R.J.C. Young: Postcolonialism. A very short introduction

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Title
Postcolonialism. A very short introduction


Author(s)
Young, Robert J. C.
Series
Very Short Introductions 98
Published
Extent
194 S.
Price
$ 9.95
Rezensiert für 'Connections' und H-Soz-Kult von:
David Simo, Fakultät für Humanwissenschaften, Universität Yaoundé

Das Buch von Robert J.C. Young ist nicht nur eine Einführung in den “Postkolonialismus“. Es ist zugleich eine Stellungnahme in einer Diskussion, die längst nicht abgeschlossen ist, über das, was mit diesem Wort bezeichnet werden sollte. In dieser Einführung knüpft Robert J.C. Young an sein Buch „Postcolonialism: An historical Introduction“ (2001) an. Ein Buch, in dem seine Vorstellung von „postcolonialiimus“ eine Umorientierung erfahren hatte gegenüber seinen früheren Büchern wie „White mythologies“ (1990) und „Colonial Desire Hybridity in Theory, culture and race“(1995). Diese früheren Bücher sind diskursanalytische und ideologiekritische Versuche, in denen mit einer Vorstellung von „Postkolonialismus“ gearbeitet wird, die er in der Einführung zu „Colonial Desire...“ als die Produktion einer kritischen Ethnographie des Westens umschreibt, in der die Erzählung eines durch die Exzesse der eigenen Geschichte heimgesuchten Westens analysiert wird. Dort wird „Postkolonialismus“ verstanden als eine kritische Methodologie in den kulturwissenschaftlichen Fächern. In anderen Äußerungen von Robert Young wird „Postcolonialism“ auch im Sinne eines intellektuellen Feldes oder akademischen Faches gebraucht, vor allem da, wo er sich als Professor für „postcolonial studies“ vorstellt.

In dem vorliegenden Buch, das in einer von der Oxford University Press herausgegebenen Reihe mit dem Titel „Very Short Introductions“ veröffentlicht wurde, geht Robert Young nicht auf die unterschiedlichen Verwendungen des Wortes „Postcolonialism“ bei ihm selber oder in der akademischen Diskussion ein. Er verwendet ihn einfach in einem gewandelten Sinne. Hier wird „Postkolonialismus“ ausdrücklich als selbstbewusste politische Philosophie der „Dritten Welt“ definiert. Er schreibt: „postcolonialism, or tricontinentalism, is a general name for these insurgent knowledges that come from the subaltern, the dispossessed and seek to change the terms and values in which we all live“ (S.20).

Mit dem Begriff Trikontinentalismus übernimmt er ein Wort, mit dem Vertreter aus Afrika, Asien und Lateinamerika die Konferenz bezeichneten, die 1966 in Havanna abgehalten wurde und bei der die Grundlage für die Formulierung einer gemeinsamen militanten Politik erarbeitet wurde. Für Young ist „Trikontinentalismus“ sogar angemessener als „Postkolonialismus“. Damit erhält der Begriff eine radikale politische Bedeutung.

Diese Hinwendung zu einer politischen Auffassung von Postkolonialismus kommt nicht von ungefähr. Sie ist die Konsequenz einer Kritik, die an ihm und an anderen akademisch orientierten postkolonialistischen Untersuchungen geübt wird, und zwar von militanten Gruppen aus der Dritten Welt oder auch von Marxistischen Kreisen in Amerika und Europa. Ihnen wird vorgeworfen, mit ihren theoretischen und komplizierten akademischen Abhandlungen überhaupt nicht zur Befreiung der Marginalisierten, von denen sie sprechen, beizutragen. Homi K. Bhabha hat in dem Text „Das theoretische Engagement“, der in seinem Buch “Die Verortung der Kultur“ abgedruckt ist, solche Kritiken zurückgewiesen, sich zu einer Arbeitsteilung bekannt und damit die akademische intellektuelle Arbeit verteidigt, die sich ihre Kategorien und Positionen nicht von irgend welcher politischen Praxis diktieren lassen soll.

Das Buch von Young schreibt sich also in ein intellektuelles Feld ein, wo solche Auseinandersetzungen stattfinden und es nimmt in vielerlei Hinsicht Stellung. Zunächst dadurch, dass er Postkolonialismus als eine politische Philosophie definiert, die den antikolonialen Kampf begründet und gefördert hat. Dadurch bestimmt er seine eigenen Untersuchungen als Teil einer politischen Praxis und integriert sie in eine Geschichte von Versuchen aus der Dritten Welt, eigene Positionen zu definieren und Wege der Befreiung aus der Dominanz des Westens zu bestimmen.

Er weigert sich ausdrücklich, theoretisch zu verfahren und wählt einen Darstellungsmodus, der, so meint er, nicht zu akademisch abgehoben und leichter zu verstehen wäre. Daher finden sich in seinem Buch sowohl narrative Texte als auch reportageartige Darstellungen und Versuche, historische Zusammenhänge sichtbar zu machen. Das Buch ist also ein didaktisch strukturiertes Buch, das aber statt systematisch in Kategorien, in Konstruktionsmodi der Objekte und in methodische Probleme einzuführen, vielmehr montageartig Erscheinungsfacetten eines Problems zu vermitteln versucht.

Die bewusste Wahl der Beispiele aus der islamischen Welt erklärt Young in einem Interview mit Nadia Butt dadurch, dass in anderen Beiträgen aus dem Feld des Postkolonialismus zu wenig auf diese Welt verwiesen wird, auch wenn das grundlegende Buch, dass die postkoloniale Diskussion ausgelöst hat von einem Palästinenser stammte, nämlich Edward Said.

