Themenportal „Europäische Geschichte“ (18.-21. Jh.): Newsletter 09/2013

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Siegrist, Hannes - Universität Leipzig

Themenportal Europäische Geschichte

Liebe Leserinnen und Leser von H-Soz-Kult,

nachfolgend finden Sie eine Aufstellung der im August 2013 neu ins Themenportal Europäische Geschichte eingestellten Artikel, Essays, Materialen und Quellenauszüge.

Essays und Artikel:

Makrides, Vasilios N.: Griechisch-orthodoxe antiwestliche und antieuropäische Kritik um die Wende zum 19. Jahrhundert.
Abstract:
Die Auszüge, die hier als Quelle verwendet werden, stammen aus einer kleinen Schrift, die in griechischer Sprache in Triest 1802 unter einem Pseudonym veröffentlicht wurde. Der preußische Diplomat Jakob Ludwig Salomon Bartholdy (1779–1825) – aus der bekannten deutschen Familie – suchte diese während seiner Griechenlandreise (1803–1804) aus und übersetzte sie aus dem Griechischen ins Deutsche. Angeblich war ihr Verfasser ein Mönch namens Nathanael von Neokaisareia, der zu jener Zeit auf dem Heiligen Berg Athos als Hesychast in Zurückgezogenheit lebte – so die Titelseite. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde sie aber vom Hieromönch Athanasios Parios (1721–1813), das heißt von der ägäischen Insel Paros stammend, verfasst, der zu jener Zeit der osmanischen Herrschaft vielleicht der eifrigste Gegner der Einführung von Aufklärungsideen im griechischen Raum war. Aufgrund seines Engagements war Parios in etliche Debatten und Konflikte mit verschiedenen ideologischen Gegnern verwickelt, wie zum Beispiel mit dem Arzt und Philologen Adamantios Korais (1748–1833). Letzterer verbrachte den größten Teil seines Lebens in Paris, ohne jedoch den Kontakt zu seinen Landsleuten und der griechischen Diaspora abzubrechen, und bemühte sich systematisch um die „Aufklärung“, die Regeneration und die Befreiung der griechischen Nation, sowohl von der osmanischen Herrschaft als auch von der intellektuellen Stagnation. An diesen Debatten und Konflikten beteiligte sich auch die Orthodoxe Kirche, vorwiegend repräsentiert durch das Patriarchat von Konstantinopel, deren Amtsträger mehrheitlich auf der Seite der Gegner der Aufklärung standen. An der Wende zum 19. Jahrhundert wurden diese Spannungen, in deren Kontext es zur Veröffentlichung der genannten Schrift kam, noch stärker und virulenter.
Wir kennen nicht alle Umstände, die zu dieser Schrift geführt haben, wie etwa, warum ihr Verfasser dieses besondere Pseudonym gewählt hatte und worauf er damit konkret abzielte. Überdies war es zu jener Zeit üblich, solche polemischen Schriften unter einem Pseudonym zu veröffentlichen. ....
In: Themenportal Europäische Geschichte (2013), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2013/Article=631>.

Aus dem Band „Kultur und Beruf in Europa“, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2012:

Köhnke, Klaus Christian: Georg Simmel als Kulturpolitiker.
Abstract:
Lange bevor der späte Simmel mit seinem Theorem einer Tragödie der Kultur als Kulturkritiker hervortrat (1911), schien ihm eine Aneignung der „objektiven Kultur“ durch die Subjekte noch möglich oder denkbar. Die objektive Kultur, der ganze Reichtum der Sachkultur, habe früher noch der Kultivierung der Subjekte gedient: „Was das Griechentum an Politik und Wissenschaft, an Strategie und Genußmöglichkeiten hervorgebracht hatte, das war an Stil einheitlich und an Struktur einfach genug, um von jedem gebildeten Mann einigermaßen begriffen zu werden: er konnte die Summe der objektiven Kultur ohne weiteres zum Aufbau seiner subjektiven verwenden, und so konnten sich beide in jener Harmonie entwickeln, die durch ihre moderne Verselbständigung gegeneinander zerrissen ist.“
‚Kultur‘ besaß einen noch unzweifelhaften objektiven Wert weil – und genau insoweit – sie die Subjekte kultivierte, und: „Die eigentlichen Kulturnöte des modernen Menschen gehen auf diese Diskrepanz zwischen der objektiven Kultursubstanz an Greifbarkeiten und Geistigkeiten auf der einen Seite und der Kultur der Subjekte auf der andern zurück, die sich gegen jene fremd, von ihr vergewaltigt, unfähig zu gleichem Fortschrittstempo fühlen. Wenn heute vielfach der Eindruck herrscht, dass es uns gegenüber dem Perikleischen Athen, gegenüber dem Italien des 15. u. 16. Jahrhunderts […] an Kultur gebräche, so sind es nicht irgend welche Kulturinhalte, die uns fehlen, und keine Vermehrung von Wissenschaft und Literatur, von Gütern des politischen Lebens und Kunstwerken, von Verkehrsmitteln und feinen Umgangsformen kann unserm Mangel abhelfen. Wie der Besitz von alledem den Menschen noch keineswegs glücklich macht, so macht es ihn auch noch nicht kultiviert. Kultur vielmehr erscheint mir als die Beziehung der subjektiven, in dem Einheitspunkte des Ich gesammelten seelischen Energien zu dem Reiche der objektiven, historischen oder ideellen Werte. Der Mensch ist kultiviert, wenn diese objektiven Güter geistiger oder auch äußerlicher Art in seine Persönlichkeit derart eingehn [sic], dass sie sie über das gleichsam natürliche, rein durch sich selbst erreichbare Maß von Vollendung fortschreiten lassen.“ ....
In: Themenportal Europäische Geschichte (2013), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2013/Article=627>.

