Das Zeitalter der Kolonialreiche ist Vergangenheit, die noch nicht vergangen ist. Auch in Deutschland nicht, wo in den letzten Jahren zahlreiche Debatten die Gegenwärtigkeit dieser Vergangenheit gezeigt haben: Die Berliner Charité gab nach knapp 110 Jahren die sterblichen Überreste von 21 Opfern des deutschen Genozids an den Herero und Nama zurück. Doch eine offizielle Entschuldigung Deutschlands für diesen Völkermord steht bis heute aus. Straßennamen in den „Kolonialvierteln“ Hamburgs, Münchens, aber auch in kleineren Städten werden geändert oder kommentiert – nach oft vehementen Debatten in der jeweiligen Stadtöffentlichkeit.
Im Streit um das Berliner Humboldt Forum wurde die problematische Tradition vorkolonialen und kolonialen Sammelns in Völkerkundemuseen in den Mittelpunkt gerückt. Unter manchmal zweifelhaften Bedingungen haben sich Abenteurer und Wissenschaftler, private Sammler und Museen die materielle Kultur anderer Weltregionen angeeignet.
Doch der Zusammenhang von Wissenschaft und Kolonialismus im 19. und 20. Jahrhundert ist noch viel grundlegender. Denn „Altlasten“ lagern nicht nur in Museen, sondern auch in Denkweisen, Konzepten und Begriffen der modernen Wissenschaften. Der Siegeszug der Wissenschaften als Agenturen der Weltdeutung und als Instrumente der Weltbeherrschung begann zeitgleich mit dem zweiten Kolonialismus. Das gilt für Medizin und Anthropologie ebenso wie für die Ethnologie, Ökonomik und die Geschichtswissenschaften.
Diese materiellen und ideellen Hinterlassenschaften des europäischen kolonialen Projekts werden nun zum Problem für Politik und Wissenschaft. Sie werfen grundsätzliche Fragen nach der Entstehung der modernen Human- und Sozialwissenschaften auf.
Zu einer Podiumskussion dieser und weiterer Fragen laden wir Sie herzlich ein. Ein Umtrunk im Anschluss gibt Gelegenheit zu weiterem Gedankenaustausch und Nachfragen.
Um Anmeldung bis zum 20. September 2017 wird gebeten.