Aber nicht so sehr seine Positionierung innerhalb der Postkolonialismusdiskussion macht dieses Buch so wichtig, sondern die ganz persönliche Erfahrungen des Autors im Prozess der Überwindung von eurozentrischen Denkweisen, die er in die Konzeption und Strukturierung des Buches bewusst oder unbewusst einfließen lässt. Es soll daran erinnert werden, dass Robert Young in einer „normalen“ typischen weißen englischen Familie im konservativen Süden Englands geboren und dort aufgewachsen ist. Mai 68 erlebt er in Paris und das ändert sein Leben total, wie er in der Einführung zu „White „Mythologies“ schreibt. Dort lernt er, Europa von Außen zu sehen. Danach lernt er während seines Studiums Homi K. Bhabha lernen, der ihn geistig beeinflusst. Entscheidend ist sicherlich auch die Tatsache, dass er mit einer Britin pakistanischer Abstammung seit 17 Jahren verheiratet ist.

Sicherlich insistiert er aufgrund dieser persönlichen Erfahrungen in der Einführung zu seinem Buch, dass die Fähigkeit, Erkenntnisse - vor allem interkulturelle Erkenntnisse zu gewinnen, nicht allein auf das Vermögen gründet, Begriffe zu verstehen, Sachverhalte zu beobachten und Fakten zu sammeln, sondern auf jene grundlegenden existentiellen Erfahrungen von dem, was es heißt, sich in einer Umgebung fremd zu fühlen, ein Bewusstsein zu haben, dass man zu einer marginalen Gruppe gehört, die nicht als Teil der Normalität erlebt wird. Erst diese Erfahrung entwickelt die Fähigkeit zur Empathie, die darin besteht, sich hineinzuversetzen in die Vorstellungswelt des Anderen, zu fühlen, was er fühlt und die Welt so zu sehen, wie er sie sieht.

Statt, wie das von vielen propagiert wird, die Distanz zur Vorstellungswelt des Anderen als Voraussetzung für eine objektive wissenschaftliche Erfahrung seines Wesens zu postulieren, um somit die Überlegenheit des so produzierten Wissens zu begründen und die Autodiskurse von vornherein zu disqualifizieren, vor allem wenn diese Selbstdiskurse vom Fremden aus der Dritten Welt kommen, während man ungeniert an eigenen Autodiskurse arbeitet, lädt Robert Young dazu ein, sich in die Verfassung dieser Fremden zu versetzen, um sie überhaupt verstehen zu können. Statt sich als Sprachrohr von Menschen aus dem Süden zu proklamieren – wie das gewöhnlich im Westen getan wird -, über die gern gesprochen wird, die aber selber nicht zur Sprache kommen dürfen, deren Stimme stets Übersetzer brauchen, um kommuniziert zu werden; statt irritiert zu reagieren, wenn Nicht-Europäer es wagen, selbst direkt zu sprechen, betrachtet Young seine eigenen Worte nur als Kommentare zu Worten aus dem Süden und als Einladung dazu, diese Worte zu entdecken. Gewiss, wie die Grande Dame des Postkolonialismus Spivak es richtig angemerkt hat, ist der Zugang zur authentischen Sprache der Subalternen nicht möglich. Aber bei Young wird deutlich, dass die Vermittlung dieser Sprache durch Intellektuelle, die selber die Erfahrung der Marginalisierung erleben oder erlebt haben, doch authentischer ist.

Auch wenn Robert Young behauptet, dass sein Buch für die Entrechteten aus der Dritten Welt geschrieben worden ist, ist deutlich, dass er sich nicht an Sie wendet. Seine Adressaten sind Europäer und Amerikaner, die oft Schwierigkeit haben, überhaupt zu verstehen, was im postkolonialen Diskurs formuliert wird.

Robert C. J. Young versucht, die Erfahrung, die den ganzen postkolonialen Diskurs generiert, zu vermitteln, um somit die Voraussetzung für seine Erfassung zu schaffen. Dabei entfaltet er verschiedene diskursive und pädagogische Strategien, die man durchaus „postkolonial“ nennen muss und dabei wird deutlich, dass die ganze Diskussion um die genaue Bestimmung dessen, was „Postkolonialismus“ genannt werden sollte, nicht von großem Belang ist. Auch wenn Young bemüht ist, dem Wort eine strenge politische Bedeutung zu verleihen, lässt sein Buch erkennen, dass das Wort kein streng normierter Begriff werden kann. Genauso wie bei anderen ähnlich gebildeten Wörtern wie Postmodernismus oder Poststrukturalismus kann mit diesem Wort nur ein begriffliches Feld bezeichnet werden, in dem unterschiedliche Praxen und Diskurse möglich sind. Mit dem Wort Postkolonialismus wird einfach eine Geisteshaltung umschrieben, die Erkenntnisse und Handlungen aus dem Randgebiet der globalisierten Welt nicht von vornherein als marginal abtut, sondern sie im Gegenteil als Chance betrachtet, nicht nur ein Gegendiskurs zum vorherrschenden euroamerikanischen Diskurs zu entwerfen, sondern auch eine zukunftsträchtigere Erfassung der menschlichen Geschichte zu gewährleisten und eine privilegierte Position zu erarbeiten, von der aus, Strategien des Ungangs mit einer sich ständig veränderten Welt erkundet werden können.

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26.05.2006
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Diese Rezension entstand im Rahmen des Fachforums 'Connections'. http://www.connections.clio-online.net/
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