K. Nathaus u.a. (Hrsg.): Musicking in Twentieth-Century Europe

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Title
Musicking in Twentieth-Century Europe. A Handbook


Editor(s)
Nathaus, Klaus; Rempe, Martin
Series
Contemporary European History
Published
Berlin 2021: de Gruyter
Extent
466 S.
Price
€ 129,95
Reviewed for Connections. A Journal for Historians and Area Specialists by
Percy Leung, University of St Andrews

Der von Klaus Nathaus und Martin Rempe herausgegebene Sammelband, der in sechs thematische Abschnitte unterteilt ist, bietet eine eingehende Analyse der Art und Weise, wie das Musizieren zur sozialen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung Europas während des langen zwanzigsten Jahrhunderts beigetragen hat, sowie der Auswirkungen dieser musikalischen Aktivitäten auf die weitere, globale Welt.

Der Band beginnt mit drei Kapiteln, in denen die Geschichte des Musizierens analysiert wird. Das erste Kapitel von Frank Hentschel befasst sich mit dem Pluralismus der Musikgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts. Er untersucht, wie die Musik mit dem Bau neuer Instrumente und dem Experimentieren mit neuen Klängen immer offener wurde, um alle hörbaren Materialien einzubeziehen. Hentschel untersucht auch die Entwicklung von „Collage Techniques“ in Kompositionen sowie die Art und Weise, in der dies zu Fragen des Urheberrechts führte. Der wichtigste Teil seines Kapitels ist jedoch seine Untersuchung darüber, wie die Musikkompositionen des vergangenen Jahrhunderts durch den Prozess der Globalisierung und den kulturellen Austausch zwischen verschiedenen Ländern beeinflusst wurden. In seinem nachdenklich stimmenden Kapitel befasst sich Marc Perrenoud mit der Welt der einfachen Musiker, die weder reich noch berühmt sind und ihren Lebensunterhalt mit Auftritten bestreiten müssen, die aber in der Musikgeschichte oft vergessen werden. Der Autor untersucht den politischen, kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und technischen Kontext des 20. Jahrhunderts und zeigt, wie sich diese Veränderungen auf die einfachen Musiker und die Bedeutung von Musikaufführungen auswirkten. Es folgt eine Studie von Klaus Nathaus über das Amateurmusizieren sowie dessen Wahrnehmung und Rolle in modernen Gesellschaften. Obwohl Amateurmusiker hauptsächlich zur Selbstverwirklichung und zur Demonstration ihrer Liebe zur Musik spielten, weist Nathaus darauf hin, dass es erhebliche Spannungen zwischen dem von der Musikbegeisterung getragenen Amateurmusizieren und dem zu nicht-musikalischen Zwecken organisierten Musizieren gibt.

Das Buch befasst sich danach mit den finanziellen Aspekten des Musizierens. Das Kapitel von Celia Applegate gibt einen wichtigen Einblick in die Gründe, warum europäische Regierungen das Musikleben ihrer Länder finanzieren und subventionieren wollten. Sie argumentiert, dass es dafür drei Hauptgründe gibt: das Prestige des Landes zu steigern, die Bevölkerung zu bilden und die Wirtschaft durch Musiktourismus zu stärken. Ausgehend von diesem Argument untersucht Myriam Chimènes, warum es Mäzenatentum in der Kunst gibt und wie es sich von Philanthropie unterscheidet. Sie geht der Geschichte nach, um herauszufinden, aus welchen Gründen und auf welche Weise die Aristokratie, die bürgerlichen Eliten, Einzelpersonen und Unternehmen musikalische Darbietungen unterstützten, und unterstreicht, dass sie dadurch in der Regel ihren Einfluss und ihren Status erhöhten. In seinem faszinierenden Kapitel beantwortet Simon Frith die klassische Frage, wie man mit Musik Geld verdiente, und beleuchtet dabei Aspekte wie Ticketing, Verlagswesen, geistiges Eigentum, Urheberrechte, Plattenverkauf und digitale Technologie.

Der nächste Abschnitt enthält drei Kapitel, in denen analysiert wird, wie das Musizieren dem Publikum und der Gesellschaft im weiteren Sinne präsentiert wurde. In seinem Beitrag untersucht Hans Weisethaunet eingehend den Zweck und die Entwicklung der Musikkritik in Europa, mit besonderem Augenmerk auf Jazz, Pop und Rockmusik. Er argumentiert, dass diese Art von Journalismus unerlässlich ist, um musikalische Ausdrucksformen bekannt, hörbar, diskutierbar und verständlich zu machen. Michel Abesser beleuchtet die soziale und kulturelle Bedeutung von Tonaufnahmen und argumentiert, dass Europa seit dem frühen zwanzigsten Jahrhundert eine grundlegende Rolle in diesem Geschäft spielte. Darüber hinaus vertritt der Autor die Ansicht, dass Tonaufnahmen einen wichtigen Kanal für den transnationalen kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Austausch darstellen. Morten Michelsen baut auf Abessers Argumenten auf, indem er eine klare Analyse der Entwicklung der Musiksendungen im europäischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den letzten hundert Jahren vorlegt und zeigt, wie diese Art des Musizierens nach und nach von Ländern außerhalb Europas übernommen wurde.