Dimou, Augusta: "Wir verwandeln uns in eine Kolonie fremdsprachiger Bücher". Das Buch als Kulturproblem im Jugoslawien der Zwischenkriegszeit.
Abstract:
Obschon dem serbischen Literaten Miloš Crnjanski ein Ruf als widerspenstiger Schöngeist, leidenschaftlicher Streiter und eigensinniger Provokateur bereits vorauseilte, ahnte er wahrscheinlich im Frühling 1932 wenig von der Lawine, die seine Feder diesmal ins Rollen bringen würde. Ging es ihm bei dem aphoristischen Ausruf Wir verwandeln und in eine Kolonie fremdsprachiger Bücher darum, eine Warnung über die Umstände – oder, akkurater gesagt – die Missstände in Sachen Literatur- und Buchproduktion im Jugoslawien der 1930er-Jahre an die Welt zu senden, mündete seine Tirade – nicht ohne Mitschuld seines streitsüchtigen Charakters – in eine Polemik, die einen beträchtlichen Teil der jugoslawischen Intelligenz erfasste und schließlich vor Gericht endete. Das Thema „Buchkrise“ war allerdings kein neues Thema im Königreich Jugoslawien. Es beschäftigte unaufhörlich die jugoslawische literarische Öffentlichkeit der Zwischenkriegszeit und sorgte bereits in den 1920er-Jahren für heftige Auseinandersetzungen und gegenseitige Anschuldigungen zwischen Autoren, Verlegern und Buchhändlern in den Printmedien. Wie beim Prinzip der kommunizierenden Gefäße war die Polemik unterschwellig dennoch unmittelbar mit der Buchkrise verknüpft und brachte sowohl eine Identitäts- wie auch eine Professionalisierungskrise zum Ausdruck.
In seiner Argumentationsstrategie versuchte Crnjanski eine Gratwanderung, wie der Quelle, auf die sich dieser Essay bezieht, zu entnehmen ist. Er prangerte die künstlich vorangetriebene Konjunktur für das fremdsprachige Buch im Original und in Übersetzung an; sie habe massiv zur Krise des heimischen Buches und schließlich zur Verdrängung und Abwertung der heimischen Literatur beigetragen. Seine Forderung einer „nationalen“ Antwort auf das Kulturproblem „Buch“ nahm er nicht als xenophobisch angehauchten Chauvinismus, sondern als merkantilistischen Protektionismus wahr, obwohl seine Anspielung auf den „schädlichen“ Einfluss des „Fremdländischen“ auf die jugendlichen Gemüter an die Grenze zur Zweideutigkeit stieß. Bekanntermaßen war auch sehr viel Trivialliteratur und vor allem Pornografie im Umlauf. ....
In: Themenportal Europäische Geschichte (2013), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2013/Article=629>.

Materialien und Quellenauszüge:

Auszüge aus "Bruchstücke zur nähern Kenntniß des heutigen Griechenlands" von J. L. S. Bartholdy (1805). In: Themenportal Europäische Geschichte (2013), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2013/Article=632>.

Aus dem Band „Kultur und Beruf in Europa“, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2012:

Anlage zum Brief Georg Simmels an Stefan George (24. Februar 1903). In: Themenportal Europäische Geschichte (2013), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2013/Article=628>.

Crnjanski, Miloš: Wir verwandeln uns in eine Kolonie fremdsprachiger Bücher. Das Problem unserer Kultur (1932). In: Themenportal Europäische Geschichte (2013), URL: <http://www.europa.clio-online.de/2013/Article=630>.

Das Themenportal Europäische Geschichte veröffentlicht seit 2006 unter der Adresse <http://www.europa.clio-online.de> Materialien (Textdokumente, Statistiken, Bilder und Karten), Darstellungen und Debatten zur Geschichte Europas und der Europäer/innen vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Nutzerinnen und Nutzer, die gerne mit eigenen Beiträgen mitwirken möchten, werden um Vorschläge gebeten. Schreiben Sie bitte an die Redaktion <clio.europa-redaktion@geschichte.hu-berlin.de>. Über die Auswahl und Annahme von Beiträgen entscheidet das Herausgeberkollegium aufgrund eines unkomplizierten Evaluationsverfahrens. Weitere Informationen zur Zielstellung und Konzeption des Projektes finden Sie auf den Webseiten des Projektes.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Hannes Siegrist (Leipzig), Sprecher des Herausgeberkollegiums

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01.09.2013
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