J. Derrick: Africa's 'Agitators'

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Title
Africa's 'Agitators'. Militant Anti-Colonialism in Africa and the West, 1918-1939


Author(s)
Derrick, Jonathan
Published
London 2008: Hurst & Co.
Extent
483 S.
Price
$ 45,00
Reviewed for Connections. A Journal for Historians and Area Specialists by
Regina Finsterhölzl, Institut für Asien- und Afrikawissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin

Jonathan Derricks historische Monographie widmet sich dem Antikolonialismus in Afrika und Europa sowie im Nordamerika der Zwischenkriegszeit. Sie untersucht afrikanische und europäische Aktivisten sowie ihr Verhältnis zueinander. Ziel der Studie ist, einen zusammenfassenden, vergleichenden Überblick zum Thema zu bieten; dabei basiert die Studie hauptsächlich auf Forschungsliteratur. Die Gliederung ist chronologisch; die Darstellung besteht aus vier Abschnitten, in denen breit gefächert Proteste der jeweils behandelten Periode beschrieben werden. Derrick umreißt in jedem Abschnitt knapp den Verlauf der Bewegungen oder Organisationen im Kontext der regionalen Geschichte und stellt inhaltliche Punkte ihrer Kritik am Kolonialsystem und ihrer politischen Forderungen an die europäischen Kolonialherren vor.

Im ersten Abschnitt geht Derrick einleitend auf antikoloniale Proteste afrikanischer Eliten in Afrika sowie auf sozialistische, kirchliche und humanitaristische Kritiker der Kolonialherrschaft in Europa zur Zeit des Hochimperialismus ein – und grenzt seine Untersuchung vom primären Widerstand der Eroberungsphase ab. 1 Als ‚antikolonial‘ definiert Derrick Aktionen, in denen Kolonialismus kritisiert oder sein Ende gefordert wird. Dabei fokussiert er auf „the more radical, militant groups“, die in „strong opposition to the colonial system“ standen – „the more cautious ones calling for reform“ möchte er nur am Rande behandeln (S. 4f.). 2

Der zweite Abschnitt behandelt die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg bis in die Mitte der 1920er-Jahre. Hier werden politische Bewegungen aus ganz Afrika in der unmittelbaren Nachkriegszeit vorgestellt. Derrick beschreibt Proteste, die getragen waren von den educated elites, wie beispielsweise das Entstehen der regionalen Organisation National Congress of British West Africa. Für Südafrika geht Derrick auch auf die Streiks im industriellen Sektor in der Zwischenkriegszeit ein. 3 Der Autor beschreibt die frühen Proteste der Kikuyu in der Siedlerkolonie Kenia ebenso wie frühe panafrikanische Einflüsse, hier beispielhaft Leben und Wirkung von Marcus Garvey. Auch widmet sich Derrick den Aktionen der Communist Party of South Africa und denen der kommunistischen Aktivisten in Frankreich. Antikoloniale Gruppierungen waren in dieser Periode, wie Derrick herausstellt, eher klein und wenig schlagkräftig. Für Europa könne man für die gesamten 1920er-Jahre sagen, dass sich die antikolonialen Aktivitäten in Frankreich mit mehr Vehemenz und in grundsätzlicherer Kritik gegen die Herrschaft in den Kolonialreichen richteten als solche in Großbritannien.

Der dritte Teil der Studie behandelt die Jahre 1925-1931. Der Schwerpunkt liegt hier auf der Beschreibung afrikanischer Nationalisten und kommunistischer antikolonialer Aktivitäten sowie ihrem Verhältnis zueinander. Hier wendet sich Derrick beispielsweise der Gründung der nationalistischen Partei Etoile Nord-Africaine (ENA) zu. Diese wurde von Nordafrikanern in Frankreich gegründet, unter enger Mitwirkung französischer Kommunisten. Sie war in den größeren französischen Städten und in den späten 1920er-Jahren auch in Nordafrika aktiv und stellte weitgehende Forderungen zur Verbesserung der Lebenssituation der Nordafrikaner. Derrick zeichnet in diesem Kapitel zudem (erneut) die Aktivitäten der Communist Party of South Africa, des National Congress of British West Africa sowie der in Großbritannien angesiedelten West African Student’s Union nach.

Im letzten Kapitel beschreibt Derrick Proteste in den 1930er-Jahren, wie beispielsweise imperialismuskritische Stimmen in Großbritannien. Er skizziert hier die Gründungsgeschichte des 1937 ins Leben gerufenen International African Service Bureau (IASB), in dem der in Trinidad geborene panafrikanische Aktivist George Padmore und der spätere Präsident Kenias Jomo Kenyatta Mitglied waren. Auch britische Mitglieder des Parlaments, beispielsweise der spätere Kolonialminister Arthur Creech Jones, waren hier assoziiert. Derrick legt dar, dass das politische Ziel der Gruppe, die auch eine Zeitschrift herausgab, Selbstregierung für die afrikanischen Kolonien gewesen sei; das IASB habe sich aber auch an den Protesten gegen die deutschen kolonialrevisionistischen Ansprüche oder gegen die südafrikanische Forderung nach Übernahme der angrenzenden britischen Protektorate beteiligt. Wie Derrick hervorhebt, erreichte der antikoloniale Protest in solchen Fällen eine breitere britische Öffentlichkeit, wie auch während der Unruhen auf den Karibikinseln in den späten 1930er-Jahren; ansonsten blieb der Protest auf kleinere Kreise der linken Parteien und außerparlamentarischer Gruppen beschränkt. Weitere Untersuchungen in dem Kapitel beinhalten die Beziehungen panafrikanischer Theoretiker zur Komintern oder die Proteste in der afrikanischen Diaspora gegen die italienische Invasion in Äthiopien.