Es folgen drei Artikel, die sich mit der Art und Weise befassen, wie Menschen sich mit Musik auseinandersetzen. Julia Sneeringer liefert eine eingehende Analyse der Art und Weise, wie das Publikum Musik physisch, emotional und intellektuell erlebt, und zeichnet nach, wie sich dies vom späten 19. Jahrhundert bis 1989 verändert hat. Ihre Arbeit konzentriert sich hauptsächlich auf populäre Musik, berücksichtigt aber auch den Einfluss von Klassik und Jazz. James Nott deckt auf, wie sich die zunehmende Popularität des Gesellschaftstanzes direkt auf das Musizieren und Musikhören auswirkte und wie diese Aktivitäten zur Entwicklung der Unterhaltungsindustrie beitrugen. Darüber hinaus veranschaulicht Nott überzeugend die sich wandelnde Beziehung zwischen Tanz und Musik in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Ulrik Volgsten erörtert in seinem Kapitel die Entstehung des neuen Konzepts des „Solitary Listening“, zeigt den Zweck des Phonographen und des Grammofons auf und untersucht die Gründe für ihre Nutzung durch Einzelpersonen.

Im nächsten Abschnitt befassen sich drei Autoren mit den Wechselbeziehungen zwischen Musik und Politik. Anhand von Beispielen vor allem aus den autoritären Staaten des 20. Jahrhunderts und dem Kalten Krieg untersucht Friedrich Geiger, wie musikalische Propaganda und Musikzensur von Staaten für politische Zwecke eingesetzt wurden. Er argumentiert, dass Musik zur Repräsentation politischer Macht, zur Verherrlichung der Herrschenden, zum Aufbau eines Gemeinschaftsgefühls und zur Sicherung von Popularität und Sympathie eingesetzt werden konnte. Friedemann Pestel bietet eine erfrischende Perspektive auf die musikalische Diplomatie. Bei der Analyse dieses Themas schlägt er ein neues Paradigma vor: dass wir uns nicht nur auf den Staat konzentrieren, sondern auch die Rolle der politischen Institutionen, der Musikunternehmen, des Publikums und der ausübenden Musiker untersuchen sollten. In seinem Beitrag zeigt Jeff Hayton, wie Einzelpersonen seit dem Ersten Weltkrieg populäre Musik nutzten, um gegen den Status quo zu protestieren und die Politiker an der Macht herauszufordern.

Der letzte Abschnitt enthält drei Kapitel, in denen untersucht wird, wie das Musikmachen mit dem Prozess der Globalisierung verbunden war. Rachel Anne Gillett argumentiert, dass der musikalische Austausch, sei es durch Festivals oder Wettbewerbe, Menschen, Ideen und Produkte zusammenbrachte. Sie zeigt aber auch auf, wie und warum bestimmte Gemeinschaften den musikalischen Austausch als eine Form der Invasion oder Aneignung betrachten konnten. Ihre Arbeit unterstreicht die Art und Weise, wie Musik den Wissenschaftlern helfen kann, die europäische Geschichte sowie den Kolonialismus und Postkolonialismus der letzten 150 Jahre zu verstehen. Bob van der Linden untersucht, wie europäische Kunst- und Populärmusik seit den 1950er Jahren eine „Worldwide Diffusion“ erfuhr. Er argumentiert, dass die europäische Musik eine grundlegende Rolle bei der Verdrängung und Beeinflussung indigener Musiktraditionen in der ganzen Welt gespielt hat. Zu guter Letzt beleuchtet Martin Rempe ein innovatives Thema, nämlich wie internationale Organisationen - von den Vereinten Nationen über die Europäische Union bis hin zur UEFA - zur Europäisierung des globalen Musiklebens beigetragen haben.

Dies ist eine hervorragende Sammlung bahnbrechender Aufsätze, die nicht nur die Aufmerksamkeit von Musikwissenschaftlern, sondern auch von Geschichts-, Politik- und Kulturwissenschaftlern verdient. Jeder Aufsatz leistet seinen eigenen spezifischen Beitrag zum Gesamtthema des Musizierens und bietet einen idealen Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen zu diesem spannenden Thema. Diese kurze Rezension kann dem hohen Niveau der Forschung und Analyse, das die Beiträge in diesem Band kennzeichnet, nicht gerecht werden.

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21.10.2022
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