialisierung und Politik

Moderation: Daniela Münkel (Berlin)

Thomas Mergel (Berlin): Nationale Politiktraditionen - nationale Medienkulturen. Überlegungen zur Einführung

Stefano Cavazza (Bologna): Wahlkampfkommunikation in zwei politischen Kulturen: Italien und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg

Bernd Weisbrod (Göttingen): Nationaler Stil und mediale Logik. Überlegungen zur „Amerikanisierung“ der Nachkriegsmedien am Beispiel der BBC

Kommentar: Thomas Lindenberger (Potsdam)

16.30-17.00: Kaffeepause

17.00 – 19.00 Uhr: Krieg und Terror

Moderation: Annette Vowinckel (Berlin)

Daniel Siemens (Bielefeld): Internationaler Terrorismus im nationalen Deutungsrahmen. Überlegungen zur Berichterstattung von politischen Strafprozessen in Deutschland und Frankreich in den 1920er Jahren

Marco Gerbig-Fabel (Gießen): Großbritannien - Japan - USA: Die fotografische Sichtbarkeit des Russisch-Japanischen Kriegs

Florian Schnürer (Gießen): Luftkrieg in Frankreich, England und Deutschland

Kommentar: Gerhard Paul (Flensburg)

19.30: gemeinsames Abendessen

Samstag, 1.11.2008

9.00 – 11.00: Nationales Framing

Moderation: Lu Seegers (Gießen)

Jan C. Behrends (Berlin): Nation und Sowjetunion. Aporien der Propaganda im stalinistischen Polen

Malte Zierenberg (Berlin): Politik und Prominenz. Nationale Besonderheiten und transnationale Konvergenzen

Christoph Classen (Potsdam): Politik und Nichtpolitik. Zu den deutschen Adaptionen von „Don Camillo und Peppone“

Franziska Kuschel (Berlin): Gab es in der DDR eine eigene Medienkultur?

Kommentar: Frank Bösch (Gießen)

11.00 Kaffeepause

11.30 – 13.30: Politischer Journalismus in nationalen Medienkulturen
Moderation: Willibald Steinmetz (Bielefeld)

Marcus M. Payk (Stuttgart): Demokratisches Sendungsbewusstsein? Zur Bedeutung transatlantischer Akteure im westdeutschen Journalismus von 1945 bis ca. 1970

Nikolas Hubé (Paris): Historische und ökonomische Hintergründe der „komischen“ Beziehungen zwischen Staat und Journalismus in Frankreich

Dominik Geppert (Marburg/Berlin): Politische Kultur und politischer Journalismus in England und Deutschland

Kommentar: Jörg Requate (Bielefeld)

13.30: Abschlußdiskussion

Contact (announcement)

Dr. Christoph Classen
Zentrum für Zeithistorische Forschung
Am Neuen Markt 1
14467 Potsdam

Tel.: +49 (0)331-28991-17
Fax: +49 (0)331-28991-60
E-Mail: <classen@zzf-pdm.de>


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Published on
07.10.2008
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Language(s) of event
German
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