Abschließend resümiert Derrick, dass europäische Kritiker zumeist moralische Bedenken geäußert hätten, die Ausdruck in der Kritik an Zwangsarbeit, südafrikanischen Passgesetzen oder an der von Siedlerinteressen dominierten Landpolitik fanden. Die von ihm beschriebenen antikolonialen Proteste von Afrikanern in der Zwischenkriegszeit seien hauptsächlich von kleinen Gruppen der educated elite getragen worden, auch wenn diese die in den kolonialen Gesellschaften verbreitete antikoloniale Grundstimmungen artikuliert hätten. Für die 1930er-Jahre könne man einen Anstieg der antikolonialen Aktivitäten in Afrika verzeichnen, die auch in der Öffentlichkeit in den Metropolen zunehmend wahrgenommen wurden.

Derricks Studie berücksichtigt afrikanische und europäische Aktivitäten, und es gelingt dem Autor, beide Seiten zu Wort kommen zu lassen. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf der Beschreibung von Aktivitäten afrikanischer und europäischer Aktivisten in Europa. Derrick arbeitet zudem die Verbindungen zwischen den Aktivisten in Afrika, Europa und Nordamerika eindrucksvoll heraus. Leider fehlt es der gelegentlich redundanten Studie jedoch an begrifflicher Schärfe und an Analysekategorien, die an die dargestellten Protestbewegungen angelegt werden könnten. So wird nicht weiter definiert, was der Autor unter den Begriffen ‚radikal‘ und ‚militant‘ versteht, und Begriffe wie ‚Widerstand‘ oder ‚Protest‘ werden eingangs nicht weiter inhaltlich bestimmt. Auch findet sich in der Arbeit kein einleitender Überblick über Gliederung und Vorgehensweise; für die Arbeit zentrale Definitionen und Abgrenzungen sind verstreut in einzelnen Kapiteln und nicht an den Textstellen, an denen die Begriffe das erste Mal verwendet werden. Explizit wird in manchen Passagen auch eine weitere theoretische oder analytische Auseinandersetzung ausgeschlossen, wie etwa bei der Frage nach der Bedeutung der Kategorien Nation und Nationalismus für diese Periode: „What mattered to both colonisers and colonised was the fact of European rule. That is what matters for the present study, which will not examine further the question of what nationalism meant or means now” (S. 66). Das ist schade, denn gerade für den behandelten Zeitrahmen wäre eine Auseinandersetzung mit dieser Begrifflichkeit und ihren Inhalten wichtig gewesen und hätte interessante Fragestellungen ermöglicht. Ein solches Vorgehen beeinträchtigt leider auch die Qualität und Verständlichkeit des Textes, gerade für Leser, die mit der Materie nicht vertraut sind, etwa wenn zentrale Begriffe nicht begründet, hergeleitet und kontextualisiert werden. Eine systematische Auseinandersetzung mit Protestursachen, artikulierten Zielen, den wichtigen Akteuren und der Beschreibung und Wahrnehmung kolonialer Herrschaft und ihrer Legitimierung kommt insgesamt zu kurz.

Positiv ist zu vermerken, dass die Studie auf einer breiten Literaturbasis fußt und die sehr heterogene Forschung geschickt zusammenführt. Sie schließt so eine wichtige Lücke – zum Thema Antiimperialismus und Antikolonialismus existieren nur wenige Überblicksdarstellungen. 4 Derricks Monographie bietet einen soliden Überblick über antikoloniale Proteste und wird trotz offenkundiger Defizite zu weiteren Forschungen auf diesem interessanten Themengebiet anregen.

Anmerkungen:
1 Einen einführenden Überblick über die verschiedenen Widerstandsformen in Afrika des 19. und 20. Jh. in deutscher Sprache findet sich bei: Leonhard Harding, Geschichte Afrikas im 19. und 20. Jahrhundert, München 2006, S. 65ff.
2 Siehe zu einer profunderen Diskussion des Begriffes ‚antiimperial‘, mit dem sich Derrick nicht theoretisch auseinandersetzt: Nicholas Owen, Critics of Empire in Britain, in: Roger W. Louis / Judith M. Brown (Hrsg.), The Oxford History of the British Empire, Bd. 4: The Twentieth Century, Oxford 1999, S. 188–211, hier S. 188.
3 Grundlegend zum Zusammenwirken von Arbeiterkämpfen und den politischen Transformationen der Dekolonisationszeit in Afrika, von Derrick allerdings nicht erwähnt: Frederick Cooper, Decolonization and African Society. The Labour Question in French and British Africa, Cambridge 1996.
4 Zu den erschienenen Studien zählt beispielsweise die Studie von Howe, der britische Aktivisten ab dem Ende des Ersten Weltkrieges bis zur Dekolonisation untersucht: Stephen Howe, Anticolonialism in British Politics. The Left and the End of Empire, 1918-1964, Oxford 1993. Für einen Überblick der in Großbritannien geäußerten Kritik am Empire im 20. Jahrhundert vgl. Anm. 2. Afrikanische Intellektuelle ab der Mitte des 19. Jahrhunderts und ihr Verhältnis zum Nationalismus beschreibt: Toyin Falola, Nationalism and African Intellectuals, New York 2001.

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22.04.2009
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