Die USA gründeten sich als Exit vom Britischen Empire, und mehr als 200 Jahrhundert später unterstützte ein US-amerikanischer Präsident den Exit des einstigen Kolonialherrn von einem Europa, das sich als Hort eines liberalen Internationalismus definiert. 1864 verkaufte Russland Alaska an die USA, ein Ereignis, das wohl Pate stand bei der Idee des besagten US-Präsidenten, auch Grönland von einer „Kolonialmacht” zu kaufen. Wie Karl Marx einst schon konstatierte – Geschichte wiederholt sich, aber als Farce. Doch was auf den ersten Blick erheitern mag, verweist auf eine tektonische Verschiebung im Gefüge dieser Welt: Zwischen Europa und den USA tut sich eine Kluft auf, die egal, wer die Präsidentschaftswahlen im November 2020 gewinnen wird, nicht mehr so leicht zu schließen sein wird, weil sie nämlich nicht nur mit dem Narzissmus (Wahnsinn?) einen Einzelnen zu tun hat, sondern mit der Tatsache, dass die Welt eine andere ist, als jene, die über 200 Jahre maßgeblich durch das – mal freundschaftliche, mal feindliche -- Beziehungsgeflecht Europa-Amerika geprägt worden ist.
In der Ringvorlesung, die gemeinsam vom Leibniz-WissenschaftsCampus „Europe and America in the Modern World” und dem Center for International and Transnational Area Studies (CITAS) der Universität Regensburg organisiert wird, gehen wir der gegenseitigen politischen Verflechtung von Europa (und seinen unterschiedlichen Teilregionen) und den USA seit dem 19 Jh. nach. Wie jede Beziehungsgeschichte ist auch diese geprägt von schwankenden Gefühlen, die von Euphorie und Zuneigung bis Entfremdung und tiefen Hass, von Missverständnissen, kleinlichen Querelen und verpassten Chancen bis hin zu gemeinsamen Errungenschaften und Versöhnungen reichen. Ohne die „Amerikanisierung” würde die politische Landschaft Europas anders aussehen, ebenso wie Europa heute eine willfährige Projektionsfläche für politische Utopien oder Dystopien in der polarisierten US-amerikanischen politischen Landschaft darstellt. Und schon im 19. Jahrhundert waren die politischen Querverbindungen massiv – wie jeder naturalisierte Amerikaauswanderer auf Heimaturlaub feststellen konnte, wenn ihn plötzlich sein europäischer Heimatstaat zur Armee einziehen wollte, und der nächstgelegene US-Konsul dagegen protestierte.
Das breite Thema der europäisch-US-amerikanischen politischen Ko-Transformation wollen wir entlang folgender Schwerpunkte mit Vortragenden aus Regensburg sowie mit Gästen vertiefen: Außen- und Sicherheitspolitik; Vorbilder und Gegenfolien; Diplomatie und Migrationspolitik; Abgrenzungsdiskurse und Anti-ismen, wobei wir im Großen und Ganzen chronologisch vorgehen wollen.
Die Vorträge werden nicht nur von Wissenschaftler/innen der UR und des Leibniz-Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung gehalten, sondern auch von renommierten Gastvortragenden aus deutschen und internationalen Einrichtungen.